ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2010; 119(1/02): 50-51
DOI: 10.1055/s-0030-1249264
Colloquium

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Mini-Implantate – Erfolgreiche Stabilisierung von Totalprothesen selbst im atrophierten Kiefer

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Korrespondenzadresse

Dr. Zoltán Kellinger

Bocksgasse 39

73525 Schwäbisch Gmünd

Email: praxis-keilinger@web.de

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Publication Date:
18 February 2010 (online)

 
Table of Contents

Viele ältere Patienten sind mit der Funktion ihrer schleimhautgestützten Prothese unzufrieden. Eine Stabilisierung mit Implantaten wäre das Mittel der Wahl. Oftmals jedoch ist die Atrophie des Kieferknochens schon weit fortgeschritten und das Knochenangebot für Implantate üblichen Durchmessers unzureichend. Hier bieten Mini-Implantate eine gute Lösung. Sie können minimal-invasiv auch in einen schmalen, atrophierten Alveolarknochen eingebracht werden. Im Folgenden werden die Mini-Implantate von IMTEC, a 3M Company, in ihrer Funktionsweise vorgestellt.

Nur 2,6 % der Totalprothesen sind bei Senioren implantatgestützt [4]. Die Gründe für den offenbar zögerlichen Einsatz von Implantaten sind sehr unterschiedlich. Oft sind es finanzielle Gründe, doch auch die Angst vor größeren chirurgischen Eingriffen sowie allgemein gesundheitliche Aspekte lassen die älteren Patienten von einer Implantation Abstand nehmen.

Die Mini-Dental-Implantate (MDI) eignen sich ideal in Fällen, in denen eine Therapie mit konventionellen Implantaten aus den genannten Gründen nicht möglich ist, insbesondere zur Stabilisierung einer Unterkieferprothese und, als Erweiterung dieser klassischen Indikation, einer Oberkieferprothese. Die MDI wurden bereits in den 1970er-Jahren von Dr. Victor Sendax entwickelt und von ihm, in Zusammenarbeit mit IMTEC-Gründer Dr. Ronald A. Bulard in den 1990er-Jahren um das Kugelkopfprinzip erweitert. Sie werden unter Lokalanästhesie minimal-invasiv inseriert und können unter der Voraussetzung, dass eine ausreichende Primärstabilität (mindestens 35 Ncm) erreicht wurde, sofort belastet werden. Durch eine Prothesenstabilisierung mit Mini-Implantaten werden die Kaufähigkeit, die Sprechfähigkeit und der vom Patienten empfundene Komfort stark verbessert [3]. Das Prothesentrauma wird dadurch minimiert und der Kieferknochen vor weiteren Resorptionen geschützt. Zugleich ist die Prothesenstabilisierung mit Mini-Implantaten eine sehr sichere Methode: Die Erfolgsrate beträgt rund 95 % [1], [2], [5] und die MDI (in den Durchmessern 1,8 mm, 2,1 mm und 2,4 mm) sind von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) für die Langzeitanwendung anerkannt.

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Wirkungsprinzip und chirurgisches Vorgehen

Der Aufbau der Mini-Implantate und das prothetische Konzept begründen die guten Überlebensraten. Mini-Implantate für die Prothesenstabilisierung besitzen einen kugelförmigen Kopf, der in der dazugehörigen Matrize (= Metallgehäuse) in einem Retentionseinsatz (= Gummiring) gelagert wird (Abb. [1]). Dieses Metallgehäuse wird in die Prothese einpolymerisiert. Die Prothese wird stabilisiert, indem die Kugelköpfe in die Gummiringe der Metallgehäuse einschnappen und dort mit vordefinierter Kraft sicher gehalten werden. Die in die Metallgehäuse integrierten Gummiringe dämpfen die Belastung der Implantate nach dem Soft-Loading-Prinzip. Sie verhindern so eine Überlastung - was gerade während der Einheilungszeit sehr wichtig ist - und sorgen zugleich für die Lagestabilität der Prothese. Zudem trägt der kurze Hebelarm vom Punkt der Krafteinwirkung im Bereich der Gummiringverankerung bis zum Knocheneintrittspunkt der Implantate zu einer verringerten Belastung bei.

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Abb. 1 Das 2,1-mm-Mini-Implantat mit Kugelkopf eignet sich für die einfache Insertion auch bei sehr dichtem Knochen; oben: Metallgehäuse und Retentionseinsatz.

Das Einbringen der Implantate ist unkompliziert; in der Regel ist nicht einmal eine Inzision nötig. Unter Lokalanästhesie wird zunächst die Kortikalis mit einer 1,1-mm-Pilotfräse perforiert und der Knochen auf nur ein Drittel der Implantatgewindelänge aufgebohrt. Die Mini-Implantate werden danach selbstschneidend bis zur finalen Position in den Knochen eingedreht. Im Unterkiefer sollten mindestens 4 MDI mit einem Durchmesser von 1,8 oder 2,1 mm gesetzt werden. Im Oberkiefer sind mindestens 6 MDI notwendig (Abb. [2]). Wegen der spongiösen Knochenverhältnisse und der etwas dickeren Gingiva unterscheidet sich auch die Form dieser sogenannten MDI-Max-Implantate von den Unterkieferimplantaten durch ein aggressiveres Gewindedesign, einen größeren Durchmesser (2,4 mm; seit 2008 ist auch eine 2,9-mm-Hybrid-Variante erhältlich) und den häufiger angezeigten Kragen (collar) am Implantathals.

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Abb. 2 Mit Mini-Implantaten lassen sich in erster Linie Prothesen stabilisieren, wobei im Unterkiefer mindestens 4, im Oberkiefer mindestens 6 inseriert werden sollten.

Im Rahmen der chirurgischen Vorgehensweise hat sich in unserer Praxis der Einsatz von Bohrschablonen bewährt, insbesondere bei Fällen mit geringem Platzangebot oder bei einem Risiko der Verletzung von Nachbarstrukturen. Die Implantate können auf diese Weise präzise an der Position, die geplant ist, inseriert werden. Des Weiteren können Bohrschablonen Fehler verhindern, wie z. B. ein zu dichtes Positionieren der MDI untereinander oder starke Divergenzen. Die Vorteile rechtfertigen den - ohnehin geringen - Mehraufwand. Die Umarbeitung der Röntgenschablone zur Bohrschablone dauert nur ca. 10 min.

Bei jedem Patienten, bei dem eine Prothesenstabilisierung durchgeführt wird, ist abzuwägen, ob die vorhandene Prothese weitergenutzt werden kann oder eine neue Versorgung notwendig ist. Die Anfertigung einer neuen Totalprothese erscheint oft sinnvoll, da die Kunststoffzähne der alten Prothesen bereits abradiert sind und die Patienten sich häufig eine hellere Zahnfarbe wünschen. Grundsätzlich kann jeder alte Zahnersatz mit MDI stabilisiert werden, solange folgende 3 Kriterien erfüllt werden:

  • Es sollte keine Metallbasis in der Prothese eingearbeitet sein, da dies den Einbau der Metallgehäuse erschwert.

  • Es muss eine ausreichende vertikale Höhe der Prothese vorhanden sein, um die Metallgehäuse einbauen zu können. Gegebenenfalls kann dies durch eine Unterfütterung mit Bisshebung erreicht werden.

  • Die Prothesenokklusion sollte den gnathologischen Kriterien in punkto Verzahnung und Artikulation noch entsprechen.

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Fazit

Für den Zahnarzt stellt die Prothesenstabilisierung mittels MDI in vielen Fällen eine unkomplizierte und gut funktionierende Alternative zur Augmentation dar. Daher sehe ich sie als sinnvolle Erweiterung meines Behandlungsspektrums. Allerdings muss auch bei einer Insertion von Mini-Implantaten präzise und genau gearbeitet werden, um ein ästhetisches Ergebnis zu erzielen. MDI können nach meiner Einschätzung ebenso gelungene Ergebnisse hervorbringen wie konventionelle Titanimplantate, bedürfen aber auch der gleichen Sorgfalt.

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Literatur

  • 01 Bulard R A, Vance J B. Multi-clinic evaluation using mini-dental implants for long-term denture stabilization: a preliminary biometric evaluation.  Compend Contin Educ Dent. 2005;  26 892-897
  • 02 Demir T . Mikroimplantate zur Stabilisierung von Totalprothesen bei Risikopatienten. Masterarbeit vorgelegt am Universitätsklinikum Münster, 2009. 
  • 03 Griffitts T M, Collins C P, Collins P C. Mini dental implants: an adjunct for retention, stability, and comfort for the edentulous patient.  Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2005;  100 e81-84
  • 04 Mundt T . Implantologische Behandlungen bei Senioren:.  Implantologie. 2009;  17 11-12
  • 05 Shatkin T E, Shatkin S , Oppenheimer B D, et al . Mini dental implants for long-term fixed and removable prosthetics: a retrospective analysis of 2514 implants placed over a five-year period.  Compend Contin Educ Dent. 2007;  28 92-99
  • 06 Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV). Hrsg.: Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) im Auftrag der Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung 2006. 
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Korrespondenzadresse

Dr. Zoltán Kellinger

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73525 Schwäbisch Gmünd

Email: praxis-keilinger@web.de

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Literatur

  • 01 Bulard R A, Vance J B. Multi-clinic evaluation using mini-dental implants for long-term denture stabilization: a preliminary biometric evaluation.  Compend Contin Educ Dent. 2005;  26 892-897
  • 02 Demir T . Mikroimplantate zur Stabilisierung von Totalprothesen bei Risikopatienten. Masterarbeit vorgelegt am Universitätsklinikum Münster, 2009. 
  • 03 Griffitts T M, Collins C P, Collins P C. Mini dental implants: an adjunct for retention, stability, and comfort for the edentulous patient.  Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2005;  100 e81-84
  • 04 Mundt T . Implantologische Behandlungen bei Senioren:.  Implantologie. 2009;  17 11-12
  • 05 Shatkin T E, Shatkin S , Oppenheimer B D, et al . Mini dental implants for long-term fixed and removable prosthetics: a retrospective analysis of 2514 implants placed over a five-year period.  Compend Contin Educ Dent. 2007;  28 92-99
  • 06 Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV). Hrsg.: Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) im Auftrag der Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung 2006. 
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Abb. 1 Das 2,1-mm-Mini-Implantat mit Kugelkopf eignet sich für die einfache Insertion auch bei sehr dichtem Knochen; oben: Metallgehäuse und Retentionseinsatz.

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Abb. 2 Mit Mini-Implantaten lassen sich in erster Linie Prothesen stabilisieren, wobei im Unterkiefer mindestens 4, im Oberkiefer mindestens 6 inseriert werden sollten.