Zusammenfassung
Zielsetzung: Charakteristisch für das deutsche Gesundheitssystem ist eine Desintegration der verschiedenen
Leistungsbereiche im medizinischen und pflegerischen Behandlungsprozess. Mit der „integrierten
Versorgung” (IV) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer sektorenübergreifenden
Leistungs- und Vergütungsform eröffnet (GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz, § 140a–d
SGB V) und damit die Voraussetzungen für eine engere Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen
Leistungserbringern der Gesundheitsversorgung geschaffen. Organisationsübergreifende
und interdisziplinäre Arbeitszusammenhänge erfordern den Aufbau neuer Strukturen,
um die unterschiedlichen Kompetenzen, Ressourcen und Interessen der beteiligten Kooperationspartner
effektiv zu koordinieren. Ziel der Studie war die Identifizierung von Faktoren erfolgreicher
Kooperationsbeziehungen im Rahmen integrierter Versorgungsleistungen bei Knie- und
Hüftgelenkersatz. Am Beispiel des integrierten Versorgungsvertrages eines orthopädischen
Fachkrankenhauses und einer Rehabilitationsklinik wurde untersucht, welche Faktoren
eine erfolgreiche Implementierung der konzipierten Instrumente bedingen.
Methodik: Für die Analyse wurde ein qualitatives Forschungsdesign entwickelt. Es wurden unterschiedliche
qualitative Erhebungsverfahren (teilnehmende Beobachtungen, leitfadengestützte Experteninterviews,
Dokumentenanalysen) eingesetzt, die eine umfassende Untersuchung ermöglichten. Insgesamt
wurden sechs Erstberatungen von IV-Patienten sowie zwei Informationsveranstaltungen,
sieben Experteninterviews und unterschiedliche Dokumente analysiert (17 Patientenakten,
IV-Patientenpässe, Informationsmaterialien für Patienten, Patienten- und Visitenlisten).
Ergebnisse: Zunächst wurden die unterschiedlichen Phasen der Entwicklung und Implementierung
der IV beschrieben, und es wurde gezeigt, dass für eine optimale langfristige Kooperation
von Anfang an klar definierte Ziele, Strukturen und geeignete Instrumente definiert
werden müssen. Des Weiteren konnte die Mitarbeitersicht auf die den Arbeitsalltag
betreffenden Auswirkungen des IV-Programms als wichtige Perspektive für die Prozessrekonstruktion
genutzt werden. Die Mitarbeiter sahen die IV dabei vor allem durch vier Aspekte gekennzeichnet:
Imagegewinn, Wissenszuwachs, vertiefte Beziehungsintensität, Arbeitszuwachs/-entlastung.
Vor diesem Hintergrund konnten Erfolgsfaktoren, wie die Notwendigkeit einer zentralen
Koordination, regelmäßige Mitarbeiterinformationen sowie ein begleitendes Prozessmonitoring
identifiziert werden, die eine erfolgreiche Kooperationsbeziehung gewährleisten.
Schlussfolgerung: Anhand der Prozessanalyse konnten zentrale Faktoren erfolgreicher Kooperationsbeziehungen
in der Endoprothetik generiert werden, die wichtige Ansätze für die Ausgestaltung
zukünftiger interdisziplinärer und sektorenübergreifender Kooperationsbeziehungen
liefern.
Abstract
Aims: In Germany, introduction of the law on Integrated Health Care (IC) (§ 140a–d SGB
V) opened up the possibility of cross-sectoral health care settings and new forms
of remuneration, and improved the conditions for a closer cooperation between health
care providers. However, cross-institutional and interdisciplinary work contexts demand
new organizational structures in order to assure the coordination of different competences,
resources and interests. This study aims at identifying factors of successful integrated
care settings for total hip and knee arthroplasty. Using the example of an integrated
care setting between an orthopaedic hospital and a rehabilitation clinic it will be
examined which factors lead to successful implementation of the services and measures
designed.
Method: A qualitative research design was developed comprising different methods of data
assessment (participant observation, guided expert interviews, document analyses)
enabling a comprehensive exploration. Overall, data were derived from six consultations
with patients, two integrated care information sessions and various documents (17
patient files, information material, patient lists, etc.).
Results: First of all, the different phases of development and implementation of integrated
care settings were described. In this context, clearly defined aims, structures and
appropriate measures seem to be crucial for an ideal long-term cooperation. Furthermore,
the staff perspective on the effects of the IC programme on their daily routines proved
an essential basis for process reconstruction. The staff members pointed out four
main aspects regarding IC settings, i. e., improved image, increased knowledge, intensity
of relationship, and less and more work effort. Against this background, factors of
successful IC settings could be generated such as the need for central coordination,
a regular staff information systems as well as accompanying process monitoring.
Conclusion: Several key factors of successful integrated care settings in arthroplasty could
be generated which provide important clues for shaping future interdisciplinary and
cross-sectoral cooperation settings in health care services in general.
Schlüsselwörter
integrierte Versorgung - Endoprothetik - Qualitätsmanagement - qualitative Forschung
- Prozessevaluation
Key words
integrated care - arthroplasty - quality management - qualitative research - process
evaluation