DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2011; 9(01): 32
DOI: 10.1055/s-0030-1250707
DO | praxis
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Patienteninfo: Nein – eine Klingelhose möcht' ich nicht

N. N.
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Publication Date:
07 February 2011 (online)

Liebe Kinder,

dieser Brief ist direkt an Euch gerichtet und Mama oder Papa lesen ihn vielleicht gemeinsam mit Euch. Der Brief soll Euch zeigen: Mit dem Problem, dass Ihr nachts eine Windel braucht, seid Ihr nicht allein. Deshalb drucken ihn erwachsene Leute in einer Zeitung, weil es ganz vielen Kindern so geht: Es ist eine Zahl mit fünf Nullen! In Deutschland sind es 600 000 über 5-jährige Kinder – sie alle ziehen sich nachts eine Windel an, bevor sie ins Bett gehen. Ganz schön viele Kinder sind das, nicht?

Na klar, die meisten reden nicht darüber. Und es gibt richtige Erfinder unter Euch Kindern, die sich für die Klassenfahrten etwas Besonderes ausgedacht haben. Zum Beispiel einen eigenen Schlafsack mitnehmen und die Höschenwindel im Fußteil verstecken. Aber die meisten wünschen sich doch, es wäre anders: Ihr wollt keine Klingelwindeln mehr anziehen und auch nicht mehr von Mama oder Papa noch mal spät geweckt werden und es gar nicht mehr richtig mitbekommen, weil Ihr gerade so schön im Traumland spazieren gegangen seid.

Das, was das Pipi im Bauch sammelt, heißt Blase. Und Pipi heißt in der Erwachsenensprache Urin. Als Du noch ein kleines Baby warst, war das ganz einfach: Immer wenn die Blase voll war, hat sie sich allein entleert. Aber Du hast nicht die ganze Zeit getropft wie ein kaputter Wasserhahn! Da gibt es schon einen Verschlussmechanismus. Mama und Papa wussten das. Wenn Du einmal Pipi gemacht hast, konnten Mama und Papa mit Dir auf dem Wickeltisch weiterspielen, dann waren sie erst mal sicher!

Ein bisschen später, als Du schon das Bobbycar für Dich entdeckt hattest, war die Blase mit groß geworden, und viel mehr Pipi hatte Platz in der Blase. Das heißt, man muss dann nicht mehr so oft. Und man merkt es auch! Bloß: Immer noch macht die Blase das ganz von allein, wenn sie voll ist. Als Du schon zwei, drei oder manchmal auch vier Kerzen auf Deinem Geburtstagskuchen ausgepustet hattest, war es auf einmal anders: Jetzt konntest Du der Blase schon mal sagen, ob Du jetzt gleich oder erst ein bisschen später auf die Toilette wolltest. Jetzt fing sie an, auf Dich zu hören. Das heißt, der zweite Verschlussring öffnet sich, wenn Du es willst. Nur nachts, da schläfst Du ja. Da wird es dann ein bisschen schwieriger. Manche Kinder träumen so echt, dass sie denken, sie sind auf dem Klo. Und manche merken gar nichts davon, dass sich die Blase einfach entleert hat.

In Deinem Körper müssen also diese zwei Verschlussringe funktionieren, dann kommt noch ein dritter hinzu, der Beckenboden. Und wer sagt denen, was sie tun müssen? Das machen die Hormone und die Nerven. Nerven funktionieren wie eine Stromleitung und verbinden den Kopf und den Rücken und eben auch die Blase. Damit jeder Bescheid weiß im Körper. Hormone sind kleine Stoffe, die keine Stromleitung brauchen. Sie schwimmen in den Flüssigkeiten umher und sagen den Nieren Bescheid, dass jetzt Nacht ist und sie ein bisschen mehr Konzentrat aus dem Urin machen sollen. Damit Du schlafen kannst. Deswegen riecht der Urin morgens immer ein bisschen stärker. Und die Blase weiß auch, dass sie ein bisschen mehr Flüssigkeit halten soll. Wenn das alles funktioniert.

Und wenn nicht? Dann kann beispielsweise ein Osteopath mal nachschauen, ob er einen Stau findet. Manchmal ist der Kopf, den Du mit einem Computer vergleichen kannst, noch nicht auf dem neuesten Stand. Update nennt man das. Der Kopf denkt vielleicht noch, dass Du noch gar nicht so alt bist, weil Du vielleicht das Krabbeln ausgelassen hast. Vielleicht machst Du auch manche Bewegungen ein bisschen ungeschickter als Deine Freunde. Oder irgendwo auf dem Weg der Nerven, den Stromleitungen, ist etwas blockiert. Oder die Hormone sind einfach zu wenig unterwegs. Und es kann auch sein, dass Du vielleicht einfach Angst hast oder so was. Alles möglich.

Mama hat manchmal Kopfschmerzen und Papa vielleicht Rückenschmerzen und Du hast eben das Problem, dass Dein Bett nachts nass wird. Und über all das kann man reden. Man hat sich das ja nicht freiwillig ausgesucht. Dann lass uns mal schauen!

Jedes Kind entwickelt sich unterschiedlich, manche Kinder sind schnell sauber, andere brauchen etwas länger. Doch spätestens ab dem 5. Lebensjahr haben es die meisten geschafft: Sie schlafen durch, ohne noch einmal auf die Toilette zu müssen. Die meisten, doch nicht alle: Bis zu 10 % der 7-Jährigen und etwa 5 % der 10-Jährigen sind noch Bettnässer. Und hier kann möglicherweise die Osteopathie helfen. Der oben abgedruckte Brief soll helfen, dieses heikle, oft schambesetzte Thema ansprechbar zu machen. Er ist bewusst an die Hauptpersonen – die Kinder – gerichtet, soll doch mit ihnen und nicht über sie gesprochen werden.