ergopraxis 2009; 02(6): 14
DOI: 10.1055/s-0030-1253265
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Wissenschaft erklärt: Die Stichprobe – Auf die Auswahl kommt es an

Jan Mehrholz
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Publication Date:
23 April 2010 (online)

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Um eine Studie durchführen zu können, brauchen die Forscher Teilnehmer. Diese können sie zufällig oder willkürlich auswählen, jede Vorgehensweise hat ihre Berechtigung. Erfahren Sie hier von Jan Mehrholz, wann welches Prinzip angezeigt ist.

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Prof. Dr. Jan Mehrholz, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Europäischen Medizinischen Akademie in Kreischa und in Gera Professor für Therapiewissenschaften

Jedes Studienergebnis bezieht sich auf eine Auswahl an Probanden bzw. Patienten und beschreibt die Ergebnisse einer Patientenstichprobe. In den seltensten Fällen können wir wirklich alle Patienten mit einer bestimmten Diagnose untersuchen. Demnach sind wir darauf angewiesen, von einer Auswahl (Stichprobe) auf die gesamte Patientengruppe (Grundgesamtheit) zu schließen (Inferenz). Wenn die Auswahl einer Studie keine bestimmte Patientengruppe repräsentiert, kann man die beschriebenen Ergebnisse nur auf ähnliche bzw. vergleichbare Patienten übertragen [1].

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Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

Repräsentative Stichproben erreicht man am besten durch eine Auswahl per Zufallsprinzip [2]. Denn: Die Stichprobenziehung bestimmt die Übertragbarkeit der Studienergebnisse. Stichproben wählt man manchmal auch willkürlich aus. Die Szene aus dem Märchen von Aschenputtel „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen” ist ein Beispiel für eine willkürlich vorgenommene Auswahl. Eine Zufallsstichprobe dagegen erhebt oder zieht man aus einer definierten Gesamtpopulation – zum Beispiel der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wählt man per Zufallsprinzip und nicht willkürlich Personen aus. Beachtet man das Zufallsprinzip während der Auswahl, kann man Rückschlüsse von dieser Stichprobe auf die Allgemeinheit ziehen – in diesem Fall auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands. Wenn wir beispielsweise die Rauchgewohnheiten von Ergotherapeuten und weitere Hintergründe dazu studieren wollen, müssen wir nicht alle Ergotherapeuten untersuchen. Es reicht hier völlig aus, eine repräsentative und bestimmte Anzahl von zufällig ausgewählten Ergotherapeuten zu ihrem Rauchverhalten zu befragen.

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Stichprobenziehungen sollen per Zufallsauswahl erfolgen

Ein gutes Beispiel für Stichprobenziehungen sind Wahlprognosen und Hochrechnungen. Die Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten von 1936 ging zum Beispiel durch eine methodisch mangelhafte Stichprobenziehung in die Geschichte ein. Im Vorfeld dieser Wahl startete die Zeitschrift „Literary Digest” eine Umfrage unter etwa zehn Millionen Lesern und potenziellen Lesern. Etwa 2,3 Millionen antworteten darauf. Fast 8 Millionen antworteten nicht, das Ergebnis war also durch die freiwillige Teilnahme verzerrt. Daraufhin führte die Wahlprognose den Präsidentschaftskandidaten und Republikaner Alfred Landon als klaren Favoriten mit circa 60 % ins Feld. Fälschlicherweise, denn die Wahl gewann mit 61 % der Demokrat Franklin Roosevelt – klar vor Alfred Landon mit 37 %. Dieses Beispiel zeigt, dass das Ziehen von Stichproben nicht willkürlich, sondern per Zufallsauswahl erfolgen sollte. Die Zeitschrift wurde vor allem von Republikanern gelesen, und tatsächlich führte die katastrophale Umfrage letztlich dazu, dass die Zeitschrift wenige Monate später verschwand. George Gallup führte zeitgleich eine repräsentative Umfrage mit der Zufallsauswahl einer Stichprobe von 50.000 US-Bürgern durch und konnte das Wahlergebnis tatsächlich korrekt vorhersagen.

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Viel hilft nicht immer viel

Das Beispiel der Zeitschrift „Literary Digest” zeigt, dass der Spruch „viel hilft viel” keineswegs zutreffend ist. Nach modernen statistischen Berechnungen der Stichprobengröße – auch Stichprobenumfang genannt – hätte wohl die Befragung von etwa 16.000 zufällig ausgewählten US-Bürger eine ausreichend zuverlässige Vorhersage des Wahlergebnisses erbracht.

Stichprobenartig Daten zu erheben unterscheidet sich von einer Totalerhebung, welche auch Zensus genannt wird. Ein Beispiel für einen Zensus sind Bevölkerungszählungen oder spezialisierte Register zu bestimmten Erkrankungen, in welchen alle Betroffenen registriert sind.

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