Der Klinikarzt 2010; 39(3): 155
DOI: 10.1055/s-0030-1253272
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Bei Pilzinfektionen ‐ Dringend handeln bevor es zu spät ist

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Publication Date:
29 March 2010 (online)

 
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Invasive Pilzinfektionen sind eine wesentliche Ursache für Morbidität und Letalität bei immunsupprimierten Patienten. In den letzten 20 Jahren haben sie deutlich zugenommen, weil die Risikogruppe größer geworden ist. Ein krankheits- oder therapiebedingt geschwächtes Immunsystem, Blutstammzell- und Organtransplantationen und der Einsatz aggressiver Chemotherapieregime bei Krebserkrankungen haben u. a. dazu beigetragen. Intensivmedizinisch-invasive Techniken nach großen chirurgischen Eingriffen erhöhen das Risiko einer Systemmykose ebenso und auch Patienten, die mit Kortikoiden und Breitspektrumantibiotika behandelt werden sind gefährdet.

Die wesentlichen Erreger invasiver Mykosen sind Candida spp. und Aspergillus spp.

Zu den selteneren aber mit einer hohen Letalitätsrate von rund 80 % verbundenen Mykosen gehören die Scedosporiosen. Sie treten bei Beinahe-Ertrinkungspatienten auf und werden von Scedosporium spp., die sich in fast allen Gewässern befinden, verursacht. Da die Infektion auch noch Wochen bis Monate nach dem Unfall auftreten kann, sind frühzeitige diagnostische und therapeutische Maßnahmen unerlässlich. In Deutschland ist zurzeit Voriconazol das einzige Antimykotikum, das in dieser Indikation zugelassen ist [1].

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Hefen - nicht nur Candida albicans

In der Intensivmedizin standen vor 15 bis 20 Jahren Pilzinfektionen als lebensbedrohliche Komplikationen weniger im Fokus des Bewusstseins. Die mikrobiologische Diagnostik richtete sich im Wesentlichen auf "Hefen". In den vergangenen Jahren hat sich das Erregerspektrum jedoch deutlich verändert und so steht heute C. albicans mit einem Anteil von rund 60 % gegenüber einem wachsenden Anteil von C. glabrata, C. parapsilosis, C. krusei, oder C. tropicalis mit entsprechenden Therapieerfordernissen. Die Zunahme schwerster Krankheitsformen und verminderter Immunkompetenz, die steigende Anzahl von Patienten mit höherem Lebensalter aber auch die Fluconazol-Prophylaxe werden für diesen Erregerwandel verantwortlich gemacht. In einer umfangreichen Studie [2] wurde die Wirksamkeit von Anidulafungin gegen Fluconazol, den bisherigen "Goldstandard", getestet.

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Hierbei zeigte sich eine deutliche Überlegenheit von Anidulafungin gegenüber Fluconazol bei einem Patientenkollektiv, das alle diagnostizierten Candida species umfasste. Die Ansprechraten waren 76 % für Anidulafungin und 60 % für Fluconazol. "Immer zuerst ein Echinocandin" rät Dr. Rainer Höhl, Nürnberg, bei Candida-Verdachtsfällen in der Intensivmedizin und begründet dies mit dem günstigen Interaktionspotenzial der Substanzen (Anidulafungin, Caspofungin, Micafungin).

Aber schon mit der Einführung von Voriconazol im Jahr 2002 sei die Therapie der beiden wichtigsten lebensbedrohlichen invasiven Mykosen (Aspergillosen und Candidosen) deutlich verbessert worden, bestätigt Prof. Markus Ruhnke, Charité Berlin. In den Leitlinien der AGIHO (Arbeitsgemeinschaft Infektiologie in der Hämato-Onkologie) hat es einen festen Platz und ist Mittel der ersten Wahl in der Therapie der invasiven Aspergillosen.

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Spitzenreiter Candida-Infektionen

In den USA gilt die Candidämie als vierthäufigste nosokomiale Infektion mit der höchsten Sterberate. "Eine Candidämie ist oft nur die Spitze des Eisbergs", mahnt Ruhnke aus gutem Grund. Candida-Arten breiten sich rasch im Körper aus und können zu Organmanifestationen z. B. in der Milz, Leber, Lunge, im Auge oder an den Herzklappen führen.

Invasive Aspergillosen müssen derzeit als die bedrohlichste Systemmykose bei Patienten mit Tumorerkrankungen angesehen werden. Ihre Inzidenz schwankt je nach lokaler epidemiologischer Situation und erreicht bis zu 25 %. Eine Kolonisation macht zwar noch keine Infektion, aber bei Hochrisikopatienten nach Knochenmarktransplantation oder mit protrahierter Granulozytopenie im Rahmen der Behandlung einer akuten Leukämie liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei über 50 %. Laut aktueller Empfehlungen sind bei diesen Patienten prophylaktische Maßnahmen in Erwägung zu ziehen [3].

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Jede Stunde zählt

Mykologen aus allen medizinischen Fachbereichen sind sich darüber einig, dass der Therapieerfolg bei einer Mykose wesentlich davon abhängt, wann sie entdeckt und behandelt wird. Dies sollte möglichst frühzeitig sein; damit steigen die Überlebenschancen für die Patienten erheblich. Deshalb lautet der eindringliche Appell: bei Risikopatienten unbedingt an Mykosen zu denken und im Verdachtsfall rasch eine empirische antimykotische Therapie einzuleiten. Beträgt die Überlebensrate einer Candida-Sepsis bei einer Therapieverzögerung von 2 Stunden nach Eintreten der klinischen Zeichen der Sepsis noch 81,3 % so sinkt diese Rate nach 2-12 Stunden auf 41,9 % und nach mehr als 12 Stunden auf 6,5 %.

Moderne Azolantimykotika (teilweise oral und parenteral verfügbar), die neuen Echinocandine sowie liposomales Amphotericin B ermöglichen dieses Vorgehen, weil ihr Einsatz keine wesentlichen zusätzlichen Belastungen für Patienten nach sich zieht, sondern in einem kalkulierbaren Nutzen/Risiko-Verhältnis steht.

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Quellen: Myk 2009, Köln, 20. Symposium Intensivmedizin und Intensivpflege, Bremen.

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Literatur

  • 01 Horré R , et al . AINS. 2010;  45 152-158
  • 02 Reboli A C, et al . NEJM. 2007;  356 2472-2482
  • 03 Perfekt, et al . Clin Infect Dis. 2001;  33 1824-1833
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Literatur

  • 01 Horré R , et al . AINS. 2010;  45 152-158
  • 02 Reboli A C, et al . NEJM. 2007;  356 2472-2482
  • 03 Perfekt, et al . Clin Infect Dis. 2001;  33 1824-1833
 
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