ergopraxis 2009; 2(3): 16
DOI: 10.1055/s-0030-1254394
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Wissenschaft erklärt: Reviews und Meta-Analysen – Mehr Übersicht erhalten

Jan Mehrholz
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Publication Date:
21 May 2010 (online)

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Jan Mehrholz erklärt hier den Unterschied zwischen „systematischer Übersichtsarbeit” und „Meta-Analyse” und warum beide wertvolle Ergebnisse für stressgeplagte Ergotherapeuten liefern.

Ergotherapeuten treffen täglich Therapieentscheidungen für ihre Klienten. Dabei sind sie auf zuverlässige Informationen angewiesen. Um diese beschaffen und bearbeiten zu können, benötigen sie Zeit. Die ist im Behandlungsalltag oft knapp. Deswegen kommt der systematischen Zusammenfassung von Studien (engl.: systematic review) eine wichtige Rolle zu. Denn diese Übersichtsarbeiten beschreiben den aktuellen Wissensstand und halten Therapeuten „up to date”.

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Systematische Literaturstudien haben hohe Evidenz

Beim Zusammenfassen von Literatur muss man systematisch vorgehen [1]. Nur so erhält man einen umfassenden Überblick über aktuell publizierte Studien. Und nur dann hat die Übersichtsarbeit den höchstmöglichen Evidenzgrad 1a. Im Gegensatz dazu hat ein nicht systematisches Vorgehen nahezu keine Aussagekraft. Bei einer unsystematischen Übersichtsarbeit (engl.: narrative review) trägt der Autor Studien zusammen, die er für wichtig hält. Man kann meist nicht erkennen, wie die Ergebnisse zustande kamen und welche Störfaktoren sie verzerren (Bias = Ergebnisverzerrung).

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Erst fragen, dann suchen

Die systematische Übersichtsarbeit folgt einer genauen wissenschaftlichen Methodik [2]. Zunächst legt man eine möglichst exakte Fragestellung fest. Diese könnte lauten: Welchen Effekt hat die passive Mobilisation der Hand bei Klienten mit einer Tetraplegie? Hat man eine Forschungsfrage formuliert, entwickelt man eine Suchstrategie. Diese soll möglichst viele Studien zur Fragestellung finden (optimal wäre es, wenn man alle finden würde). Zu Beginn der Suche legt man mithilfe von Einschlusskriterien die Güte der Studien fest, die man in die Übersichtsarbeit einbeziehen will. So kann man beispielsweise vorher bestimmen, ob man nur nach randomisiert kontrollierten Studien oder auch nach epidemiologischen Kohortenstudien suchen möchte.

Mithilfe der festgelegten Suchstrategie recherchiert man in verschiedenen Datenbanken, zum Beispiel in der Cochrane Library, in PubMed, Medline, Embase, OTseeker oder PEDro. Wichtig ist, dass man nicht nur Studien in einer Sprache in die Suche einbezieht, sondern dass man so viele Studien in verschiedenen Sprachen wie möglich berücksichtigt. Auf diese Weise kann man den sogenannten Sprachbias verringern.

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Meta-Analysen werten statistisch aus

Hat man mehrere Studien (mindestens fünf) zu einem Thema gefunden, die ein vergleichbares Studiendesign und eine vergleichbare methodische Güte haben, dann kann man eine Meta-Analyse durchführen [3]. Das heißt: die einzelnen Studienergebnisse statistisch auswerten und vereinen.

Das Zusammenfassen der einzelnen Studienergebnisse zu einem Meta-Ergebnis nennt man „pooled analysis”. Meta-Analysen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Behandlungseffekt aufdeckt. So kann es sein, dass es zu einem Thema mehrere Studien ohne ein signifikantes Ergebnis gibt. Durch die Zusammenfassung der einzelnen Resultate und durch die spezielle Gewichtung der Ergebnisse lässt sich jedoch ein Effekt für (oder gegen) eine Intervention erkennen.

Die beiden Begriffe „systematische Übersichtsarbeit” und „Meta-Analyse” werden oft synonym verwendet. Die systematische Übersichtsarbeit bezeichnet jedoch ein Studiendesign und die Meta-Analyse ein statistisches Verfahren, das man innerhalb einer systematischen Übersichtsarbeit durchführen kann, um die Studien quantitativ zu analysieren.

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Publikationsbias verringern

Wie alle Studien haben auch Meta-Analysen ihre Grenzen: Man kann oft nur publizierte Studien analysieren. Meist werden ausschließlich Studien mit einem positiven und statistisch signifikanten Ergebnis publiziert. Studien mit negativem Ergebnis findet man in Fachzeitschriften selten. So entsteht ein sogenannter Publikationsbias, eine Verzerrung des Suchergebnisses wegen Nichtveröffentlichung [4]. Recherchieren Wissenschaftler gezielt nach unpublizierten Daten, wie beispielsweise in Studienregistern [5] oder Kongressabstracts, können sie diesen Bias verringern. Die Aussagekraft einer Meta-Analyse ist nicht nur vom Bias abhängig, sondern auch von der methodischen Qualität eingeschlossener Studien. Das heißt: Je schlechter die Methodik der Studien ist, desto schwächer ist die Aussage der Meta-Analyse. Die Cochrane Collaboration bietet dem Nutzer hier Unterstützung, indem sie ihre publizierten Arbeiten ganz genau beurteilt und beschreibt [6].

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Ohne Fleiß kein Preis

Systematische Literaturübersichten und statistische Analysen sind sehr zeitaufwendig. Diese Fleißarbeit einzelner Autoren kommt vielen Lesern zugute, welche die Ergebnisse im Behandlungsalltag umsetzen. So publizierten Lynn Legg und ihre Kollegen eine Übersichtsarbeit über Ergotherapie mit Schwerpunkt auf personalen Aktivitäten des täglichen Lebens bei Klienten nach Schlaganfall [7]. Sie kamen zu dem Schluss, dass Ergotherapie die Selbstständigkeit im Alltag unterstützt, und lieferten durch ihre Arbeit einen für die Berufsgruppe wichtigen Wirksamkeitsnachweis.