Z Orthop Unfall 2010; 148(3): 262
DOI: 10.1055/s-0030-1255497
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Gonarthrose - Gewichtszunahme nach Knieendoprothetik

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Publication Date:
21 June 2010 (online)

 
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Bild: Schünke M et al. Prometheus. Allgemeine Anatomie und Bewegungsapparat. Grafik: M. Voll Stuttgart: Thieme, 2004.

Die vorliegende Studie untersuchte den Einfluss der Knieendoprothetik auf den Gewichtsverlauf und den Zusammenhang zwischen erhöhtem Body-Mass-Index (BMI) und der Funktion des Streckapparats über 2 Jahre.

Most patients gain weight in 2 years after total knee arthroplasty: comparison to a healthy control group. Osteoarthritis and Cartilage; Apr 2010;18(4):510–514

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Einleitung

Übergewicht stellt einen wichtigen Faktor bei der Pathogenese der Gonarthrose dar. Gelenkschmerz, Steifigkeit und Muskelschwäche begünstigen dabei eine weitere Gewichtszunahme und erhöhen damit das Risiko sowohl kardiovaskulärer Erkrankungen, als auch das Fortschreiten der Arthrose und die Entstehung arthrotischer Veränderungen anderer Gelenke. Die Knietotalendoprothetik besitzt einen großen Stellenwert bei der Wiederherstellung der Funktion arthrotischer Gelenke und scheint daher auf den ersten Blick geeignet, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Bisherige Studien konnten jedoch keine Gewichtsabnahme im ersten postoperativen Jahr nach Knie- und Hüftendoprothetik zeigen.

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Studiendesign

Untersucht wurden 106 Patienten, die sich einer Knieprothesenimplantation unterzogen und keine höhergradigen Beschwerden auf der Gegenseite hatten, über einen Zeitraum von 2 Jahren. Die Kontrollgruppe umfasste 31 im Alter übereinstimmende Patienten ohne Kniegelenksbeschwerden. Zu den Erhebungszeitpunkten wurden Größe, Gewicht und die maximale willkürliche Kraft des M. quadrizeps beidseits bestimmt, sowie ein Zufriedenheits-Score (KOS-ADLS) bez. der Alltagsfunktionalität des Gelenks erhoben.

Zur Analyse der Funktionalität wurde die ursprüngliche Endoprothetik-Patientengruppe in eine Untergruppe von Patienten mit Gewichtszunahme nach 2 Jahren und eine Untergruppe von Patienten mit Gewichtsabnahme aufgeteilt.

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Ergebnisse

Bei den Patienten nach Knieprothesenimplantation zeigte sich nach 2 Jahren eine signifikante Zunahme sowohl des BMI (p<0,001), als auch des Körpergewichts (p=0,015), während bei der Kontrollgruppe keine Änderung eintrat. 66% der Endoprothetik-Patienten nahmen innerhalb von 2 Jahren an Gewicht zu (durchschnittlich 5,42kg), während 34% eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 1,9kg zeigten – für die Gesamtgruppe ergab sich ein mittlerer BMI-Anstieg um 1,5kg/m2. Die Gewichtszunahme zeigte dabei keine Korrelation mit Alter, präoperativem BMI, KOS-ADLS-Score, Geschlecht oder sozioökonomischem Status. Körpergewicht und BMI lagen zu allen Untersuchungszeitpunkten in der Endoprothetikgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe.

Die Untersuchung der Quadrizepskraft zeigte in der Gruppe der Patienten mit Gewichtszunahme eine Kraftminderung des nichtoperierten Beines zwischen dem ersten und zweiten postoperativen Jahr. Unterschiede im Seitenvergleich zeigten sich nicht. Die Auswertung des KOS-ADLS-Score zeigte einen signifikanten Anstieg (p<0,001) nach einem Jahr, jedoch keine weitere Verbesserung nach 2 Jahren.

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Kommentar

Eine vom Studiendesign angenehm schlichte Studie mit interessantem Ergebnis. Eine weitverbreitete Meinung unter Ärzten und Patienten ist, dass Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung nach Kniegelenksersatz, die in dieser Studie durch den KOS-Score bestätigt wurden, zu einem Wegfall der Hindernisse für körperliche Aktivität führen und damit eine Gewichtsabnahme begünstigen könnten. Diese Studie zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist – mit klinisch bedeutsamen Folgen! Neben den bekannten kardiovaskulären Risiken führt die Gewichtszunahme zu vermehrten Belastungen anderer Gelenke – in dieser Studie unmittelbar ablesbar an der Kraft- und damit Funktionsminderung der nichtoperierten Seite bei Patienten mit Gewichtszunahme.

Gründe für die Gewichtszunahme kann die Studie jedoch nicht liefern – hierzu fehlen nicht zuletzt Daten der Endoprothetik-Patienten über einen längeren Zeitraum vor der Operation. Hier könnte ein Ansatz für weitere Studien liegen. Da auch in dieser Studie keine Faktoren, die eine Präposition für eine Gewichtszunahme bedeuten, gefunden wurden, sollte generell ein professionellerer Umgang mit Übergewicht sowohl prä- als auch postoperativ angestrebt werden.

Stefan Budde

Stefan Budde
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Email: stefan.budde@ddh-gruppe.de

 
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Bild: Schünke M et al. Prometheus. Allgemeine Anatomie und Bewegungsapparat. Grafik: M. Voll Stuttgart: Thieme, 2004.