Glossar häufig verwendeter Abkürzungen
Glossar häufig verwendeter Abkürzungen
NSCLC, nichtkleinzelliges Lungenkarzinom; EGF-R, Rezeptor des epidermalen Wachstumsfaktors (epidermal growth factor receptor); VEGF, vaskulärer epithelialer Wachstumsfaktor (vascular endothelial growth factor); TKI, Tyrosinkinase Inhibitor; PS, Allgemeinzustand (performance status); PFS, progressionsfreies Überleben (progression free survival); OS, Gesamtüberleben (overall survival); WT, Wildtyp (keine Mutation) (wild type)
Einleitung
Einleitung
Das Lungenkarzinom stellt die häufigste Krebstodesursache in der westlichen Welt dar.
Über 40 000 Menschen sterben allein in Deutschland jährlich an den Folgen der Erkrankung
[1]. Lungenkarzinome werden in kleinzellige (SCLC) und nichtkleinzellige Lungenkarzinome
(NSCLC) unterteilt. Ca. 15 – 25 % aller Lungenkarzinome zählen zu der Gruppe des SCLC
[2]. Bis zu 80 % der Fälle sind NSCLC und unterteilen sich im Wesentlichen in das Adenokarzinom,
das Plattenepithelkarzinom und das großzellige Lungenkarzinom. Die Prognose für Patienten
mit einem NSCLC ist im Vergleich zu anderen Malignomen schlecht. So hat (alle Stadien
eingeschlossen) das Mamma-Ca eine 5-Jahres-Überlebensrate von 89 %, das Kolon/Rektum-Ca
von 64 %, während das Lungen-Ca bei 15 % liegt [3].Selbst beim NSCLC im Tumorstadium I (Tumore bis 3 cm Größe) und kurativer R0-Resektion
beträgt die 5-Jahres-Rezidivfreiheit nur 87 % [4]. Eine komplette (R0) Resektion des Karzinoms gibt Hoffnung auf eine Heilung, allerdings
liegt die Rezidivquote immer noch unbefriedigend hoch. Kürzlich konnte gezeigt werden,
dass im UICC Stadium II nach kurativer Tumorresektion eine adjuvante Chemotherapie
das rezidivfreie Überleben auch über 9 Jahre noch signifikant verlängern kann [5]. Welche Patienten aber von dieser Therapie profitieren, ist nicht bekannt. Hier
werden in naher Zukunft molekulare Faktoren die Therapieentscheidung nachhaltig beeinflussen,
wie von uns kürzlich in einer Übersichtsarbeit zusammengestellt [6]. Zu den aussichtsreichsten Kandidaten gehört das „Excision Repair Cross-Complementing
1” (ERCC1)-Gen, das für ein Enzym kodiert, das Platin-Addukte erkennen und entfernen
kann [7]. Mehrere Studien konnten übereinstimmend zeigen, dass auch in vivo eine hohe Expression
von ERCC1 bei verschiedenen Tumorentitäten mit einer Resistenz auf platinhaltige Chemotherapeutika
assoziiert ist, während eine niedrige ERCC1-Aktivität mit einem verbesserten Ansprechen
und einem längeren Überleben einhergeht [8]
[9]. Diese Erkenntnisse wurden retrospektiv an 1868 Tumoren der adjuvanten IALT-Studie
überprüft und so die prädiktive und gleichzeitig prognostische Bedeutung dieses Markers
bestätigt [10].
Bei ca. 40 % der Patienten besteht bei Diagnosestellung ein metastasiertes Krankheitsstadium
IV. Für diese Patienten wird neben einer individuellen supportiven Versorgung eine
palliative Chemotherapie empfohlen. Hierdurch konnte die mediane Überlebenszeit in
Phase-III-Studien über die Jahre deutlich gesteigert werden, von median 7,9 Monaten
(im Jahr 2002) [11] bis zu median 11,3 Monaten (im Jahr 2009) [12]. Für die palliative Chemotherapie steht eine Vielzahl an Chemotherapeutika zur Verfügung.
Etabliert ist derzeit für die Erstlinientherapie eine platinhaltige Chemotherapie
(Cisplatin oder Carboplatin) in Kombination mit einer weiteren Substanz. Als Kombinationspartner
sollte ein Taxan, Vinorelbin, Gemcitabin oder Pemetrexed zum Einsatz kommen [13]. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass Plattenepithelkarzinome von einer Gemcitabin-haltigen
Kombination profitieren, während für die Nicht-Plattenepithelkarzinome Pemetrexed
die geeignetere Substanz ist [14]. Der einzige bisher zugelassene Antikörper für die palliative Erstlinientherapie
des NSCLC ist Bevacizumab. Dies ist ein „vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor”
(VEGF)-Antikörper, der zusammen mit einer platinbasierten Kombinationschemotherapie
beim Nicht-Plattenepithelkarzinom ein mittleres Überleben von bis zu 12,3 Monaten
erreicht [15]. Bei Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand, ausgeprägten Komorbiditäten und
bei älteren Patienten sollte gegebenenfalls an eine Monotherapie gedacht werden [16]. Die Ansprechraten der Kombinationschemotherapie variieren zwischen 11 % und 34 %
[11]
[17]. Aufgrund der unterschiedlichen Ansprechrate, der teils nicht unerheblichen Toxizität
der eingesetzten Substanzen und der damit häufig verbundenen Minderung der Lebensqualität
der Patienten sowie der frühzeitigen Progression der Erkrankung wäre eine individualisierte
Therapie mehr als wünschenswert. Dazu müssen validierte präklinische Marker bekannt
sein, die den Effekt der Therapie prädizieren [6]. Einen ersten Schritt in diese Richtung stellt nun die Möglichkeit dar, Patienten,
die im Tumor eine aktivierende „epidermale Wachstumsfaktor Rezeptor” (EGF-R)-Mutation
aufweisen, zielgerichtet mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) zu behandeln. Aber
auch in weiteren Therapielinien haben die TKIs einen Stellenwert.
Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten mittels
TKI. Neben der wissenschaftlichen Grundlage der Therapie mit TKIs und der Vorstellung
wichtiger Studien soll die Möglichkeit der Umsetzung und des Einsatzes in der klinischen
Praxis diskutiert werden.
Merke
• Das NSCLC lässt sich vorwiegend in das Adenokarzinom (ADC), das Plattenepithelkarzinom
(SCC) und das großzellige Lungenkarzinom (LCC) unterteilen.
• In der palliativen Erstlinientherapie ist – bei ausreichendem Allgemeinzustand –
eine platinhaltige Kombinationschemotherapie Standard.
• Als Kombinationspartner ist bei Plattenepithelkarzinomen Gemcitabine und bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen
Pemetrexed der jeweils anderen Substanz überlegen.
• Der VEGF-Antikörper Bevacizumab ist zusammen mit einer platinhaltigen Kombinationschemotherapie
beim Nicht-Plattenepithelkarzinom zugelassen.
• Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) erweitern zudem das Armamentarium der zugelassenen
Substanzen.
Der EGF-Rezeptor und Mutationen
Der EGF-Rezeptor und Mutationen
Die Familie der epidermalen Wachstumsfaktoren-Rezeptoren (ErB) besteht aus dem epidermalen
Wachstumsfaktor-Rezeptor (engl. epidermal growth factor receptor) EGF-R (= ErbB1)
sowie aus Her2/neu (= ErbB2) und ErbB3 und -4 [18]. EGF-R ist ein Glykoprotein, das neben dem epidermalen Wachstumsfaktor (EGF) auch
durch eine Reihe weiterer Liganden aktiviert werden kann [19]
[20]. Der EGF-R-Aktivierungsmechanismus verläuft über eine komplexe, multidimensionale,
bisher noch nicht vollständig verstandene Signaltransduktions-Kaskade. Es werden dabei
verschiedene Bereiche aktiviert, die für den Tumor von existenzieller Bedeutung sind,
wie die Unabhängigkeit von Wachstumssignalen, die Resistenz bezüglich Apoptose und
wachstumsinhibierenden Impulsen, Angiogenese und Metastasierung. Der EGF-R wird in
etwa 80 % der NSCLC exprimiert [21].
Im Mai 2004 haben zwei Arbeitsgruppen aus den USA unabhängig voneinander Mutationen
in der Tyrosinkinase-Domäne (Exons 18 – 23) des EGF-R beschrieben [22]
[23]. Fast alle Mutationen fanden sich im Bereich der ATP-Bindungstasche, an der auch
die TKIs andocken. Weiterhin zeigte sich, dass bestimmte Mutationen mit einer erhöhten
Sensitivität bezüglich EGF-R-Inhibition und damit besserer Wirkung der TKIs verbunden
sind. So wiesen etwa in einer Untersuchung von Lynch et al. 8 von 9 Respondern (89 %)
auf Gefitinib eine EGF-R-Mutation auf, dagegen keiner von 7 Nicht-Respondern (p < 0,001)
[22]. Etwa 90 % aller Mutationen im EGF-R-Gen betreffen nur eine kleine Anzahl von Aminosäuren.
So machen Deletionen im Exon 19 (Kodons 746 – 750) etwa 45 – 50 % der Mutationen aus;
weitere 35 – 40 % bestehen in einer Punktmutation im Exon 21, bei der es zum Austausch
von Leucin zu Arginin an Position 858 (L858R) kommt [21]
[24]
[25]
[26]
[27]. Etwa 3 % der Mutationen finden sich in Kodon 719 (G719X) im Exon 18, weitere 3 %
sind Insertionsmutationen im Exon 20 [28]. All die genannten Mutationen sind zumeist ausschließliche Ereignisse.
Zusätzlich scheint es Unterschiede in der prognostischen Bedeutung der Exon 19- und
Exon 21-Mutationen zu geben. So konnten Jackman et al. in einer kürzlich publizierten
retrospektiven Arbeit zeigen, dass Exon 19-Deletionen nochmals eine bessere Prognose
unter TKI aufweisen als Exon 21-Mutationen [29]. Auch in der großen prospektiven Studie von Rosell et al. zeigte sich ein signifikanter
Unterschied zwischen den Mutationstypen [30]. Tumore mit Deletionen im EGF-R-Gen hatten sowohl ein besseres progressionsfreies
als auch Gesamtüberleben als die mit einer L858R-Mutation.
Kürzlich konnte auch gezeigt werden, dass die Entstehung einer zweiten Mutation im
EGF-R (T790M) zu einer Resistenz gegenüber TKI führt, insbesondere dann, wenn die
Tumoren zunächst sensibel auf die Substanz waren [31]. Studien, die an Patienten durchgeführt wurden, bei denen eine Rebiopsie nach Progression
durchgeführt wurde, zeigten, dass die T790M-Mutation in fast 50 % der Fälle auftrat.
Es finden sich aber auch Fälle, bei denen die Mutation bereits bei Therapiebeginn
bestand. So stellten Inukai et al. fest, dass 3 von 7 Non-Responder auf eine Gefitinib-Therapie
neben der aktivierenden EGF-R-Mutation eine zweite T790M-Mutation aufwiesen [32]. Dagegen hatte keiner der 19 Responder diese inhibierende Mutation [31]. Interessanterweise kann man T790M-Mutationen im Blut von NSCLC-Patienten nachweisen.
In einer zukunftsweisenden Arbeit von Maheswaran et al. wurde zunächst die EGF-R-Mutation
aus dem Tumor bestimmt und in 11 von 12 Patienten (92 %) aus zirkulierenden Tumorzellen
im Blut der Patienten bestätigt. Darüber hinaus konnte in vielen Fällen die T790M-Mutation
nachgewiesen werden. Patienten, die bereits vor Therapie diese Mutation zeigten, hatten
ein signifikant schlechteres progressionsfreies Überleben unter der TKI-Therapie (7,7
versus 16,5 Monate; p < 0,001) [33].
Ein weiteres Zielgen, das mit einer Resistenz auf TKI einhergeht, ist der „Hepatozyten
Wachstumsfaktor Rezeptor”, der auch als „met-Proto-Onkogen” (MET) bezeichnet wird
[28]
[34]. Amplifikationen der Rezeptor Tyrosinkinase MET sind für etwa 10 – 20 % der Resistenzen
auf TKI verantwortlich [35]. So konnte gezeigt werden, dass eine zunächst Gefitinib sensitive Lungentumor-Zelllinie
durch die Amplifikation des Onkogens MET über den PI3K Signaltransduktionsweg resistent
wird [35]. Die Entdeckung von MET scheint für die Zukunft ein interessanter und nützlicher
Biomarker für die Prädiktion einer Resistenz auf TKI zu sein.
Merke
• Aktivierende EGF-R-Mutationen betreffen die ATP-Bindungstasche. Hier binden auch
die TKIs.
• Exon 19-Deletionen und Exon 21-Punktmutationen machen etwa 95 % der aktivierenden
Mutationen aus. Exon 19-Deletionen sind darüber hinaus möglicherweise prognostisch
günstiger als Exon 21-Punktmutationen.
• T790M ist eine Mutation im EGF-R-Gen, die zur Resistenz gegenüber TKIs führt. Auch
Amplifikationen des MET-Gens sind für Resistenzen gegenüber TKI verantwortlich.
TKIs in der palliativen Erstlinientherapie bei EGF-R mutierten Tumoren
TKIs in der palliativen Erstlinientherapie bei EGF-R mutierten Tumoren
Die reversiblen Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Gefitinib und Erlotinib wurden in
einer Vielzahl von Studien überprüft. Jedoch führten alle vier randomisierten Studien,
die Erlotinib oder Gefitinib in Kombination mit einer Erstlinien-Chemotherapie beim
fortgeschrittenen NSCLC einsetzten, zu negativen Ergebnissen [36]
[37]
[38]
[39]. Allerdings wurden die Studien an einem (in Bezug auf molekulare Faktoren) unselektierten
Patientenkollektiv durchgeführt.
Mehrere retrospektive Analysen konnten zeigen, dass Patienten mit aktivierenden EGF-R-Mutationen
in der palliativen Erstlinientherapie zu etwa 77 % auf TKI als Monotherapie ansprachen,
im Vergleich zu etwa 10 % ohne EGF-R-Mutation. Und auch das Überleben von Patienten
mit Tumoren mit EGF-R-Mutation, die mit TKI therapiert wurden, war deutlich verlängert.
Hier wurden Überlebenszeiten von median bis zu 30 Monaten berichtet [26]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44]
[45]
[46].
Die IPASS (Iressa Pan-Asia Study), eine randomisierte Phase-III-Studie, verglich Gefitinib
mit einer Kombinations-Chemotherapie, bestehend aus Carboplatin und Paclitaxel, bei
1217 asiatischen Patienten in der Erstlinien-Chemotherapie des fortgeschrittenen NSCLC
[47]. Die Patienten wurden eingeschlossen bei Vorliegen bestimmter klinischer Faktoren
(Adenokarzinom, Nieraucher oder Exraucher), jedoch erfolgte keine Selektion hinsichtlich
molekularer Marker. Die Studie war auf Nichtunterlegenheit von Gefitinib ausgelegt
mit einer vordefinierten HR von 1,2. Die Ergebnisse der Studien zeigten aber nicht
nur eine Nichtunterlegenheit, sondern sogar eine Überlegenheit von Gefitinib mit einer
HR von 0,74 (Konfidenzintervall 0,65 – 0,85, p < 0,0001) für das progressionsfreie
Überleben. Obwohl sich die Überlebenskurven der beiden Therapie-Arme kreuzten und
die ersten sechs Monate die Patienten von der Chemotherapie mehr zu profitieren schienen,
sprach das Gesamtergebnis für Gefitinib. Die Überlebensdaten waren in der Publikation
noch nicht reif (37 % der Patienten waren verstorben), jedoch ergab sich auch hier
eine HR von 0,91 (CI 0,7 – 1,10) für die Gefitinib-Therapie. Gefitinib zeigte sich
der Chemotherapie auch überlegen in Bezug auf Lebensqualität und wies ein verändertes,
evtl. günstigeres Toxizitätsprofil auf (weniger Hämatotoxizität, weniger Neurotoxizität,
mehr Hautausschlag, mehr Diarrhoe). Subgruppen-Analysen anhand molekularer Marker
im Primärtumor konnten bei 30 – 36 % des Patientenkollektivs durchgeführt werden.
Hier zeigte sich, dass bei Vorliegen einer aktivierenden EGF-R-Mutation in Bezug auf
progressionsfreies Überleben Gefitinib mit 9,5 Monaten signifikant effektiver als
Chemotherapie (mit 6,3 Monaten) war (HR 0,48 CI 0,36 – 0,64, p < 0,0001). Anders verhielt
es sich bei den Tumoren, die den EGF-R-Wildtyp auswiesen. Hier war die Chemotherapie
(5,5 Monate) der Behandlung mit Gefitinib (1,5 Monate) überlegen (HR 2,85, p < 0,0001).
Jedoch lässt die Studie auch Fragen unbeantwortet, wie etwa die ungewöhnlich hohe
Fallzahl von EGF-R mutierten Tumoren, der gewählte Endpunkt, progressionsfreies Überleben
und die bisher fehlende Überlegenheit im Gesamtüberleben.
Ergebnisse liegen inzwischen auch für zwei weitere asiatische Phase-III-Studien zum
Gefitinib vor [48]
[49]. Hier wurde die Substanz ebenfalls wieder mit einem Chemotherapie-Arm, bestehend
aus Carboplatin/Paclitaxel bzw. Cisplatin/Docetaxel, verglichen; eingeschlossen wurden
hier aber nur Patienten mit aktivierender EGF-R-Mutation im Primärtumor. Die Studien
bestätigten die Ergebnisse von IPASS und zeigten ein signifikant besseres progressionsfreies
Überleben von 10,4 Monaten (für Gefitinib) versus 5,5 Monaten (für Chemotherapie mit
Carbo/Pac) HR 0,357, p < 0,0001 bzw. HR 0,49 für Gefitinib versus Cis/Doc p < 0,0001.
Aufgrund der gezeigten Datenlage wurde Gefitinib im Juli 2009 zur Behandlung von EGF-R
mutierten fortgeschrittenen NSCLC in allen Therapielinien zugelassen.
Alle bisher aufgeführten Studien wurden an asiatischen Patienten durchgeführt. Für
europäische bzw. kaukasische Patienten liegen bis dato nur wenige prospektive Ergebnisse
für eine EGF-R-Mutation als prädiktiver Marker für das Ansprechen und/oder Überlebensvorteil
für TKI vor. In einer kleinen prospektiven Phase-II-Studie wurden 34 kaukasische Patienten,
die eine aktivierende EGF-R-Mutation aufwiesen, mit Gefitinib in der palliativen Erstlinientherapie
behandelt [50]. Mit einem Ansprechen von 55 % und einem progressionsfreien Überleben von 9,2 Monaten
sind diese Daten mit denen asiatischer Patienten vergleichbar. Die bisher größte prospektive
Studie europäischer Patienten wurde in Spanien durchgeführt [30]. Rosell et al. untersuchten 2.105 NSCLC-Patienten auf das Vorliegen von aktivierenden
EGF-R-Mutationen im Tumor. 360 (16,6 %) wiesen eine Mutation auf; 217 von ihnen wurden
daraufhin in der palliativen Erst- oder Zweitlinie mit dem TKI Erlotinib behandelt.
70 % zeigten ein Ansprechen auf die Therapie, 12 % sogar eine komplette Remission.
Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 14 Monate, das mediane Gesamtüberleben
27 Monate. Auch diese Studie belegt die Effektivität der TKI-Therapie.
Dass auch alte Patienten bzw. Patienten in einem schlechten Allgemeinzustand, die
nicht mehr chemotherapiefähig sind, von der Therapie mit einem TKI profitieren können,
zeigten Inoue et al. kürzlich in einer kleinen Studie [51]. 30 asiatische Patienten mit EGF-R mutierten Tumoren, davon 22 mit einem ECOG-PS
von 3 oder 4 erhielten Gefitinib in der palliativen Erstlinientherapie. Eine Tumorkontrolle
wiesen 90 % dieser Patienten auf. Weitaus bedeutsamer war, dass von den o. g. 22 Patienten
68 % sich im Allgemeinzustand von ≥ PS 3 auf ≤ PS 1 verbesserten. Mit einem Gesamtüberleben
in dieser Gruppe von median 17,8 Monaten sprechen manche Kommentare von einem „Lazarus-Phänomen”.
Merke
• Tumore mit aktivierender Mutation im EGF-R sprechen in hohem Maße auf eine palliative
Erstlinientherapie mit TKI an.
• Das bessere Ansprechen unter TKI manifestiert sich in diesen Fällen auch in einem
besseren krankheitsfreien Überleben; das Gesamtüberleben war bisher nicht signifikant
verbessert.
• Lebensqualitätsanalysen sprechen bei nachgewiesener, aktivierender EGF-R-Mutation
ebenfalls für die Therapie mit TKI.
• Auch Patienten in schlechtem Allgemeinzustand können von der TKI-Therapie profitieren,
wenn eine aktivierende EGF-R-Mutation vorliegt.
• Die Therapie mit dem TKI Gefitinib ist seit Juli 2009 zur Behandlung des fortgeschrittenen
NSCLC mit aktivierender Mutation im EGF-R-Gen in allen Therapielinien zugelassen.
Wer soll getestet werden?
Wer soll getestet werden?
Von der Erstlinientherapie mit einem TKI profitieren fast ausschließlich Patienten,
die eine aktivierende EGF-R-Mutation in ihrem Tumor aufweisen. Daher sollten aus medizinischer
Sicht alle Patienten auf die EGF-R-Mutation hin getestet werden, für die im Fall einer
nachgewiesenen aktivierenden EGF-R-Mutation eine Therapie mit einem TKI in Frage kommt.
Die anfallenden Kosten von derzeit 300 – 500 Euro für die Mutationsbestimmung werden
jedoch in der Primärdiagnostik des NSCLC derzeit nicht abgebildet. Daher ist in der
klinischen Praxis außerhalb von klinischen Studien die Testung aller Patienten finanziell
unmöglich und klinische Parameter müssen herangezogen werden, um eine Vorselektion
zu treffen.
In einem weitgehend unselektierten spanischen Patientenkollektiv (nur Plattenepithelkarzinome
waren ausgeschlossen) von 2105 Patienten lag die Mutationshäufigkeit bei 16,6 % [30]. Bestimmte Subgruppen hatten jedoch deutlich höhere Mutationsfrequenzen: so lag
die Mutationshäufigkeit bei Frauen bei 30 % (versus 8,2 % für Männer). Auch der Raucherstatus
schlug sich in unterschiedlichen Mutationsraten nieder; während Tumoren von Nierauchern
zu 37,7 % Mutationen aufwiesen, so waren Exraucher zu 9,5 % und Raucher nur zu 5,8 %
mutiert. Interessanterweise war auch das Alter von Bedeutung; während 22,1 % der über
69-jährigen Patienten eine Mutation aufwiesen, waren es in der Altersgruppe < 59 Jahre
nur 13,9 %. Sequist et al. testeten in einer prospektiven Phase-II-Studie Patienten,
die mindestens eines der folgenden Kriterien aufwiesen: weibliches Geschlecht, Adenokarzinome
jeglichen Subtyps, asiatische Abstammung, Nie- oder Nichtraucher (< 100 Zigaretten)
[50]. Von 98 (davon 93 Nichtasiaten) in die Studie eingeschlossenen und „gescreenten”
Patienten hatten 33 % eine aktivierende EGF-R-Mutation. Für Deutschland sind in den
nächsten Jahren Daten über die Mutationshäufigkeit zu erwarten, die in einer groß
angelegten epidemiologische Studie (REASON) derzeit erhoben werden.
Erhaltungstherapie (Maintenance)
Erhaltungstherapie (Maintenance)
Derzeit empfehlen die meisten Leitlinien 4 – 6 Zyklen einer kombinierten Erstlinien-Chemotherapie
[1]. Aktuell richtet sich das wissenschaftliche Interesse auf eine Verlängerung der
Erstlinien-Behandlung, da mehrere prospektive Studien einen möglichen Benefit dieser
Strategie zeigen konnten. Grundsätzlich kann dies dadurch erreicht werden, dass ohne
klinische Anzeichen eines Progresses eine oder mehrere Substanzen weitergeführt werden
oder mit einer neuen Substanz nahtlos weiter therapiert wird. Ob diese Strategie dann,
insbesondere wenn eine neue Substanz ins Spiel gebracht wird, als Maintenance, sequenzielle
Therapie oder frühe Zweitlinientherapie bezeichnet werden sollte, ist ein semantisches
Problem.
Im SATURN-Trial, einer prospektiv randomisierten Phase-III-Studie, wurden Patienten,
die nach 4 Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie nicht progredient waren, entweder
mit dem TKI Erlotinib oder Placebo weitertherapiert [52]. Das Patientenkollektiv wurde nicht nach klinischen oder molekularen Faktoren selektiert;
der EGF-R-Status war jedoch ein Stratifizierungsmerkmal. Der primäre Endpunkt, das
progressionsfreie Überleben, wurde erreicht und zeigte einen signifikanten Vorteil
für diejenigen Patienten, die Erlotinib erhalten hatten (HR 0,71 CI 0,62 – 0,82, p < 0,0001).
Auch das Gesamtüberleben (ab Randomisierung nach 4 Zyklen Chemotherapie) war unter
Erlotinib Maintenance signifikant (p = 0,009) verlängert, wenngleich die klinische
Relevanz (12 Monate versus 11 Monate im Placebo-Arm) zu diskutieren ist. An 49 % der
Tumore konnte der EGF-R-Mutationsstatus überprüft werden. Es zeigte sich, dass Patienten
mit aktivierender EGF-R-Mutation ein deutlich besseres PFS hatten, aber auch Wildtyp-Patienten
profitierten von der Therapie (HR 0,10 für EGF-R+ versus 0,78 für WT). Im Gesamtüberleben
zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen EGF-R mutierten und nicht mutierten
Tumoren, jedoch hatten auch im Placebo-Arm 67 % der Patienten mit EGF-R-Mutation Erlotinib
in der weiteren Behandlung erhalten.
Erlotinib wurde auch in einer weiteren prospektiv randomisierten Studie, dem ATLAS-Trial,
als Maintenance weitergeführt [53]. In diesem Studiendesign wurde nach Tumorkontrolle auf eine palliative platinhaltige
Kombinationstherapie mit Bevacizumab entweder nur der VEGF-Antikörper oder Bevacizumab
und Erlotinib als Maintenance weitergeführt. Auch hier wurde nicht nach EGF-R-Mutationsstatus
selektiert. Nach der zweiten Interimsanalyse wurde die Studie gestoppt, weil der primäre
Endpunkt, das progressionsfreie Überleben, erreicht worden war. Mit einem PFS von
4,76 Monaten war die Kombinations-Maintenance-Therapie signifikant der alleinigen
Bevacizumab Maintenance (3,75 Monate) überlegen (HR 0,722, p = 0,0012). Subgruppenanalysen
in Bezug auf molekulare Marker wurden bisher noch nicht berichtet.
Diese Ergebnisse müssen mit Zurückhaltung bewertet werden. Insgesamt hat nur eine
Minderheit von Patienten (16 % in der SATURN-Studie und 39 % in der ATLAS-Studie)
Erlotinib im weiteren Behandlungsverlauf erhalten. In wie weit sich die Gesamtüberlebensdaten
geändert hätten, wenn ein Crossover nach Progress der Maintenance-Therapie geplant
worden wäre, bleibt Spekulation. Aus einer anderen Maintenance-Studie, bei der die
Therapie mit Docetaxel weitergeführt wurde, weiß man, dass alle Patienten, die die
Substanz erhalten haben – also entweder als Maintenance- oder als Zweitlinientherapie
– das gleiche Gesamtüberleben (im Median 12,5 Monate) hatten [54].
Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, welches Patientenkollektiv am meisten
von der Maintenance-Therapie profitiert und welche Patienten – auch aus Sicht der
Toxizität und Lebensqualität – bis zum Progress der Erkrankung eine Therapiepause
haben sollten. Aus Daten einer retrospektiven Analyse zur Vergleichsstudie von Pemetrexed
und Docetaxel in der Zweitlinie weiß man allerdings, dass das Ansprechen auf die Erstlinientherapie
eine wichtige Rolle spielt [55]. Während Patienten mit einem Ansprechen auf die Erstlinientherapie ein medianes
Gesamtüberleben von 15,8 Monaten aufwiesen, lag es bei Patienten mit stabiler Krankheitssituation
bei 10,5 Monaten und bei Progress auf die Erstlinie sogar nur bei 4,6 Monaten. Das
Ansprechen war auch in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosefaktor (p < 0,001).
Ganz aktuelle Daten zeigen, dass in der o. g. SATURN-Studie die Patienten mit stabiler
Erkrankungssituation nach der Erstlinientherapie einen signifikanten Vorteil von der
Erhaltungstherapie mit Erlotinib hatten [52]
[56]
[57]. So lag in dieser Gruppe das Gesamtüberleben bei 11,9 Monaten (im Vergleich zu Placebo:
9,6 Monaten; HR 0,72; p = 0,0019). Die Erhaltungstherapie wurde daher im Mai 2010
in Deutschland bei dieser Patientengruppe zugelassen.
Merke
• Die Erhaltungstherapie (Maintenance) stellt eine Option zur Weiterführung einer
Erstlinien-Chemotherapie dar.
• Die Phase-III-Studien zur Erhaltungstherapie beim NSCLC haben alle das Hauptzielkriterium,
eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens, erreicht.
• Leider haben im Kontrollarm nicht alle Patienten die Prüfsubstanz im weiteren Verlauf
der Erkrankung erhalten, sodass die Aussagen zum Gesamtüberleben mit Vorsicht zu interpretieren
sind.
• Die Erhaltungstherapie mit dem TKI Erlotinib zeigte kürzlich sowohl für das progressionsfreie
als auch für das Gesamtüberleben einen signifikanten Benefit bei Patienten, bei denen
die Erstlinientherapie eine stabile Krankheitssituation bewirkte. Dieses Therapiekonzept
wurde daher im Mai 2010 zugelassen.
Zweit- und Drittlinientherapie
Zweit- und Drittlinientherapie
Zwei große Phase-III-Studien evaluierten Erlotinib (BR.21-Studie) oder Gefitinib (ISEL-Studie)
mit Placebo und beide zeigten eine signifikante Verbesserung der Zeit bis zur Tumorprogression
um etwa 0,4 Monate [58]
[59]. Auch das Gesamtüberleben war in der BR.21-Studie im TKI-Arm signifikant länger
(6,7 versus 4,7 Monate, p < 0,001); ein Trend zur Verbesserung des Überlebens unter
TKI zeigte sich in ISEL (5,6 versus 5,1 Monate, p = 0,087). Klinisch in der Zweit-
und Drittlinie bedeutsamer als das Überleben ist der Einfluss auf die Tumorsymptome
und die Lebensqualität. Hier verbesserte sich im BR.21-Trial die Zeit bis zur Verschlechterung
von tumorbedingten Symptomen (Husten, Schmerz, Dyspnoe) signifikant [60], während es in ISEL unter TKI-Behandlung bei 27 % der Patienten zu einer Verbesserung
der krankheitsbedingten Symptome kam (versus 22 % im Placebo-Arm). Darüber hinaus
verbesserte sich die Lebensqualität signifikant (p = 0,019). Retrospektive Daten zum
EGF-R-Mutationsstatus liegen nur für BR.21 vor. Hier zeigte sich in der multivariaten
Analyse von 204 Tumoren kein Einfluss des Mutationsstatus auf das Überleben (Mut+
HR:0,55 versus WT HR:0,74, p = 0,47) [61]
[62].
Drei große randomisierte Studien verglichen Gefitinib mit Docetaxel, das als einer
der Standards in der Zweitlinientherapie des NSCLC gilt [63]
[64]
[65]. In einer davon zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Ansprechens unter
Gefitinib (22,5 % versus 12,8 % unter Docetaxel, p = 0,009); die beiden anderen Untersuchungen
konnten das nicht belegen. Auch in der Zeit bis zur Tumorprogression (TTP) und im
Gesamtüberleben zeigten sich in allen drei Studien keine signifikanten Unterschiede.
Insbesondere die große INTEREST-Studie konnte zeigen, dass Gefitinib nicht inferior
zu Docetaxel war (HR 1,02 CI 0,905 – 1,15) [64]. Von besonderer Bedeutung ist diese Studie, weil hier die Anzahl an Patienten, die
eine effektive Drittlinientherapie erhielten, in beiden Armen ausgewogen und somit
auch das Gesamtüberleben vergleichbar war.
Im Gegensatz zur Erstlinientherapie scheint für den Einsatz von TKI in weiteren Therapielinien
die Bedeutung des EGF-R-Mutationsstatus in den Hintergrund zu rücken. Zwar haben Patienten
mit EGF-R-Mutation ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben, wie sich
etwa in molekulargenetischen Auswertungen zur TRUST-Studie zeigt, aber auch Patienten
mit EGF-R-Wildtyp profitieren offensichtlich von der Therapie mit Erlotinib [66]. In dieser Studie wurden 311 Patienten mit metastasiertem NSCLC behandelt, davon
40 % in der Zweit- und 37 % in der Drittlinientherapie. EGF-R-Mutationen fanden sich
in 6 von 92 untersuchten Tumoren (7 %). Diese Patienten hatten sowohl ein signifikant
verbessertes progressionsfreies Überleben (HR 0,31) als auch ein verbessertes Gesamtüberleben
(HR 0,33). Jedoch wiesen insgesamt 66 % der Patienten einen klinischen Benefit in
Form einer Tumorkontrolle auf. Dieser positive Effekt zeigte sich noch deutlicher
in einer retrospektiven Auswertung von 301 Patienten, die länger als 12 Monate mit
dem TKI Erlotinib behandelt werden konnten [67]. Zwar wurden hier keine EGF-R-Mutationsanalysen durchgeführt, doch die hohe Zahl
an männlichen Patienten (43 %), an Patienten mit positivem Raucherstatus (14 % Raucher,
34 % Exraucher) sowie mit Plattenepithelkarzinom (16 %) ist nicht vergleichbar mit
dem „klassischen” EGF-R-Mutationskollektiv, bei dem weibliche Patienten, Nichtraucher
und Adenokarzinome dominieren. Interessanterweise zeigte sich bei der Mehrzahl der
Patienten (53 %) kein Ansprechen, sondern lediglich eine stabile Krankheitssituation.
Dennoch konnten immerhin 25 % der Patienten über 2 Jahre mit dem TKI behandelt werden.
Insgesamt haben Raucher einen geringeren Benefit von TKI als Nichtraucher und Exraucher.
In einer Analyse der BR.21-Studie zeigte sich, dass Raucher ein signifikant geringeres
Ansprechen auf die Therapie mit Erlotinib haben, jedoch auch weniger Toxizität [51]. Es wurde daher vermutet, dass die Plasmaspiegel des Medikaments bei Rauchern zu
niedrig sind, und eine Dosis-Eskalations-Studie durchgeführt [68]. Die maximal tolerierte Dosis lag bei Rauchern bei 300 mg; dies entspricht dem doppelten
der herkömmlich eingesetzten Dosierung. Im zweiten Teil der Studie hatten Raucher,
die mit 300 mg behandelt wurden, die gleiche Toxizität wie Nichtraucher mit 150 mg.
Inwieweit die erhöhte Dosierung bei Rauchern auch zu einer Verbesserung der Effektivität
führt, wird in einer Phase-III-Studie (CURRENTS) überprüft.
Ein direkter Vergleich zwischen den beiden TKI in der palliativen Zweitlinientherapie
wurde von Uhm et al. durchgeführt [69]. In einer kleinen randomisierten Phase-II-Studie an einem in Bezug auf klinische
Faktoren bzw. EGF-R-Mutation selektierten Patientenkollektiv erhielten 96 asiatische
Patienten entweder Erlotinib oder Gefitinib. Hauptzielkriterium dieser Studie war
das Ansprechen auf die Therapie. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede
zwischen beiden TKI, weder im Ansprechen noch in der Tumorkontrolle. Allerdings traten
unter Erlotinib signifikant mehr Nebenwirkungen in Form von Rash (p = 0,003) sowie
Fatigue (p = 0,027) auf. Das mediane Gesamtüberleben der Gesamtgruppe betrug 20,4
Monate.
Merke
• Auch in der Zweit- und Drittlinientherapie haben TKI einen wichtigen Stellenwert.
• Für den Einsatz von Gefitinib ist auch hier der Nachweis einer aktivierenden EGF-R-Mutation
zulassungsrechtliche Voraussetzung.
• Eine EGF-R-Mutationstestung scheint hier jedoch nicht essenziell zu sein, weil Studien
mit Erlotinib gezeigt haben, dass auch Patienten mit EGF-R-Wildtyp einen Benefit haben
können.
• Raucher benötigen evtl. eine höhere Konzentration des TKI Erlotinib. Dies wird aktuell
in einer Phase-III-Studie überprüft.
Therapie nach Progress auf TKI
Therapie nach Progress auf TKI
Selbst bei Patienten, die in ihrem Tumor eine aktivierende EGF-R-Mutation aufweisen
und ein gutes Ansprechen auf die TKI-Therapie haben, kommt es nach einer gewissen
Zeit zum Progress der Erkrankung. Nach Absetzen der TKI-Therapie nimmt das Tumorwachstum
dann häufig sehr schnell zu. Theoretisch gibt es nach TKI-Versagen außerhalb klinischer
Studien mehrere Möglichkeiten der Zweitlinientherapie: a) mit einem anderen TKI (z. B.
mit Erlotinib nach Gefitinib-Versagen), b) mit einer Kombination aus TKI und Chemotherapie,
c) mit Chemotherapie. Für alle diese Möglichkeiten gibt es mittlerweile publizierte
Kasuistiken oder kleine Fallserien.
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Die Weiterführung mit einem anderen TKI nach Versagen des TKI in der Erstlinientherapie
scheint keine geeignete Strategie zu sein. Zwar gibt es einzelne Fallkasuistiken,
die einen klinischen Benefit beschreiben, in zwei größeren retrospektiven Analysen
zeigte sich jedoch nur ein minimaler Effekt [70]
[71]. In der Untersuchung von Costa et al. beispielsweise erhielten 18 Patienten nach
initialem Ansprechen auf den TKI Gefitinib bei Progress den TKI Erlotinib als Zweitlinientherapie.
Bei 78 % kam es zu einem Progress. Ursächlich war zumeist eine sekundäre T790M-Mutation,
gegen die auch Erlotinib nichts bewirken konnte. Lediglich vier Patienten hatten eine
Tumorkontrolle (davon eine partielle Remission) mit einem progressionsfreien Überleben
zwischen 3,7 bis 6 Monaten. In einer weiteren Studie von Wu et al. war der Effekt
sogar noch schlechter. Nur 4 von 72 Patienten (5,6 %) zeigten ein Ansprechen auf eine
Erlotinib Zweitlinientherapie nach Gefitinib Erstlinie. Von diesen vier Patienten
hatten interessanterweise 3 kein Ansprechen auf Gefitinib gehabt, obwohl eine EGF-R-Mutation
vorlag.
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Eine Kombination aus Gefitinib und Paclitaxel nach Gefitinib haben kürzlich Shukuya
et al. berichtet [72]. 15 asiatische Patienten mit Adenokarzinom wurden behandelt und retrospektiv analysiert.
Bei allen Patienten war bereits mindestens eine Chemotherapie vorausgegangen und alle
hatten auf Gefitinib ein initiales Ansprechen gezeigt. Durch Hinzufügen von Paclitaxel
kam es in 80 % zu einer erneuten Tumorkontrolle (davon zwei Patienten mit partieller
Remission). Das mediane progressionsfreie Intervall betrug 4,3 Monate, das 1-Jahres-Überleben
25 %. Die Therapie wurde gut vertragen; Fatigue, Anorexie und Neutropenie (jeweils
CTC Grad 3) traten bei jeweils einem Patienten auf.
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Die Therapieoption mit Chemotherapie nach TKI-Versagen wurde bisher an der größten
Patientenzahl retrospektiv untersucht [71]. Insgesamt 195 asiatische Patienten haben nach Versagen einer Therapie mit dem TKI
Gefitinib eine Zweitlinientherapie erhalten, davon 123 eine Chemotherapie. Untersucht
wurden die Substanzen Gemcitabine, Taxan und Vinorelbin, entweder als Monotherapie
oder in Kombination mit einem Platinderivat. Es zeigte sich, dass die platinhaltige
Kombinationstherapie ein signifikant besseres Ansprechen erzielte als die Monotherapie
(27 % versus 7 %; p = 0,015). Als Kombinationspartner waren die Taxane mit 50 % Ansprechrate
(6 von 12 Patienten) am besten geeignet. Auch in Bezug auf das mediane Gesamtüberleben
waren platinhaltige Kombinationen der Monotherapie signifikant überlegen (21,7 versus
10,1 Monate; p = 0,011). Der Kombinationspartner spielte für diesen Effektivitätsparameter
offensichtlich keine entscheidende Rolle. Interessant und unerwartet war, dass Patienten
mit EGF-R mutiertem Tumor ein (wenn auch nicht signifikant) schlechteres Ansprechen
(15 versus 27 %) und ein kürzeres Überleben (10,3 versus 12,1 Monate) auf die Chemotherapie
Zweitlinie hatten als solche mit Wildtyp.
Nach Gefitinib Erstlinie und platinhaltiger Zweitlinien-Chemotherapie könnte in der
palliativen Drittlinie möglicherweise eine Reinduktion mit Gefitinib versucht werden.
Einzelne Kasuistiken und kleinere retrospektive Fallserien zeigen übereinstimmend
einen klinischen Benefit dieses therapeutischen Konzepts mit einer erneuten progressionsfreien
Zeit von zum Teil mehr als 7 Monaten [73]
[74]
[75]
[76]. Es wird vermutet, dass einige Tumore durch die Chemotherapie wieder sensibel auf
den TKI werden könnten, weil sich das Verhältnis von resistenten und sensiblen Klonen
verschiebt. Denkbar sind auch genetische Veränderungen im EGF-R-Gen oder anderen für
die Regulation wichtiger Gene, die im weiteren Tumorverlauf entstehen. Um diesen interessanten
Aspekt weiter zu erforschen, müssten prospektive Studien durchgeführt werden, die
mittels Rebiopsie am Tumor vor der Reinduktionstherapie ein aktuelles Bild der genetischen
Veränderungen zulassen.
Merke
• Nach Progress auf eine Erstlinientherapie mit TKI stehen mehrere Möglichkeiten der
Zweitlinientherapie zur Verfügung. Allerdings sind die bisherigen Daten alle retrospektiv
gewonnen und müssen prospektiv überprüft werden.
• Die Fortführung mit einem anderen TKI scheint in aller Regel keinen Sinn zu machen.
Dagegen ist möglicherweise eine Kombinationschemotherapie mit einem Platin und einem
Taxan zielführend in Bezug auf erneutes Ansprechen und krankheitsfreies Überleben.
• Als Drittlinie kann evtl. eine erneute Therapie mit einem TKI versucht werden.
Klinische Empfehlung und Ausblick
Klinische Empfehlung und Ausblick
Gegen den EGF-R gerichtete TKI erweitern das Armamentarium der medikamentösen Tumortherapie
des fortgeschrittenen NSCLC. Insbesondere Patienten, die eine aktivierende Mutation
des EGF-R in ihrem Tumor aufweisen, profitieren von einer Erst- oder Zweitlinientherapie
mit einem TKI, wobei für die Erstlinientherapie derzeit nur Gefitinib zugelassen ist.
Patienten, die in ihren Tumoren den Wildtyp-Rezeptor exprimieren, sollten dagegen
in der Erstlinie mit einer Kombinationschemotherapie behandelt werden. Für die Zweit-
und Drittlinie sowie für eine Maintenance-Therapie gibt es Daten für die Therapie
mit dem TKI Erlotinib. Hier ist eine EGF-R-Mutationsbestimmung vor Therapieeinleitung
nach heutigen Erkenntnissen nicht notwendig. Eine neue Klasse an dualen, irreversiblen
EGFR/HER2-Inhibitoren (z. B. BIBW 2992, HKI-272) wird derzeit in mehreren klinischen
Studien getestet. Präklinische Daten konnten zeigen, dass diese irreversiblen TKIs
in präklinischen Modellen wirksam sind und Resistenzen weniger häufig sind [77]
[78]
[79]. Anders als die reversiblen EGF-R-TKIs Erlotinib und Gefitinib binden die irreversiblen
TKIs an der Kinase-Domäne kovalent, was den Vorteil hat, dass sie auch Resistenzen,
wie etwa die T790M-Mutation, umgehen können. Aber auch für die MET-Gen-Amplifikationen,
die zur Resistenz führen, sind Inhibitoren in der klinischen Entwicklung [80].
Zusammenfassend haben die TKI einen wichtigen Stellenwert in der palliativen Therapie
des fortgeschrittenen NSCLC. Auch in der adjuvanten Situation werden die TKI derzeit
überprüft. In der RADIANT-Studie beispielsweise wird Erlotinib in den Stadien IB – IIIA
bei EGF-R mutierten Tumoren gegen Placebo getestet [81]; Ergebnisse zur Effektivität werden hier aber erst in ein paar Jahren erwartet.
Interessenkonflikt
Interessenkonflikt
W. Brückl erhielt Honorar für Vorträge und Beratertätigkeit: Roche, Astra Zeneca
G. Wiest erhielt Honorar für Vorträge und Beratertätigkeit: Roche, Astra Zeneca
J. Ficker erhielt Honorar für Vorträge und Beratertätigkeit: Roche, Astra Zeneca