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DOI: 10.1055/s-0030-1255667
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
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Dr. med. Florian Butsch
Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz
eMail: florian.butsch@unimedizin-mainz.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
30. September 2010 (online)


Dr. med. Florian Butsch
Anamnese
Wir berichten über einen 70-jährigen Patienten, der sich wegen einer lang vorbestehenden Hautveränderung am Oberarm rechts in unserer Ambulanz vorstellte. Erstmalig nach einem Urlaubsaufenthalt in Australien 15 Jahre zuvor sei eine kleine rötliche Papel aufgefallen, die sich im Verlauf langsam progredient gezeigt habe. Die Frage nach Juckreiz oder Schmerzen verneinte der Patient.
#Klinischer Befund
Bei der körperlichen Untersuchung zeigte sich am rechten Oberarm des Patienten eine etwa 15 × 15 cm messende, scharf begrenzte, erythematös-infiltrierte Plaque mit papulösen Satelliten ([Abb. 1]). Die drainierenden Lymphknoten palpierten sich unauffällig. Der Patient befand sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand.
#Histologischer Befund (HE-Präparat)
In mehreren Biopsien kamen im gesamten Corium dicht gepackte Histoepitheloidzellgranulome mit zahlreichen Riesenzellen vom Langhanstyp unter hyperplastischer, fokal ulzerierter Epidermis zur Darstellung ([Abb. 2]). Kein Nachweis von säurefesten Stäbchen in der Kinyoun-Färbung. Klinische Angaben auf dem Einsendeschein: z. A. Sarkoidose, z. A. Lymphom, lupoides Infiltrat.
(Auflösung nächste Seite)


Abb. 1 Klinisch imponierte eine scharf begrenzte, erythematöse, plaqueartige Hautveränderung mit papulösen Satelliten am rechten Oberarm.


Abb. 2 Wie lautet Ihre Diagnose?
Auflösung
Diagnose: Lupus vulgaris tumidus.


Abb. 3 Rückbildung der lupoiden Hautveränderungen nach tuberkulostatischer Therapie unter Zurücklassung von atrophischen und teils narbigen Residuen.
Kommentar: Der Hauttest nach Mendel-Mantoux zeigte eine starke positive Reaktion. In einer von 3 Biopsien fanden sich mit dem BCG-Antikörper (Bacille Calmette-Guérin) einzelne positive Niederschläge, die Spezifität dieser Reaktion ist jedoch nicht sehr hoch. Am paraffinfixierten Biopsiematerial (Insertionselement 6110 und mykobakterielles hsp-65-Gen) konnte keine spezifische DNA nachgewiesen werden, während am nativen Material der molekularbiologische Nachweis des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes gelang. Auch kulturell konnte Mycobacterium bovis isoliert werden. Anamnestisch und konventionell radiologisch sowie computertomografisch ergab sich kein Hinweis auf eine aktive Lungentuberkulose. Unter einer antibiotischen Vierfachtherapie über 2 Monate mit Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol kam es initial zur Ulzeration der betroffenen Haut gefolgt von einer raschen Rückbildung der Hautveränderungen ([Abb. 3]). Anschließend wurde die Therapie mit Isoniazid und Rifampicin fortgeführt.
Erstmals im Jahr 1797 klinisch von Willan beschrieben, geht die Kenntnis über die infektiöse Pathogenese des Lupus vulgaris auf Villemins Versuche von 1865 zurück. Robert Koch gelang es 1884 Mycobacterium tuberculosis aus einer Hautveränderung zu isolieren [1]. Lupus vulgaris zählt zu den postprimären Manifestationsformen der Hauttuberkulose. Die Tuberkelbakterien gelangen lymphogen respektive hämatogen, ausgehend von einer vorbestehenden Organtuberkulose, in das Corium. Nur selten ist die exogene Inokulation des Bakteriums Ursache der Infektion. Dem Lupus vulgaris kann auch ein Skrofuloderm vorausgehen (sogenannter Etagenlupus). Prädilektionsstellen des Lupus vulgaris sind die Akren, die Mammae und, wie in unserem Fall, die Streckseiten der Extremitäten. Die Primäreffloreszenz ist häufig eine isolierte kleine Makula von braunrötlichem Farbton. Der Begriff des Lupusknötchens bezieht sich auf das mikroskopische Bild, wird aber häufig zur Beschreibung des klinischen Aspekts der Ursprungsläsion herangezogen [2]. Unter Glasspateldruck zeigt sich ein rehbrauner Farbton. Dieses Phänomen ist nicht spezifisch für den Lupus vulgaris und kann ebenso bei anderen granulomatösen Entzündungsreaktionen beobachtet werden. Die klinische Diagnose Lupus vulgaris sollte durch einen „Beweis erster Ordnung” [1], also den Erregernachweis untermauert werden. Der histologische Nachweis von säurefesten Stäbchen mittels Kinyoun-Färbung und früher der Ziehl-Neelsen-Färbung gelingt bei dieser erregerarmen Form der Tuberkulose äußerst selten [3]. Auch der molekularpathologische Nachweis von Mykobakterien mittels PCR kann versagen [4]. Es sollte daher stets natives Material für eine Erregerkultur gewonnen werden. Dank der Fortschritte des 20. Jahrhunderts in der antibiotischen Therapie ist Lupus vulgaris heute eine äußerst seltene Erkrankung [5]. Bei chronisch persistierenden und langsam progredienten Hautveränderungen unklarer Genese muss er jedoch in die Differenzialdiagnose einbezogen werden [6] [7].
#Literatur
-
1 Volk R.
Tuberkulose der Haut. In: Jadassohn J (Hrsg). Handbuch der Haut und Geschlechtskrankheiten. Berlin; Julius Springer 1931: 215-279 - 2 Bräuninger W, Bork K, Hoede N. Tumorförmiger Lupus vulgaris. Hautarzt. 1981; 32 321-323
-
3 Kalkoff K W.
Mykobakteriosen. In: Korting GW (Hrsg). Dermatologie in Praxis und Klinik für die fachärztliche Weiterbildung. Spezielle Dermatologie. Stuttgart; Thieme 1980: 18.36-18.64 - 4 Degitz K. Detection of Mycobacterial DNA in the Skin. Arch Dermatol. 1996; 132 71-75
-
5 Robert Koch-Institut .Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2008. Im Internet: http://www.rki.de; Stand: 22.03.2010
- 6 Hassan I, Ahmad M, Massod Q. Lupus vulgaris: an atypical presentation. Indian J Dermatol Venerol Leprol. 2010; 76 180-181
- 7 Behera B, Devi B, Patra N. Mutilating lupus vulgaris of face: an uncommon presentation. Indian J Dermatol Venerol Leprol. 2010; 76 199-200
Dr. med. Florian Butsch
Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz
eMail: florian.butsch@unimedizin-mainz.de
Literatur
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1 Volk R.
Tuberkulose der Haut. In: Jadassohn J (Hrsg). Handbuch der Haut und Geschlechtskrankheiten. Berlin; Julius Springer 1931: 215-279 - 2 Bräuninger W, Bork K, Hoede N. Tumorförmiger Lupus vulgaris. Hautarzt. 1981; 32 321-323
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3 Kalkoff K W.
Mykobakteriosen. In: Korting GW (Hrsg). Dermatologie in Praxis und Klinik für die fachärztliche Weiterbildung. Spezielle Dermatologie. Stuttgart; Thieme 1980: 18.36-18.64 - 4 Degitz K. Detection of Mycobacterial DNA in the Skin. Arch Dermatol. 1996; 132 71-75
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5 Robert Koch-Institut .Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2008. Im Internet: http://www.rki.de; Stand: 22.03.2010
- 6 Hassan I, Ahmad M, Massod Q. Lupus vulgaris: an atypical presentation. Indian J Dermatol Venerol Leprol. 2010; 76 180-181
- 7 Behera B, Devi B, Patra N. Mutilating lupus vulgaris of face: an uncommon presentation. Indian J Dermatol Venerol Leprol. 2010; 76 199-200
Dr. med. Florian Butsch
Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz
eMail: florian.butsch@unimedizin-mainz.de


Dr. med. Florian Butsch


Abb. 1 Klinisch imponierte eine scharf begrenzte, erythematöse, plaqueartige Hautveränderung mit papulösen Satelliten am rechten Oberarm.


Abb. 2 Wie lautet Ihre Diagnose?


Abb. 3 Rückbildung der lupoiden Hautveränderungen nach tuberkulostatischer Therapie unter Zurücklassung von atrophischen und teils narbigen Residuen.