Pneumologie 2011; 65(4): 203-207
DOI: 10.1055/s-0030-1256122
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vergleich von Behandlungsergebnissen in zwei Patientengruppen (2004–2005 und 2007–2008) mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom im begrenzten und metastasierten Krankheitsstadium

Analysis of Treatment Outcomes in Two Patient Cohorts (2004–2005 and 2007–2008) with Limited and Extensive Disease Small-Cell Lung CancerA.  Hermes1 , B.  Waschki2 , U.  Gatzemeier1 , M.  Reck1
  • 1Onkologischer Schwerpunkt, Krankenhaus Großhansdorf, Großhansdorf
  • 2Pulmonary Research Institute, Krankenhaus Großhansdorf, Großhansdorf
Further Information

Dr. Andreas Hermes

Krankenhaus Großhansdorf
Onkologischer Schwerpunkt

Wöhrendamm 80
22927 Großhansdorf

Email: a.hermes@kh-grosshansdorf.de

Publication History

eingereicht 20. 10. 2010

akzeptiert nach Revision 15. 12. 2010

Publication Date:
25 January 2011 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Zielsetzung: Das Ziel dieser retrospektiven Studie war ein Vergleich von Patientendaten, Therapien und Behandlungsergebnissen von zwei Patientengruppen (2004 – 2005 und 2007 – 2008) mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) im begrenzten (LD) und metastasierten (ED) Erkrankungsstadium.

Material und Methoden: Es wurden alle Fälle mit einem LD oder ED SCLC, die zwischen 2004 – 2005 und 2007 – 2008 in unserer Abteilung diagnostiziert worden waren, in diese retrospektive Untersuchung aufgenommen. Wir erhoben Daten zu den Patientencharakteristika, Chemotherapien, Strahlentherapien, zum Therapieansprechen und zu mittleren Überlebenszeiten.

Ergebnisse: 109 Patienten hatten ein LD SCLC. Die Ansprechrate auf die Erstlinientherapie lag bei 74 %, mehr als die Hälfte der Patienten erlitt ein Tumorrezidiv; eine Zweitlinientherapie kam bei zwei Drittel dieser Fälle zum Einsatz. Eine Drittlinientherapie wurde bei etwa 15 % aller Patienten verabreicht. Eine prophylaktische Schädelbestrahlung wurde im zweiten Untersuchungszeitraum häufiger durchgeführt. Die mittlere Überlebenszeit betrug 17 Monate. Es fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede bezüglich der Patientencharakteristika und der Behandlungsergebnisse. Bei 188 Patienten wurde ein ED SCLC diagnostiziert. Die Ansprechrate lag um 68 %. Ein Tumorrezidiv trat bei allen Patienten auf, ca. die Hälfte der Fälle erhielt eine Zweitlinientherapie. Eine Drittlinientherapie wurde in 10 % aller Fälle gegeben. Es gab keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen. Die mittlere Überlebenszeit betrug 10 Monate.

Schlussfolgerung: Insgesamt zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede der Patientencharakteristika, Therapieformen und Therapieergebnisse in beiden Untersuchungszeiträumen. Eine prophylaktische Schädelbestrahlung wurde beim LD SCLC seit 2007 häufiger eingesetzt.

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Abstract

Purpose: The aim of this retrospective study was to compare patient characteristics, treatment patterns and treatment results in two groups of patients with limited disease (LD) and extensive disease (ED) small-cell lung cancer (SCLC) in 2004 – 2005 vs. 2007 – 2008.

Patients and methods: We included all patients with LD or ED SCLC in this retrospective analysis who were diagnosed in our department in the periods 2004 – 2005 and 2007 – 2008. We collected data on patient characteristics, chemotherapy, radiotherapy, treatment response and median survival. Statistical analyses were separately performed for patients in LD and ED SCLC.

Results: 109 patients had LD SCLC. The response rate on first-line therapy was 74 %. More than half of the cases had recurrent disease. Second-line treatment was given to about two thirds of these patients. Third-line therapy was administered in around 15 % of all cases. Prophylactic cranial irradiation was performed more frequently from 2007 – 2008. The median survival was 17 months. There were no statistically significant differences regarding patient characteristics and treatment results. ED SCLC was present in 188 patients. The response rate was around 68 %. All patients relapsed, second-line therapy was administered in half of these cases; third-line therapy in 10 % of all cases. No statistically significant differences were detected between the two time frames. Median survival was 10 months.

Conclusion: Overall, no statistically significant differences were present for patients with LD and ED SCLC in 2004 – 2005 vs. 2007 – 2008. Prophylactic cranial irradiation was employed more frequently in LD SCLC from 2007.

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Einführung

Das Bronchialkarzinom ist weiterhin die am häufigsten zum Tode führende Tumorerkrankung [1]. Weltweit sind etwa 1 100 000 Todesfälle jährlich durch das Bronchialkarzinom bedingt. In Deutschland liegt die Inzidenz bei ca. 40 000; 39 500 Patienten verstarben 2004 an der Erkrankung [2]. Ein SCLC liegt bei 15 – 20 % dieser Fälle vor. Die Häufigkeit des SCLC hat in den letzten 20 Jahren leicht abgenommen [1] [3]. Etwa 60 % der Patienten befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im metastasierten Krankheitsstadium. Das mittlere Überleben beträgt beim unbehandelten metastasierten SCLC etwa 6 bis 8 Wochen nach Diagnosestellung [3]. Mit Chemotherapie erreicht das mittlere Überleben 9 – 11 Monate. Beim LD SCLC liegt das mittlere Überleben ohne Behandlung bei 15 – 17 Wochen, während eine kombinierte Chemoradiotherapie zumindest bei ausgewählten Patienten mittlere Überlebenszeiten von 22 bis 27 Monaten ermöglicht. Die wichtigsten prognostischen Faktoren beim SCLC sind das Krankheitsstadium, der Performance Status und die Laktatdehydrogenase (LDH) [4] [5] [6] [7]. Albumin, Neuronen-spezifische Enolase und das carcinoembryonale Antigen sind als prognostische Parameter weniger nützlich, können jedoch grundsätzlich als zusätzliche Parameter in der klinischen Verlaufskontrolle eingesetzt werden. [8] [9] [10].

Die vorliegende Arbeit geht der Fragestellung nach, inwiefern bei Patienten mit LD oder ED SCLC in den Zeiträumen 2004 – 2005 und 2007 – 2008 Unterschiede bezüglich Patientencharakteristika, Behandlungsmodalitäten und Therapieresultate erkennbar waren.

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Material und Methoden

Die Krankenakten jedes Patienten mit einem SCLC wurden durchgesehen. Wir registrierten Daten zum Patientenalter, Krankheitsstadium, Diagnosezeitpunkt, zur Überlebenszeit in Monaten, zum ECOG Performance Status, LDH-Wert, zur Erst- und Zweitlinienchemotherapie. Das Therapieansprechen wurde anhand der üblichen Kategorien erfasst: komplette Remission (complete remission, CR), partielle Remission (partial remission, PR), Status idem (stable disease, SD) und Tumorprogress (progressive disease, PD). Die Zeit bis zum Tumorprogress nach abgeschlossener Erstlinientherapie (time to tumor progression, TTP) wurde ebenso erfasst wie die Durchführung einer Strahlentherapie (prophylaktische Schädelbestrahlung, Thoraxbestrahlung, palliative Strahlentherapie). Sämtliche Daten wurden getrennt für Patienten mit LD und ED SCLC für die Zeiträume 2004 – 2005 und 2007 – 2008 erfasst.

Der Vergleich innerhalb der Gruppen wurde bei normal verteilten Variablen mittels T-Test, bei Variablen, die keine Normalverteilung aufwiesen, mittels Mann-Whitney-U-Test und bei dichotomisierten Variablen mittels Chi-Quadrat-Test durchgeführt. Der Vergleich der Überlebenszeiten wurde mittels Kaplan-Meier Überlebenskurven und log-rank-Test durchgeführt. Die Datenanalyse wurde mit SPSS Version 16.0 (SPSS Inc., Chicago, IL) durchgeführt.

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Ergebnisse

Im Zeitraum 2004 bis 2005 wurden 173 Patienten erfasst, von denen sich 62 % im metastasierten Krankheitsstadium befanden. Von 2007 bis 2008 wurden 124 Fälle gefunden; 65 % waren metastasiert.

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Begrenztes Krankheitsstadium

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2004 – 2005

In diesem Zeitraum wurden 66 Patienten mit einem LD SCLC dokumentiert (56 % Männer, 44 % Frauen). Das Durchschnittsalter betrug 61 Jahre (38 – 80). Der mediane LDH-Wert lag bei 230 U/l (130 – 447). Normale LDH-Werte (unter 225 U/l) lagen bei 59 % der Fälle vor. 92 % der Patienten befanden sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in Performance Status 0 bis 1.

Die Chemotherapie erfolgte in 97 % der Fälle mit Carboplatin/Cisplatin und Etoposid. Eine CR wurde in 14 % gesehen, eine PR in 60 %; einer Ansprechrate (response rate, RR) von 74 % entsprechend. Ein SD lag in 18 % der Fälle vor, ein PD in 8 %. Eine zusätzliche Thoraxbestrahlung wurde bei 45 % der Patienten durchgeführt. Eine prophylaktische Schädelbestrahlung (prophylactic cranial irradiation, PCI) bei 21 %. Patienten mit deutlich reduziertem Performance Status (2 oder größer), Tumorprogress als Resultat der Erstlinientherapie und Patienten mit früher erfolgter Strahlentherapie im geplanten Bestrahlungsfeld wurden nicht bestrahlt. Ein Tumorrezidiv trat bei 56 % der Patienten auf, wobei die mittlere TTP 6,7 Monate betrug. Eine Zweitlinientherapie wurde bei 76 % der Patienten mit einem Tumorrezidiv gegeben. Eine Reinduktionstherapie mit dem initial eingesetzten Therapieregime wurde bei 15 von 26 Patienten (54 %) durchgeführt. Bei diesen Patienten betrug die TTP mindestens 6 Monate. 9 Patienten (14 % aller Patienten) erhielten Adriamycin und Cyclophosphamid. In 2 Fällen wurde Topotecan und Gemcitabin verabreicht. Die mediane Überlebenszeit betrug 17 Monate; 13 Patienten waren zum Zeitpunkt der Datenanalyse noch am Leben ([Tab. 1]).

Tab. 1 Vergleich von Patientencharakteristika für Fälle mit LD SCLC 2004 – 2005 mit 2007 – 2008.
  2004 – 2005
n = 66
2007 – 2008
n = 43
p-Wert
Durchschnittsalter 61 63 0,38
Geschlecht (m/w) 56/44 % 61/39 % 0,65
Medianer LDH-Wert (U/l) 230 249 0,88
Normaler LDH-Wert (< 225 U/l) 59 % 58 % 0,92
PS* 0 – 1 92 % 88 % 0,47
RR** (CR+PR) 74 % 74 % 0,98
PCI*** 21 % 26 % 0,60
Thorakale Radiotherapie 45 % 44 % 0,90
2nd-line-Therapie 76 % 65 % 0,59
Medianes Überleben (Monate) 17 17 0,14
Zensierte Ereignisse 20 % 16 % 0,65
*Performance Status, **Response Rate, ***Prophylactic Cranial Irradiation.
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2007 – 2008

Es wurden 43 Patienten mit einem LD SCLC diagnostiziert (61 % Männer, 39 % Frauen). Das Durchschnittsalter lag bei 63 Jahren (45 – 83). Der mediane LDH-Wert betrug 249 U/l (120 – 901). Normale LDH-Werte wurden bei 58 % der Patienten verzeichnet. 88 % befanden sich in Performance Status 0 – 1. Sämtliche Patienten erhielten eine Chemotherapie mit einem Platinderviat und Etoposid. Eine CR wurde bei 7 % der Patienten dokumentiert, eine PR bei 76 %, entsprechend einer RR von 74 %. Ein SD lag bei 14 % vor und ein PD war das Resultat der Erstlinientherapie bei 12 % der Fälle. 44 % der Patienten erhielten eine Strahlentherapie des Thorax, 26 % wurden einer PCI unterzogen. Ein Tumorrezidiv wurde bei 53 % der Fälle gesehen, wobei die mittlere TTP 4,4 Monate betrug. 65 % der Patienten mit einem Tumorrezidiv erhielten eine Zweitlinientherapie. Eine Reinduktionstherapie wurde in 36 % dieser Fälle verabreicht. 36 % erhielten eine Therapie mit Topotecan und 14 % eine Kombinationstherapie mit Adriamycin und Cyclophosphamid. Die übrigen Patienten wurden mit verschiedenen Chemotherapeutika im Rahmen klinischer Studien behandelt. 8 Patienten (19 % aller Patienten) erhielten eine Drittlinientherapie. Das mediane Überleben betrug 17 Monate, wobei zum Zeitpunkt der Datenanalyse noch 7 Patienten lebten ([Tab. 1], [Abb. 1]).

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Abb. 1 Mediane Überlebenszeiten bei Patienten mit LD SCLC, p = 0,121.

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Metastasiertes Krankheitsstadium

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2004 – 2005

Ein ED SCLC lag bei 107 Patienten in diesem Zeitraum vor, davon waren 59 % Männer und 41 % Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 64 Jahre (43 – 80). Der LDH-Wert betrug im Median 312 U/l (99 – 1831). Normale LDH-Werte wurden bei 34 % der Patienten bestimmt. 76 % der Fälle befanden sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in Performance Status 0 – 1, 19 % in PS 2.

88 % der Patienten erhielten als Erstlinientherapie Carboplatin/Cisplatin in Kombination mit Etoposid; Carboplatin wurde am häufigsten eingesetzt. 12 % wurden im Rahmen klinischer Studien therapiert. Die Mehrzahl dieser Fälle wurde mit einer Kombination von Cisplatin und Topotecan oder Irinotecan behandelt. Eine CR wurde bei 8 % der Fälle erzielt, eine PR in 67 %. Die RR lag entsprechend bei 72 %. Ein SD lag bei Abschluss der Erstlinientherapie in 7 % der Fälle vor, ein PD in 21 %.

Einer PCI wurden 3 % der Patienten unterzogen. Eine palliative Schädelbestrahlung erhielten 14 %. Eine palliative Thoraxbestrahlung erfolgte in 6 % der Fälle. Skelettmetastasen wurden bei 7 % der Patienten bestrahlt.

Die mittlere TTP betrug 4,1 Monate nach Abschluss der Erstlinientherapie. Ein Rezidiv trat bei sämtlichen Patienten auf. 52 % aller Patienten mit einem Tumorrezidiv erhielten eine Zweitlinientherapie. In 30 % dieser Fälle wurde eine Reinduktionstherapie mit den in der Erstlinie verwendeten Chemotherapeutika verabreicht. Eine Therapie mit Adriamycin und Cyclophosphamid wurde in 68 % der Patienten gegeben. 11 Patienten (10 % aller Patienten) erhielten eine Drittlinientherapie. Das mediane Überleben aller Patienten mit einem ED SCLC in diesem Beobachtungszeitraum lag bei 10 Monaten vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ([Tab. 2]).

Tab. 2 Vergleich von Patientencharakteristika für Fälle mit ED SCLC 2004 – 2005 und 2007 – 2008.
  2004 – 2005
n = 107
2007 – 2008
n = 81
p-Wert
Durchschnittsalter 64 64 0,95
Geschlecht (m/w) 59/41 % 65/35 % 0,36
Medianer LDH-Wert (U/l) 312 565 0,69
Normaler LDH-Wert (< 225 U/l) 34 % 40 % 0,41
PS 0 – 1 76 % 81 % 0,46
Lebermetatasen 46 % 41 % 0,49
Hirnmetastasen 26 % 17 % 0,15
Lungenmetastasen 21 % 26 % 0,39
Pleurametastasen 20 % 9 % 0,036
Knochenmetastasen 31 % 26 % 0,46
Nebennierenmetastasen 23 % 16 % 0,22
RR (CR + PR) 72 % 63 % 0,19
PCI 3 % 1 % 0,46
Pall. Hirnbestrahlung 14 % 16 % 0,70
Pall. Thoraxbestrahlung 5 % 3 % 0,43
2nd-line-Therapie 52 % 43 % 0,22
Medianes Überleben (Monate) 10 10 0,75
Zensierte Ereignisse 1 % 6 % 0,043
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2007 – 2008

Ein ED SCLC wurde bei 81 Patienten diagnostiziert; hiervon waren 65 % Männer und 35 % Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 64 Jahre (42 – 81). Der mediane LDH-Wert lag bei 565 U/l (141 – 3575). Normale LDH-Werte wurden bei 40 % der Patienten festgestellt. 81 % befanden sich in Performance Status 0 – 1, 15 % in PS 2.

89 % der Patienten erhielten ein Platinderivat in Kombination mit Etoposid, die übrigen Patienten wurden im Rahmen klinischer Studien mit Cisplatin in Kombination mit Pemetrexed oder Topotecan therapiert. Eine CR wurde in 4 % der Fälle beobachtet, eine PR in 59 %. Die Ansprechrate lag somit bei 63 %. Ein SD resultierte bei 17 % der Patienten bei Abschluss der Erstlinientherapie, ein PD bei 20 %.

2 % der Patienten erhielten eine palliative Thoraxbestrahlung, 1 % eine PCI. Eine palliative Schädelbestrahlung wurde in 16 % der Fälle eingesetzt. Skelettmetastasen wurden bei 6 % der Fälle bestrahlt.

Die mittlere TTP betrug 2,7 Monate. Eine Zweitlinientherapie wurde 43 % aller Patienten mit einem Tumorrezidiv verabreicht. 14 % dieser Gruppe wurde mit einer Reinduktionstherapie behandelt. 69 % erhielten Topotecan und 11 % Adriamycin und Cyclophosphamid. 9 Patienten (11 % aller Patienten) erhielten eine Drittlinientherapie. Die mediane Überlebenszeit betrug 10 Monate ([Tab. 2], [Abb. 2]).

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Abb. 2 Mediane Überlebenszeiten bei Patienten mit ED SCLC, p = 0,974.

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Diskussion

Unsere retrospektive vergleichende Analyse umfasste alle in unserer Abteilung behandelten Patienten mit einem begrenzten oder metastasierten kleinzelligen Bronchialkarzinom in den Zeiträumen 2004 bis 2005 und 2007 bis 2008.

Es wurden 109 Fälle mit einem LD SCLC untersucht. Die Analyse aller Patientencharakteristika ergab keine statistisch signifikanten Unterschiede. Die Ansprechrate betrug in beiden Zeiträumen 74 %, die mittlere Überlebenszeit jeweils 17 Monate. Rund 45 % der Patienten erhielten eine konsekutive Strahlentherapie des Thorax. Eine prophylaktische Schädelbestrahlung wurde tendenziell häufiger eingesetzt; hier wurde jedoch noch kein statistisch signifikanter Unterschied erreicht. In beiden Untersuchungszeiträumen erlitten mehr als die Hälfte der Patienten ein Tumorrezidiv, wobei zwei Drittel dieser Patienten eine Zweitlinientherapie erhalten konnten. Eine Drittlinientherapie erfolgte bei etwa 16 % aller Patienten mit einem LD SCLC. Ein klinisch relevanter Trend lässt sich angesichts der geringen Fallzahl aus den vorliegenden Daten nicht ableiten. Das mittlere Überleben unserer Patienten ist vergleichbar mit den Ergebnissen des Staging Projekts der International Association for the Study of Lung Cancer, die mehrere tausend Patienten umfasst. Das mediane Überleben lag hier bei 18 Monaten [11].

188 Patienten befanden sich im metastasierten Tumorstadium. Die statistische Analyse der Patientencharakteristika ergab auch bei diesen Patienten keine relevanten Unterschiede in beiden Untersuchungszeiträumen. Es bestand jedoch ein Trend zu einer geringeren Inzidenz einer zerebralen Metastasierung im Zeitraum 2007 – 2008. Die Lokalisation und Häufigkeit der Metastasierung veränderten sich im Übrigen nicht. Im internationalen Vergleich mit Patientenkollektiven aus randomisierten Behandlungsstudien der letzten Jahre waren die Patientenmerkmale ähnlich [12] [13] [14] [15] [16].

Eine palliative Schädelbestrahlung wurde bei rund 15 % der Patienten in beiden Zeiträumen durchgeführt.

Eine prophylaktische Schädelbestrahlung gewinnt eine zunehmende Bedeutung in der Behandlung auch des metastasierten kleinzelligen Bronchialkarzinoms. Slotman et al. präsentierten 2007 Daten zur Anwendung der PCI bei Fällen mit einem Ansprechen auf die Chemotherapie [17]. Es konnte eine Zunahme der 1-Jahres-Überlebensrate von 13 auf 27 % dokumentiert werden. Das kumulative Risiko für das Auftreten einer zerebralen Metastasierung innerhalb eines Jahres ließ sich durch die PCI von 40,4 auf 14,6 % reduzieren. Einige Faktoren beeinträchtigen jedoch die klinische Implementierung dieser Studienergebnisse. So war das Ansprechen auf die Erstlinientherapie nicht eindeutig definiert, sondern ausschließlich der Evaluation durch das behandelnde Zentrum überlassen. Insbesondere wurde eine bildgebende Diagnostik des Schädels weder zum Zeitpunkt der Randomisierung noch bei den Verlaufskontrollen gefordert; es sei denn, der Patient bot Symptome, die verdächtig auf das Vorliegen einer zerebralen Metastasierung waren. Die Wahl des bildgebenden Verfahrens (CCT mit oder ohne Kontrastmittel, MRT des Neurokraniums) war ebenfalls nicht standardisiert. Dennoch sprechen die positiven Resultate der PCI im Rahmen dieser Studie für einen häufigeren Einsatz bei Patienten mit einem Ansprechen auf die Erstlinientherapie, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden. Die PCI wurde in unserer Abteilung im Zeitraum 2007 – 2008 nicht häufiger als vorher eingesetzt. In den letzten 2 Jahren nahm die Behandlungshäufigkeit jedoch zu.

Die Ansprechrate war von 72 % auf 63 % leicht abnehmend. Eine statistische Signifikanz wurde jedoch nicht gesehen und eine klinische Relevanz war nicht erkennbar. Das mittlere Überleben erreichte in beiden Gruppen 10 Monate. Allerdings waren noch 6 % der Patienten, die zwischen 2007 und 2008 diagnostiziert worden waren, zum Zeitpunkt der Datenanalyse am Leben (2004 – 2005: 1 %, p = 0,043). Die IASLC Datenbank enthält die Daten von mehr als 3000 weltweit behandelten Patienten mit einem metastasierten SCLC. Das mediane Überleben lag bei diesen Fällen bei 7 Monaten [11].

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich keine klinisch oder statistisch relevanten Unterschiede bei den Patientencharakteristika und Behandlungsergebnissen der Patientenkollektive mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom ergaben. Die Überlebenszeiten liegen beim LD SCLC im internationalen Durchschnitt; beim metastasierten SCLC konnten wir insgesamt längere durchschnittliche Überlebenszeiten dokumentieren.

Weiterhin steht bei allen Patienten mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom die sorgfältige Einhaltung einer Balance zwischen einer optimalen Chemotherapie und Radiotherapie und dem Erhalt der Lebensqualität im Vordergrund. Dies gilt sicherlich insbesondere für Patienten im metastasierten Tumorstadium.

Wissenschaftlich interessant wäre eine weitere Analyse des Einflusses der prophylaktischen Schädelbestrahlung auf das Gesamtüberleben einer zukünftigen Kohorte von Patienten mit einem metastasierten SCLC, bei denen die PCI häufiger zum Einsatz kommen wird.

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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Dr. Andreas Hermes

Krankenhaus Großhansdorf
Onkologischer Schwerpunkt

Wöhrendamm 80
22927 Großhansdorf

Email: a.hermes@kh-grosshansdorf.de

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  • 17 Slotman B, Faivre-Finn C, Kramer G et al. Prophylactic cranial irradiation in extensive small-cell lung cancer.  New Engl J Med. 2007;  357 664-672

Dr. Andreas Hermes

Krankenhaus Großhansdorf
Onkologischer Schwerpunkt

Wöhrendamm 80
22927 Großhansdorf

Email: a.hermes@kh-grosshansdorf.de

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Abb. 1 Mediane Überlebenszeiten bei Patienten mit LD SCLC, p = 0,121.

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Abb. 2 Mediane Überlebenszeiten bei Patienten mit ED SCLC, p = 0,974.