Einleitung
Bei Verletzungen der Haut (wie zum Beispiel durch Operationen oder nach tiefen bis
mitteltiefen Wunden) kommt es nach einer anfänglichen Entzündungsreaktion im Rahmen
der Wundheilung zu einer körpereigenen Hautreparatur und in Folge dessen zu einer
Narbe. Sind diese Reparaturmechanismen gestört, kann es zur Bildung von überschießenden
Narben kommen. Besonders Keloide sind häufig mit Juckreiz und expansivem Wachstum
assoziiert und können neben teils signifikantem Spannungsgefühl und Schmerzen auch
zu kosmetischen und psychischen Problemen führen. Trotz neuerer Behandlungsmöglichkeiten
gestaltet sich die Therapie von manifesten Keloiden nach wie vor komplex und teilweise
schwierig. Die Prävention überschießender Narben ist dagegen ungleich einfacher.
Einteilung
Um Keloide richtig zu behandeln, ist eine Unterscheidung von den sogenannten hypertrophen
Narben wichtig. Denn während hypertrophe Narben generell relativ gut auf gängige therapeutische
Methoden ansprechen, neigen Keloide vor allem bei aggressivem Vorgehen (OP, ablative
Laser) zu raschem Rezidiv mit möglicherweise noch größerer Ausprägung als zuvor.
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Hypertrophe Narben stellen rötliche Bindegewebswucherungen dar, die die Grenze der ursprünglichen chirurgischen
oder Verletzungswunde nicht überschreiten. Das Wachstum ist meist in den ersten sechs
Wochen rasch, danach dann langsamer. Eine spontane Rückbildung kommt gelegentlich
vor, ist aber nicht die Regel. Nach einer deutlich verlängerten Reifungszeit von ungefähr
zwei Jahren bleibt meist eine einer Kordel ähnliche, etwas verbreiterte Narbe zurück.
Eine Sonderform der hypertrophen Narbe stellen die Verbrennungsnarben dar, die mit
massiven Narbenkontrakturen und damit schwerwiegenden funktionellen Einschränkungen
einhergehen können ([Abb. 1]).
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Keloide überschreiten dagegen typischerweise die Grenze der ursprünglichen Verletzungswunde
und wachsen häufig mehrere Jahre immer weiter. Keloide sind derb, wulstig, stark gerötet
und verursachen häufig Juckreiz oder Druckschmerzen ([Abb. 2]).
Abb. 1 Hypertrophe Narben imponieren als rötliche Bindegewebswucherungen, die die Grenze
der ursprünglichen chirurgischen oder Verletzungswunde nicht überschreiten, wie z. B.
nach Kocher-Kragenschnitt.
Abb. 2 Keloide überschreiten charakteristischerweise die Grenze der ursprünglichen Verletzungswunde
und erscheinen als derbe, wulstige, stark gerötete Tumoren. Besonders häufig betroffene
Lokalisationen sind die Ohrläppchen (a) und die Schulterpartie (b).
Beide Entitäten werden jedoch nach wie vor häufig unter dem Begriff „überschießende
oder pathologische Narben” zusammengefasst.
Ätiologie und Pathophysiologie
Keloide bilden sich meist nach operativ oder traumatisch entstandenen Wunden. Sie
werden zusätzlich nach Tätowierungen, Piercings und infolge chronischer, entzündlicher
Erkrankungen der Haut beobachtet. Spontankeloide werden wahrscheinlich durch Minimaltraumen
ausgelöst, die weitestgehend unbemerkt ablaufen. Das gehäufte Auftreten in der Pubertät
und Schwangerschaft machen hormonelle Einflüsse wahrscheinlich.
Die pathophysiologischen Unterschiede zwischen hypertrophen Narben und Keloiden sind
bisher noch nicht vollständig geklärt. Beide Entitäten sind Ausdruck einer pathologisch
veränderten Wundheilung mit verlängerter Entzündungsphase und konsekutiv gesteigerter
Bildung von Narbengewebe bei gleichzeitig reduziertem Abbau von dermalem Kollagen
[1]. Dabei spielen dermale Fibroblasten eine zentrale Rolle, die durch die vermehrte
Sekretion bestimmter Zytokine und Wachstumsfaktoren in ihrer Aktivität beeinflusst
werden [2].Vor allem das Konzentrationsverhältnis der drei TGF-β (transforming growth factor
beta)-Isoformen während der initialen Wundheilungsphase scheint für die Bildung von
überschießenden Narben von zentraler Bedeutung zu sein [3]. Während TGF-β1 und -2 die Fibrose und Narbenbildung vermitteln, scheint TGF-β3
die Narbenbildung zu hemmen. Neben TGF-β werden in der entzündlichen Phase der Wundheilung
„epidermal growth factor” (EGF), „platelet-derived growth factor” (PDGF) und „fibroblast
growth factor” (FGF) freigesetzt. Diese Wachstumsfaktoren induzieren die Proliferation
von Fibroblasten und der Matrix und könnten möglicherweise durch das Verschieben des
Gleichgewichts zugunsten der Bindegewebssynthese an der Entstehung von überschießenden
Narben beteiligt sein. Momentan wird angenommen, dass die Entstehung von Keloiden
durch eine, im Vergleich zu hypertrophen Narben, noch deutlich verlängerte Entzündungsphase
gekennzeichnet ist. Infolgedessen kommt es zu erhöhter Fibroblastenaktivität mit vermehrter
Bildung von Narbengewebe. Dies wiederum könnte erklären, warum Keloide die Grenze
der ursprünglichen Verletzungswunde überschreiten und häufig über Jahre weiterwachsen.
Weiterhin werden aufgrund einer gewissen familiären Häufung für die Entstehung von
Keloiden seit einigen Jahren genetische Faktoren diskutiert. Beschrieben sind genetische
Assoziationen mit HLA-B14, -B1, HLA-BW16, -BW35, HLA-DR5, -DQW3 und der Blutgruppe
A. Verschiedene Faktoren können die Entstehung von Keloiden begünstigen:
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verzögerte Wundheilung (> 21 Tage) [4]
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langanhaltende, entzündliche Erkrankungen der Haut (Akne papulopustulosa, conglobata)
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Körperregionen mit erhöhter Hautspannung: vordere Brustregion, Schulterpartie, Ohrläppchen
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dunkelhäutige Personen (2- bis 19-fach erhöhtes Risiko für die Entstehung von Keloiden)
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positive Familienanamnese
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erhöhte Inzidenz während der Pubertät und Gravidität
Prävention von Keloiden
Generell gilt: Bei disponierten Patienten sollten vor allem an den oben genannten
Lokalisationen unnötige Wunden (Tätowierungen, Piercings) wenn möglich vermieden werden.
Weiterhin stehen neben verschiedenen das Gewebe schonenden Operationstechniken, die
sorgfältige Wundversorgung und das Vermeiden von Wundinfektionen und verzögerter Wundheilung
im Vordergrund, um eine gute Narbenheilung zu erreichen [5]. Die Schnittführung sollte den Langerschen Hautspaltlinien folgen und ästhetische
Untereinheiten (insbesondere im Gesicht) berücksichtigen. Ein Geringhalten der Wundspannung
kann beispielsweise durch entlastende Subkutannähte erfolgen. Anschließende Okklusionsverbände
halten die ideale Feuchtigkeit für eine optimale Wundheilung aufrecht [5]. In verschiedenen Studien erwies sich die Injektion von Botulinumtoxin A in den
umliegenden Bereich der Wunde durch Reduktion der Wundspannung nach Lähmung der subkutanen
Muskulatur als hilfreich und stellt vor allem im Gesicht eine mögliche Option im Wundmanagement
dar [6]. Der Patient selbst sollte frische Narben von vornherein
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wenig Zug, Druck und Dehnung aussetzen,
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konsequent vor Sonne schützen und
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bei Wachstumszunahme möglichst frühzeitig wieder vorstellig werden.
Zur Vorbeugung der überschießenden Narbenbildung stehen heute in erster Linie verschiedene
Narbentopica zur Verfügung. Seit Jahren etablierte Druckverbände werden heutzutage vor allem prophylaktisch nach großflächigen Brandverletzungen eingesetzt
und finden in der täglichen Praxis aufgrund der relativ schlechten Compliance immer
weniger Anwendung. Eine Ausnahme bildet die prophylaktische Anwendung von Kompressionsschalen
(„Austernschalenepithetik”) nach der chirurgischen Entfernung von Ohrkeloiden, welche
die Rezidivrate deutlich verringern können.
Silikonpflaster, -gels: Wie bereits in den internationalen Empfehlungen für die Behandlung von Narben von
Mustoe et al. beschrieben [7], kann unter der frühzeitigen und regelmäßigen Anwendung von Silikonpflastern und
-gelfolien, aber auch Silikongelen eine zum Teil deutliche Verbesserung der Narbenqualität
und Rückgang der Rötung beobachtet werden [7]
[8]. Als möglicher Wirkmechanismus wird vermutet, dass Silikonprodukte durch Okklusion
und Hydratation des Stratum corneum fördernd auf die Kollagenaseaktivität wirken.
Besonders bei Risikopatienten (familiäre Disposition, Lokalisation, etc.) ist eine
präventive Behandlung mit Silikongel (frühestens ab dem 14. postoperativen Tag für
mindestens zwei Monate) zur Vermeidung von überschießenden Narben zu empfehlen. Zur
Behandlung von manifesten Keloiden scheinen Silikonprodukte als Monotherapie aber
ungeeignet.
Narbensalben und -cremes: Weiterhin werden zur Prophylaxe und Therapie von überschießender Narbenbildung in
Apotheken und Drogerien viele verschiedene Narbensalben und -cremes angeboten. Unter
dem Blickwinkel einer evidenzbasierten Medizin bleibt allerdings die Effektivität
vieler solcher Externa fraglich. Einige der besonders häufig in der täglichen Praxis
in Deutschland und vor allem in den USA angewandten Narbentopika sind Salben aus Zwiebelextrakten,
Heparin und Allantoin. Die Anwendung von Zwiebelextrakt (frühestens ab dem 14. postoperativen
Tag für zwei bis sechs Monate, zweimal täglich) konnte in verschiedenen Studien eine
antiproliferative und antiinflammatorische Wirkung auf Fibroblasten und damit eine
Hemmung der in überschießenden Narben gesteigerten Kollagenproduktion zeigen [9]. Klinisch zeigte die prophylaktische topische Applikation von Zwiebelextrakt enthaltenden
Externa nach Tattooentfernung mit Nd:Yag-Laser eine deutlich geringere Narbenbildung
[10], auch die Kombination von intraläsionalem Triamcinolon und Zwiebelextraktgel wurde
als positiv beschrieben [11]. Der Effekt lässt sich durch die Kombination mit Ultraschall noch verstärken [12]. Zur alleinigen Behandlung von bereits bestehenden Keloiden sind Zwiebelextrakt
enthaltende Externa aber unzureichend.
Behandlung von Keloiden
Es existiert zurzeit keine Standardtherapie für die Behandlung von Narben, da viele
verschiedene Faktoren bei der Narbenentstehung und auch bei deren Abheilung eine Rolle
spielen. Prospektive, klinisch-kontrollierte Studien mit objektiver Auswertung sind
nach wie vor in diesem Bereich in nur geringer Zahl vorhanden. In einer von Koller
et al. i2004 publizierten Leitlinie zur „Therapie pathologischer Narben (hypertrophe
Narben und Keloide)” wird zwischen etablierten Verfahren, Therapieformen mit noch
ungenügend verifizierter oder fraglicher Wirkung und Therapieformen aus anekdotischen
Berichten unterschieden [13]. Die hier als etablierte und neuere Therapieverfahren angegebenen Methoden basieren
überwiegend auf in der Literatur vorhandenen, zumeist monozentrischen Studien, zahlreichen
Fallberichten, persönlichen Erfahrungswerten und den internationalen Empfehlungen
für die Behandlung von Narben von Mustoe et al. [7].
Generell sollte mit der Behandlung von Keloiden möglichst frühzeitig begonnen werden,
da vor allem junge Keloide eine deutlich bessere Rückbildungstendenz zeigen. Oft kommen
kombinierte Verfahren (Operation und Bestrahlung oder Kryotherapie und intraläsionales
Steroid) zur Anwendung.
Etablierte Verfahren
Kryotherapie: Vereisung mit flüssigem Stickstoff für anfänglich 10 Sekunden, im weiteren Verlauf
15 bis 20 Sekunden im offenen Sprühverfahren in zwei Gefrierauftauzyklen [14]. Alternativ Kontaktverfahren oder intraläsionale Kryotherapie. Nach dem ersten Einfrieren
muss auf vollständiges Auftauen der vereisten Fläche gewartet werden. Durch die Kälte
von – 196° wird das Narbengewebe nicht mehr durchblutet, es kommt zu kältebedingter
Alteration, Thrombosierung und konsekutivem ischämischen Zelltod [15]. Im Anschluss an die Behandlung kommt es meistens zur Blasenbildung. Die daraus
entstehenden Erosionen und Krusten benötigen oft bis zu vier Wochen bis zur kompletten
Abheilung. Eine Wiederholung dieser Prozedur sollte bis zum gewünschten Behandlungserfolg
(i. d. R. 3 bis 6 Behandlungszyklen) ungefähr alle vier Wochen erfolgen. Nach dem
Vereisen kann es zum Auftreten von Pigmentstörungen durch Zerstörung der kältesensiblen
Melanozyten kommen. Als Monotherapie ist die Kryotherapie besonders für die Behandlung
von hypertrophen Narben geeignet, für die Therapie von Keloiden scheint die Kombination
mit anschließender intraläsionaler Triamcinolon-Behandlung erfolgversprechender, da
hier die alleinige Behandlung mittels Vereisung zu einer weiteren Aktivierung des
Keloids führen kann.
Intraläsionale Kortisonbehandlung: Dabei wird Triamcinolonacetonid (10 – 40 mg/ml, maximal 5 mg/cm2) pur, mit NaCl 0,9 % oder Lidocain 1 : 2 – 1 : 4 verdünnt mittels einer Luerlock-Spritze
oder mittels eines Hochdruckinjektors (Dermojet) streng intraläsional injiziert. Dieses
Verfahren muss in mehreren Sitzungen alle 2 bis 6 Wochen wiederholt werden und gilt
bei Keloiden nach wie vor als Therapie der Wahl. In unserem Hause erfolgt die intraläsionale
Kortikosteroidinjektion häufig direkt im Anschluss an die Kryotherapie mit sehr guten
Ergebnissen. Ein Blanching-Effekt (Abblassen) des injizierten Gewebes zeigt den Endpunkt
der Infiltration an. Neben der bekannten antiinflammatorischen Wirkung von Triamcinolon
kommt es zur Hemmung der Fibroblastenproliferation [16] und einer Steigerung der Kollagenasenaktivität [17]. Die Ansprechraten liegen bei Keloiden bei 50 bis 100 %, wobei vor allem noch aktive,
hellrote Narben mit noch bestehender Entzündungsaktivität besonders gut ansprechen.
Keloide bedürfen minimal 3 Injektionssitzungen, bevor ein Effekt beurteilbar ist.
Neben dem Injektionsschmerz (der durch die vorhergehende Vereisung reduziert werden
kann) muss der Patient über mögliche Risiken dieser Behandlung, wie beispielsweise
subkutane Atrophien bei zu tiefer Injektion sowie Teleangiektasien und Pigmentstörungen
bei zu oberflächlicher Injektion aufgeklärt werden. Systemische Effekte sind in der
Regel nicht zu erwarten. Bei bekannter Neigung zur Ausbildung von Keloiden und hypertrophen
Narben kann die intraläsionale Injektion von Triamcinolon in die frische Operationswunde
zur Prophylaxe bereits am Tag der Operation erfolgen [18].
Operative Narbenkorrektur: Während bei hypertrophen Narben die Spannung der kontrahierten Narbe zum Teil durch
eine entlastende Operation wirksam behandelt werden kann, führen operative Verfahren
bei Keloiden meistens zum raschen Rezidiv mit möglicherweise noch größerer Ausprägung
als zuvor. Die Rezidivraten liegen dabei zwischen 45 und 100 %. Daher ist bezüglich
isoliert eingesetzter operativer Verfahren große Zurückhaltung geboten. Ein operativer
Ansatz sollte nur bei
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Keloiden mit begleitender Bewegungseinschränkung,
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wiederholtem Nichtansprechen auf oben aufgeführte Behandlungen oder
-
bei sehr großen Keloiden zur initialen Größenreduktion zur Steigerung der Effektivität
adjuvanter Behandlungsmethoden
gewählt werden [19]. Eine operative Entfernung sollte weiterhin immer von zusätzlichen Therapiemaßnahmen,
wie z. B. Kryotherapie, Strahlentherapie, intraläsionäre Steroidinjektionen oder einer
Druckbehandlung, gefolgt sein. Bei der Operation von Keloiden sollte darauf geachtet
werden, dass die Exzisionsnarben innerhalb der Keloidgrenzen liegen („intramarginale”
Narbenresektion), da die extramarginale Exzision mit kompletter Entfernung des Narbengewebes
mit einer hohen Rezidivrate belastet ist [20]. Im Falle einer kompletten Exzision gilt generell, dass die Spannung gut verteilt
werden sollte – einerseits durch ausreichende Mobilisation, andererseits durch eine
ordentliche subkutane Adaptation. Die Enden der Dermis selbst sollten sich dann locker
einander gegenüberliegen und mit Intrakutannähten oder Einzelknopfnähten verschlossen
werden [7]. Fadenmaterial sollte zur maximalen Entlastung der Spannung mindestens für 2 – 3
Wochen belassen [21] und generell sparsam verwendet werden, um die Fremdkörpermenge in der Wunde zu verringern.
Zur weiteren Verminderung der Wundspannung können Entlastungsplastiken (W-, Z-Plastik,
„Broken-line-Technik”) notwendig sein [20]. Die tangentiale planierende Exzision („Shave”-Exzision) sollte mit nachfolgender
intraoperativer Kryotherapie oder intraläsionaler Kortikosteroidinjektion kombiniert
werden und findet häufig bei der operativen Behandlung von Ohrkeloiden ihre Anwendung.
Strahlentherapie: In Deutschland (im Gegensatz zu beispielsweise Japan) stellen Keloide aufgrund einer
Rezidivrate von 50 bis 100 % und dem potenziellen karzinogenen Risiko keine primäre
Indikation für eine Strahlenmonotherapie dar. Allerdings können Rezidive nach Keloidexzision
wirksam verhindert werden [22]. Dabei sollte mit der Strahlentherapie möglichst innerhalb der ersten zwei Tage
nach Exzision begonnen werden, wobei eine fraktionierte Bestrahlung mit einer Gesamtdosis
von 10 – 15 Gy empfohlen wird (z. B. 3-mal 4 Gy im Abstand von je 1 Woche). Um potenziellen
Nebenwirkungen wie beispielsweise Pigmentverschiebungen, Teleangiektasien und gelegentlich
Ulzerationen vorzubeugen, sollte eine Gesamtdosis von 40 Gy nicht überschritten werden.
Bei Kindern und Schwangeren ist die Strahlentherapie kontraindiziert und sollte aufgrund
des theoretisch kanzerogenen Effektes nicht in Bereichen über viszeralen Strukturen
durchgeführt werden [2]. Allerdings ist bisher nur ein Fall von medullärem Schilddrüsenkarzinom 8 Jahre
nach postoperativer Bestrahlung eines Keloids am Kinn bei einem 11 Jahre alten Kind
beschrieben [23]. In der Literatur findet sich ansonsten bis zu einer Nachbeobachtungszeit von 20
Jahren kein Beweis für eine höhere Inzidenz von strahleninduzierten Karzinomen nach
postoperativer Bestrahlung von Keloiden [24].
Neuere Verfahren
Bleiben diese Verfahren ohne Erfolg, gibt es inzwischen verschiedene, zum Teil innovative
Techniken, die eine Verbesserung überschießender Narben versprechen.
Lasertherapie: Hier kommt es auf die richtige Auswahl der verschiedenen Lasersysteme an. Ältere
Verfahren, wie beispielsweise der Einsatz von CO2- oder Argonlaser, sind bei der Behandlung von Keloiden mit einer Rezidivrate von über 50 % vergesellschaftet
und werden daher heutzutage widersprüchlich diskutiert. Die Anwendung von einem gepulsten
Farbstofflaser (PDL) bei 585 nm hat sich in der Vergangenheit vor allem bei frischen, noch geröteten
hypertrophen Narben und Keloiden als erfolgreich erwiesen [25]. Der Wirkmechanismus des PDL beruht auf einer selektiven Fotothermolyse von Hämoglobinmolekülen,
die einen mikrovaskulären Schaden und eine koagulative Nekrose verursacht und letztlich
zu einer Gewebshypoxie führt. Melanin ist dabei das kompetitive Chromophor, sodass
diese Therapie bei dunkelhäutigen Menschen, die ein ohnehin besonders hohes Risiko
für die Keloidbildung haben, nicht wirksam ist. Das Verfahren muss in mehreren Sitzungen
(im Durchschnitt 3 bis 5) alle 2 bis 6 Wochen wiederholt werden. In verschiedenen
Studien zeigte sich eine gute Effektivität mit bis zu 75 %igen Ansprechraten bei minimaler
Morbidität. Unserer Erfahrung nach erscheint die anfängliche Kombination mit intraläsionalem
Triamcinolonacetonid sinnvoll, um einer möglichen Reaktivierung des Keloids vorzubeugen.
Mit neueren Lasergeräten mit spezifischer Wellenlänge sollen selektiv Blutgefäße entfernt
werden. Der Neodym-YAG-Laser (Nd:YAG) zeigte dabei Ansprechraten von 36 – 47 % [26]. In einer Studie an 17 Keloidpatienten flachten fast 60 % der Keloide nach einer
Sitzung mit dem Nd:YAG-Laser ab [27]. Diese Patienten blieben bei den Nachuntersuchungen nach 18 Monaten bis zu fünf
Jahren frei von Keloiden. Eine vorsichtige Indikationsstellung und umfassende Beratung
des Patienten ist unumgänglich, da es bei diesen Verfahren zu vergleichsweise schwerwiegenden
Nebenwirkungen (wie beispielsweise Pigmentstörungen, lang anhaltende Rötungen und
Narben-Neubildung) kommen kann. Wie auch bei den vorhergehenden Verfahren sind meistens
mehrere Sitzungen über einen Zeitraum von mehreren Monaten notwendig.
Imiquimod: Der „immune response modifier” Imiquimod ist in der Lage, nach topischer Applikation
proinflammatorische Zytokine wie TNF-α heraufzuregulieren, die ihrerseits die Kollagenproduktion
von Fibroblasten hemmen. Die prophylaktische, topische Applikation (beginnend am 1.
postoperativen Tag, täglich über 8 Wochen) von Imiquimod 5 %-Creme nach Keloidexzision
zeigte in 13 Patienten ein Ausbleiben von Rezidiven innerhalb der ersten 24 Wochen
nach Exzision [28]. Eine vergleichbare Beobachtungsstudie in 60 Patienten zeigte ähnliche Ergebnisse
[29]. Martin-Garcia et al. untersuchte den Effekt von Imiquimod-Creme auf die Rezidivrate
von Ohrkeloiden nach Shaveexzision z. T. im Halbseitenversuch mit intraläsionaler
Steroidinjektion [30]. 24 Wochen nach chirurgischer Entfernung des Keloids und Imiquimod-Therapie zeigten
sich 6 von 8 behandelten Ohren (75 %) rezidivfrei. Insgesamt scheint die post-operative
Applikation von Imiquimod 5 %-Creme die Rezidivrate von Keloiden maßgeblich zu vermindern.
Häufige Nebenwirkungen beinhalten eine z. T. ausgeprägte Entzündungreaktion und Hyperpigmentierungen
im Applikationsgebiet. Größere, objektivierbare Studien sind notwendig, um die Rolle
von Imiquimod in der Behandlung von Keloiden weiter zu evaluieren.
Neben den hier beschriebenen Therapieoptionen existieren weitere Behandlungsmethoden,
wie zum Beispiel die erfolgreiche Verwendung von lokal eingesetzten Chemotherapeutika
(5-Fluorouracil [5-FU] [31] oder Bleomycin [32]). Seit 1989 wird 5-FU besonders in den USA zur Behandlung von hypertrophen Narben
und Keloiden eingesetzt. Fitzpatrick et al. [33] berichteten 1999 über seine neunjährige Erfahrungen mit 5-FU für die Behandlung
von Keloiden in insgesamt 100 Patienten. Die Anwendung erfolgt einmal wöchentlich
in einer Konzentration von 50 mg/ml und einer Gesamtdosis von 50 – 150 mg pro Behandlung.
Es werden maximal 16 Injektionen durchgeführt. Die Ansprechrate beläuft sich auf ca.
50 %. Mögliche Nebenwirkungen beinhalten Injektionsschmerz, Hyperpigmentierungen,
Hautirritationen und Ulzerationen. Als Kontraindikationen sind unter anderem Anämie,
Leukopenie, Thrombozytopenie, Schwangerschaft, Knochenmarksdepression oder Infektionen
zu nennen. Systemische Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet. Der Einsatz
von lokal injiziertem Interferon-α2b führte in verschiedenen Studien zu einer signifikanten Verbesserung von Keloiden
und hypertrophen Narben [7]
[34]
[35]. Neben Injektionsschmerzen werden vor allem systemische Nebenwirkungen wie grippeähnliche
Symptome und Myalgien beschrieben. Obwohl inzwischen verschiedene Zentren im klinischen
Alltag mit den hier genannten Verfahren bereits gute Ergebnisse erzielen konnten,
werden diese in Deutschland bisher jedoch nicht standardmäßig eingesetzt ([Abb. 3]).
Abb. 3 Praktisches Vorgehen bei der Prophylaxe bzw. Behandlung von Keloiden in unserer Narbensprechstunde.
Ausblick
Die meisten der hier vorgestellten Methoden zur Behandlung von hypertrophen Narben
und Keloiden können bei richtiger Indikation relativ einfach angewendet werden. Dennoch
gibt es leider keine Standardtherapie für alle Narben, da viele verschiedene Faktoren
bei der Narbenentstehung und auch bei deren Abheilung eine Rolle spielen. Die meisten
der hier vorgestellten Methoden zur Behandlung von Keloiden können bei richtiger Indikation
relativ einfach angewendet werden und werden heutzutage häufig miteinander kombiniert.
Allerdings gelten nur wenige Methoden als allgemein anerkannt, obwohl auch unter den
derzeit noch nicht etablierten Therapieformen durchaus vielversprechende Ansätze vorhanden
sind. Erfolg versprechen Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichen Studie zum Einsatz
von rekombinanten TGF-β3 zur Verbesserung der Narbenqualität. Andere Forschungsgruppen
arbeiten an der Modulation des Östrogen-Rezeptors und der Suche nach bestimmten Genen,
die an der Entstehung von überschießenden Narben beteiligt sein könnten.