Intensivmedizin up2date 2011; 7(2): 101-122
DOI: 10.1055/s-0030-1256198
Allgemeine Prinzipien der Intensivmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hyponatriämie

Knut  K.  W.  Kampe, Stefan  Kluge
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Publication Date:
18 April 2011 (online)

Kernaussagen

Physiologische Regulation der Natriumkonzentration. Die Natriumkonzentration wird nicht durch Zufuhr oder Ausscheidung von Kochsalz, sondern durch Zufuhr oder Ausscheidung von Wasser reguliert. Zielparameter der intakten körpereigenen Wasserregulation ist einerseits die Osmolarität des Extra- und Intrazellulärraumes und andererseits die ausreichende intravasale Füllung. Bei der überwältigenden Mehrzahl der Hyponatriämien ist die Serumosmolalität erniedrigt. Zur Differenzierung der Ursache werden der Volumenstatus des Patienten und die Natriumausscheidung im Urin bestimmt.

Hypotone Hyponatriämie mit Hypovolämie (z. B. Blutung oder Diarrhoe). Bei der Behandlung dieser Patienten gelten folgende Grundüberlegungen: Patienten mit einer Hypovolämie haben sowohl einen Natrium- als auch einen Flüssigkeitsmangel. Bei diesen ist der Ausgleich der Hyponatriämie mit isotoner NaCl-Lösung möglich. Mit dem Ausgleich des Flüssigkeitsdefizits und dem Auffüllen des extrazellulären Volumens kommt es zu einer Unterdrückung der ADH-Ausschüttung, freies Wasser wird ausgeschieden und die Hyponatriämie bessert sich rasch. Die Gabe hyperosmolarer NaCl-Lösungen ist nicht indiziert.

Hypotone Hyponatriämie mit Euvolämie (z. B. SIADH). Hypotone Hyponatriämien mit normalem extrazellulären Volumen werden meist durch ein SIADH verursacht. Bei diesen Patienten steht der relative oder absolute Wasserüberschuss im Vordergrund. Dieser kann weder durch die Gabe von isotoner NaCl-Lösung noch durch die Gabe von hochkonzentrierter NaCl-Lösung beseitigt werden. Eine netto negative Wasserbilanz kann nur durch eine Flüssigkeitsrestriktion, eine kombinierte Gabe von Schleifendiuretika und konzentrierter NaCl-Lösung oder durch Antagonisieren der Wirkung von ADH erreicht werden.

Selektive V2-Vasopressin-Rezeptorantagonisten. Hyponatriämien, die auf einer Fehlsteuerung der ADH-Sekretion (SIADH) beruhen, kann man im Verlauf mit den erst kürzlich zugelassenen Vaptanen behandeln. Vaptane hemmen die Wirkung von ADH kompetitiv an der Niere. In Deutschland ist seit August 2009 Tolvaptan als erster oraler ADH-Antagonist zur Behandlung des SIADH zugelassen.

Hypotone Hyponatriämien mit Hypervolämie (z. B. Herzinsuffizienz, Leberzirrhose). Hypotone Hyponatriämien mit erhöhtem extrazellulärem Volumen sind in der Regel auf internistische Erkrankungen wie eine chronische Herzinsuffizienz, eine Leberzirrhose oder ein nephrotisches Syndrom zurückzuführen. Das Gesamtkörpernatrium ist aufgrund der ausgeprägten Ödeme erhöht. Auch hier ist daher die Wasserrestriktion in Kombination mit der Behandlung der Grunderkrankung das therapeutische Grundprinzip. Eine Substitution mit hypertoner NaCl-Lösung kommt nur bei neurologischen Symptomen infrage und ist mit der Gabe eines Schleifendiuretikums zu kombinieren.

Hypotone Hyponatriämien. Natriumsubstitution mit hochkonzentrierter Lösung nur bei neurologischer Symptomatik! Die Substitution mit hyperosmolarer NaCl-Lösung (3 % oder 20 %) ist nur bei schwerer, klinisch symptomatischer Hyponatriämie (Enzephalopathie, Krampfanfälle) indiziert, wenn die Wirkung einer Wasserrestriktion aufgrund des Vorliegens von neurologischen Störungen (Krampfanfälle, Koma) nicht abgewartet werden kann. Außerdem darf auch kein Volumenmangel vorliegen, da die Gabe hypertoner NaCl-Lösung die intrazelluläre Exsikkose weiter verstärkt.

Geschwindigkeit des Natriumausgleichs. Akut aufgetretene Hyponatriämien kann man zügig ausgleichen: Vertretbar ist anfangs ein rasches Anheben des Serumnatriums um 4 – 5 mmol/l (maximale Geschwindigkeit 1 mmol/l/h). Insgesamt sollte der Natriumspiegel in den ersten 24 h jedoch um maximal 12 mmol/l steigen. Die weitere Substitution führt man langsamer durch (maximal 8 – 10 mmol/l/d).

Risiko: zentrale pontine Myelinolyse. Chronische, länger als 48 hbestehende Hyponatriämien darf man grundsätzlich nur sehr langsam ausgleichen. Die Anstiegsgeschwindigkeit darf 8 – 10 mmol/l/d nicht überschreiten. Ein zu rascher Ausgleich eines Natriumdefizits kann zu schwersten neurologischen Schäden durch Demyelinisierungen im ZNS – insbesondere in der Brücke – führen (zentrale pontine Myelinolyse).

Isotone und hypertone Hyponatriämien. Ursache dieser Hyponatriämien ist eine Erhöhung osmotisch wirksamer Substanzen im Plasma. Sie bedürfen keiner Natriumsubstitution. Eventuell notwendige therapeutische Bemühungen richten sich auf die Behandlung der Ursache (z. B. einer Hyperglykämie, Hyperlipidämie oder Intoxikation mit Ethylenglykol) sowie das Absetzen ärztlich verabreichter, osmotisch wirksamer Substanzen wie Mannitol. Einen durch eine osmotische Diurese verursachten Volumenmangel sollte man ausgleichen.

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Dr. med. Knut Kampe

Klinik für Intensivmedizin
Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf

Martinistr. 52
20246 Hamburg

Email: k.kampe@uke.de

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