ergopraxis 2008; 01(7/08): 51
DOI: 10.1055/s-0030-1261250
profession & perspektiven

Ergotherapieschüler aus Tokushima – Besuch aus Japan

Annette Müller
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Publication Date:
07 July 2010 (online)

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Wenn zwei unterschiedlichste Kulturen aufeinandertreffen und eine ergotherapeutische Völkerverständigung entsteht, dann sind wieder japanische Ergotherapieschüler zu Gast in Augsburg.

Bereits zum zweiten Mal nahmen zehn Ergotherapieschüler aus Tokushima auf der kleinsten der vier Hauptinseln Japans den weiten Weg auf sich, um auf ihrer Abschlussfahrt deutsche Mitstreiter der Berufsfachschule für Ergotherapie des Beruflichen Fortbildungszentrums (bfz) Augsburg zu besuchen. Der zehnköpfige japanische Examenskurs hatte aufgrund positiver Rückmeldungen seiner Vorgänger im letzten Jahr ebenfalls beschlossen, nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz zu reisen. In den Nachbarländern stand die Besichtigung kultureller Sehenswürdigkeiten auf dem Programm, in Augsburg der Besuch der Ergotherapieschule. Ein Dozent der japanischen Berufsfachschule, der Leiter des Schulmanagements und eine Dolmetscherin begleiteten die Schüler Ende September auf dieser weiten Reise. Den Kontakt zum bfz Augsburg stellte die japanische Berufsfachschule über Verbindungen mit Mannheim her. Eine Reiseagentur organisierte die zehntägige Exkursion, für deren Kosten von etwa 3.000,– Euro pro Kopf die Schüler selbst aufkamen.

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Völkerverständigung beim Filzen

Nach der offiziellen Begrüßung durch die Augsburger Schulleiterin Dr. Silvia Mathes führten die deutschen Ergotherapieschüler des zweiten Ausbildungsjahres ihre japanischen Kollegen und deren Begleitpersonen durch die Berufsfachschulen für Ergotherapie und Physiotherapie des bfz Augsburg. Für eine weitestgehend reibungslose Kommunikation sorgte die mitgereiste Dolmetscherin. Anschließend hatten die japanischen Schüler die Möglichkeit, am Handwerksunterricht des zweiten Ausbildungsjahres teilzunehmen und gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen die Technik des Filzens zu erarbeiten. Trotz der Sprachbarrieren entstand ein fröhliches Miteinander, das sich in einem gemeinsamen Mittagessen fortsetzte.

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Man versteht sich: japanische und deutsche Ergotherapieschüler filzen gemeinsam. (Foto: K. Mayer)

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Ergotherapeuten in Japan Mangelware

Schüler und Dozenten tauschten sich interessiert über die Ausbildungssituation in den beiden Ländern aus. Die Besucher berichteten, dass angehende Ergotherapeuten in Japan ihren Beruf sowohl innerhalb einer dreijährigen Ausbildung an einer Berufsfachschule als auch in acht Semestern an einer Hochschule erlernen können. Die Ausbildung an der Berufsfachschule sei deutlich praktischer ausgerichtet. Das Handwerk, beispielsweise Weben und Arbeiten mit Papier, spielt hierbei eine wichtige Rolle. Laut Dozenten ist die Praxisorientierung bei den japanischen Schülern beliebter als die eher theoretische Ausrichtung des Studiums. Dieses bietet den Absolventen jedoch die Möglichkeit, später ein höheres Gehalt zu bekommen.

Als Voraussetzungen für die Ausbildung benötigen die Schüler einen High-School-Abschluss und müssen volljährig sein. Im ersten Schuljahr findet, ähnlich wie in Deutschland, der theoretische und fachpraktische Unterricht statt. Darauf aufbauend absolvieren die Schüler im zweiten Schuljahr ein dreiwöchiges Praktikum, in dem sie viel beobachten und noch nicht behandeln. Im dritten Schuljahr stehen zwei jeweils zweimonatige Praktika auf dem Stundenplan, in denen die Schüler in Aktion treten und durch regelmäßige Besuche von ihren Praktikumsbetreuern und den Anleitern vor Ort unterstützt werden. Die aktuelle Arbeitsplatzsituation in Japan sei sehr gut, alle Absolventen erhielten eine Arbeitsstelle. Die Dozenten berichten sogar von einem Mangel an Ergotherapeuten in Japan.

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Wiedersehen im nächsten Jahr

Am Nachmittag überreichten die japanischen Besucher den Dozenten und Schülern des bfz Augsburg kleine Präsente wie Origamipapiere oder Kunstkarten. Nach einem gemeinsamen Abschlussfoto und einer Verabredung für das nächste Jahr trennten sich die Wege wieder. Beide Seiten profitierten sehr von diesem Besuch. Sie konnten sich gegenseitig einen Einblick in die jeweilige Ausbildungssituation gewähren. Und wer weiß? Auch wenn es den Augsburger Schülern noch nicht möglich ist, im Rahmen einer Abschlussfahrt einen Gegenbesuch zu machen, vielleicht entschließt sich doch der eine oder andere, einmal Auslandserfahrungen in Japan zu sammeln.

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Man versteht sich: japanische und deutsche Ergotherapieschüler filzen gemeinsam. (Foto: K. Mayer)