Der Klinikarzt 2010; 39(6): 278
DOI: 10.1055/s-0030-1262342
Medizin & Management

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Kooperation von Klinik- und niedergelassenen Ärzten wichtig – Optimale Schmerztherapie durch Entlassungsmanagement

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Publication Date:
28 June 2010 (online)

 
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    Das Gesundheitssystem befindet sich im Umbruch. Krankenhausaufenthalte werden immer kürzer und Hausärzte übernehmen früher die Weiterbehandlung der Patienten. Somit gewinnt die nachstationäre Versorgung und damit die Vernetzung zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich immer mehr an Bedeutung. Wie ein effektives Entlassungsmanagement in Bezug auf die Schmerztherapie umgesetzt werden kann, erläutert Dr. med. Till Wagner, Chefarzt der Klinik für Schmerztherapie und Palliativmedizin, Medizinisches Zentrum StädteRegion Aachen GmbH, Würselen.

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    Dr. Till Wagner

    ? Herr Dr. Wagner, warum ist Entlassungsmanagement wichtig?

    Dr. Till Wagner: Ziel des Entlassungsmanagements ist es, dass der niedergelassene Arzt die in der Klinik begonnene Schmerztherapie weiterführt. Versorgungslücken bei Schmerzpatienten und daraus resultierende Wiedereinweisungen können so vermieden werden. Dafür ist es grundlegend, den Hausarzt zeitnah über die Therapie im stationären Bereich zu informieren. Diese Kommunikation führt zu einem besseren Verständnis für die von der Klinik empfohlene Schmerztherapie. Zudem wird der niedergelassene Kollege ermutigt, sich bei Fragen oder Schwierigkeiten im poststationären Bereich zunächst an den Klinikarzt zu wenden.

    ? Wieso profitieren besonders Schmerzpatienten von einem gut funktionierenden Entlassungsmanagement?

    Wagner: Für den Erfolg einer schmerztherapeutischen Behandlung ist es wichtig, dass Patienten Vertrauen in die Schmerztherapie haben. Dieses entsteht unter anderem durch eine gute Aufklärung über die Schmerztherapie. So erhält der Patient zum Beispiel eine realistische Einschätzung, welche Schmerzreduktion er erwarten kann und wie seine Therapie nach der Entlassung weitergeht. Durch die Zusammenarbeit von Klinikärzten und niedergelassenen Kollegen merkt der Patient zudem, dass er sich in einem gut strukturierten Netzwerk der Schmerztherapie befindet.

    ? Welche Bestandteile sollte ein effektives Entlassungsmanagement haben?

    Wagner: Vor allem in der Schmerztherapie beginnt das Entlassungsmanagement bereits vor der Aufnahme in die Klinik. Schon vorab besprechen wir mit dem einweisenden Kollegen telefonisch die Ziele des Klinikaufenthalts. Dabei erfahren wir, welche Untersuchungen im ambulanten Bereich durchgeführt wurden und ob es vorherige Krankenhausaufenthalte gab. Das vermeidet unnötige Doppeluntersuchungen. Erforderliche stationäre Untersuchungen können frühzeitig eingeplant werden und lange Wartezeiten auf Untersuchungen entfallen.

    Wichtig ist auch die Patientenaufklärung durch geschultes Pflegepersonal. Der Schmerzpatient sollte zum Beispiel wissen, dass er die Analgetika regelmäßig und nicht nach eigenem Ermessen einnehmen soll. Nur wenn er in der Klinik geschult wird, kann er das Gelernte zu Hause umsetzen. Bei Patienten, die sich nicht alleine versorgen können, beziehen wir die Angehörigen in die Aufklärungsgespräche und Schulungen ein. Insgesamt stellt sich dadurch eine höhere Patientenzufriedenheit ein, die Compliance steigt.

    Wesentlicher Bestandteil des Entlassungsmanagements ist zudem die Information des niedergelassenen Arztes über die im Krankenhaus durchgeführte Schmerztherapie, speziell die medikamentöse Therapie. Am besten ist es, den Patientenfall telefonisch zu besprechen. Zusätzlich erhält der niedergelassene Kollege einen vorläufigen Entlassbrief. Im Brief sind die Diagnosen und Therapien sowie die pathologischen Befunde aufgelistet. Wir erläutern, von welcher Therapie der Patient profitiert hat und welche nicht hilfreich war. Wesentlich ist die Angabe der Entlassungsmedikation und weshalb sie sich als vorteilhaft erwiesen hat. Auch eventuelle Unverträglichkeiten des Patienten zu anderen, bereits eingesetzten Medikamenten werden hier festgehalten. Wenn weitere Termine in der Klinik notwendig sind, werden auch diese im Brief vermerkt.

    ? Weshalb sollte die Entlassungsmedikation vor allem in der Therapie mit starken Opioiden auch im ambulanten Bereich beibehalten werden?

    Wagner: Opioide haben sehr unterschiedliche Wirk- und Nebenwirkungsprofile. Deshalb kommen Umstellungen von Opioiden häufig einer Neueinstellung gleich. Es können Komplikationen auftreten, wenn der Hausarzt nach dem Klinikaufenthalt die Medikation des Patienten umstellt. Diese äußern sich zum Beispiel durch stärkere Schmerzen oder höhere Nebenwirkungen. Nicht zuletzt wird der Patient verunsichert, wenn er von seinem Hausarzt ein Medikament mit einem anderen Wirkstoff oder Namen erhält. Eine Umstellung aus Kostengründen auf ein vermeintlich günstigeres Präparat kann sogar zu einem enormen Anstieg der Gesamtkosten führen. Denn es ist möglich, dass der Patient durch die Komplikationen erneut in die Klinik eingewiesen werden muss. Der sogenannte Drehtüreneffekt entsteht. Deshalb legen wir gerade bei stark wirksamen Opioiden großen Wert darauf, dass der niedergelassene Arzt das stationär verordnete Präparat weiterhin rezeptiert.

    ? Welche Rolle hat die Pflege beim Entlassungsmanagement?

    Wagner: Die Pflege übernimmt essenzielle Aufgaben. An unserer Klinik kümmert sich speziell ausgebildetes Pflegepersonal mit der Zusatzbezeichnung "Fachalgesiologische Assistenz" intensiv um die Schmerzpatienten. Die Pflegenden sind vor allem für die Beratung und Aufklärung der Patienten und ihrer Angehörigen zuständig. Zudem führen sie supportive Maßnahmen wie TENS durch und schulen die Patienten darin. So können die Patienten die Maßnahmen nach dem stationären Aufenthalt selbst umsetzen. Wenn nötig kümmern sich unsere Pflegekräfte auch um den Aufbau von Netzwerkstrukturen im ambulanten Bereich, um die bestmögliche nachstationäre Versorgung zu gewährleisten.

    Herr Dr. Wagner, wir bedanken uns für das Gespräch!

    Das Interview führte Melanie Strecker, Frankfurt a. M.

     
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    Dr. Till Wagner