Einleitung
Einleitung
Die superfizielle venöse Thrombophlebitis (SVT) ist durch Schmerzen, Verhärtung und/oder
Rötung einer oberflächlich verlaufenden Vene gekennzeichnet und wird durch eine Entzündung,
Infektion und/oder Thrombose derselben hervorgerufen. Die SVT ist im klinischen Alltag
mit einer Inzidenz von etwa 1:800-1000 Einwohner/Jahr relativ häufig (Cesarone MR
et al. Angiology 2007; 58: 7S-14S). Gemeinhin wurde für die SVT eine gute Prognose
angenommen, aber neuere Daten zeigen auf, dass Embolien, die von einer die SVT begleitenden
tiefen Venenthrombose ausgehen, häufig sind und/oder dass das Risiko für das Auftreten
einer tiefen Venenthrombose oder Lungenembolie in den Folgemonaten erhöht ist (van
Weer H et al. Fam Pract. 2006; 55: 52-57; Decousus H et al. Ann Intern Med 2010; 152:
218-224). Wir berichten über einen Verdachtsfall einer SVT und deren schwierige Differenzialdiagnose.
Fallbericht
Fallbericht
Eine 59-jährige Patientin mit Varikosis stellte sich aufgrund von Rötung, Schmerzen
und Schwellung ihrer linken Wade bei ihrem Hausarzt vor. Die Symptome waren aufgetreten,
nachdem sie für mehrere Stunden an ihrer Nähmaschine gearbeitet hatte. Alle Laboruntersuchungen
waren unauffällig und mittels Sonografie mit einer 3,5-MHz-Abdomensonde konnte eine
tiefe Venenthrombose ausgeschlossen werden. Aufgrund des Verdachts auf eine SVT wurden
topische Antiphlogistika appliziert. Bei Persistenz der Symptomatik wurde über 14
Tage ein Antibiotikum unter Annahme einer fokalen Infektion gegeben. Die Symptomatik
besserte sich nicht, sodass bei vermuteter Progression der SVT ein niedermolekulares
Heparin in einer mittleren Dosis für 4 Wochen verschrieben wurde. Nachdem bei der
Wiedervorstellung die Symptomatik weiter persistierte, wurde die Patientin einem Gefäßspezialisten
vorgestellt. Abb. [1] zeigt die Ansicht der symptomatischen Wade bei Vorstellung. Die hochauflösende Sonografie
zeigte keine Zeichen einer Thrombophlebitis, aber 2 subkutan gelegene, hyperechogene
gerade Strukturen (Abb. [2]). Bei der chirurgischen Exploration wurden 2 Teile einer Nähnadel gefunden
(Abb. [3]). Retrospektiv erinnerte die Patientin einen kurzen stechenden Schmerz während des
Nähens und den Verlust einer Nähnadel vor dem Beginn der Symptomatik. Die Heparin-Gabe
wurde gestoppt und nach Entfernung der Nadelfragmente verschwand die Symptomatik vollständig
innerhalb von 3 Wochen.
Abb. 1 Ansicht der linken Wade von dorsal mit diffuser Rötung und schmerzhafter zentraler
Induration.
Fig. 1 Dorsal view of the left calf with diffuse redness and a painful central induration.
Abb. 2 Hochauflösende B-Mode-Darstellung von 2 subkutanen geraden hyperechogenen Strukturen,
2 Teile einer gebrochenen Nähnadel.
Fig. 2 High-resolution B-mode imaging of 2 subcutaneous straight hyperechogenic structures,
2 parts of a broken stitching needle.
Abb. 3 Ein Teil der Nähnadel nach chirurgischer Exploration.
Fig. 3 One part of the stitching needle after surgical exploration.
Diskussion
Diskussion
Dieser Fall stellt die möglichen klinischen Schwierigkeiten und Fallstricke bei der
Diagnose einer SVT dar. Typische Zeichen wie lokales Spannungsgefühl, Schmerz und/oder
Rötung entlang einer oberflächlichen Vene begründen die Diagnose einer SVT vor allem
bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren, insbesondere Varikosis, welche bei 65
% -80 % der Patienten besteht. Die Symptomatik beginnt in der Regel relativ plötzlich
und häufig besteht ein palpabler, teils knotiger Strang als Hinweis auf einen Thrombus.
Eine sicherere Diagnose hinsichtlich einer venösen Thrombose ist mit Duplexsonografie
möglich, aber gemäß einiger Leitlinien ist eine Sonografie bei Patienten mit isolierter
superfizieller Phlebitis unterhalb des Knies und fehlenden zusätzlichen Risikofaktoren
für eine tiefe Venenthrombose nicht erforderlich (Fernandez L et al. Superficial Phlebitis.
www.uptodate.com, Stand: 9. 2. 2010). Zudem gibt es aktuell keine universell akzeptierte
Therapiestrategie für die SVT, insbesondere wenn das betroffene venöse Segment kurz
und unterhalb des Knies lokalisiert ist (Cearon C et al. Chest 2008; 133: 454S- 545S),
was teilweise den Wissensmangel um die Komplikationen und das resultierende Risiko
einer SVT widerspiegelt. Kompressionstrümpfe oder Bandagen gelten als Ecksteine der
SVT-Therapie, die generell etwas Schmerzerleichterung bringen. Definitive Empfehlungen
hinsichtlich Antikoagulation fehlen nach wie vor. Daten aus randomisierten klinischen
Studien, wie zum Beispiel die kürzlich präsentierte CALISTO Studie, werden dringend
erwartet, um diesen Punkt zu klären. CALISTO war eine randomisierte, doppelblinde,
Plazebo-kontrollierte Untersuchung an 3002 Patienten mit isolierter SVT. In dieser
Studie hatten Patienten, die mit einer täglichen Einmalgabe von 2,5 mg Fondaparinux
über einen Zeitraum von 45 Tagen behandelt wurden eine Reduktion von 82,5 % an thromboembolischen
Komplikationen oder Tod bis zum Tag 77 (Bauersachs R et al. Hämostaseologie 2010;
30: A4).
Der vorgestellte Fall illustriert, dass auch wenn klinische Symptome und Zeichen einer
einfachen SVT bestehen, diese die Diagnose der zugrunde liegenden Ursache verschleiern
können. Erysipel, Lymphangitis, Pannikulitis, Insektenbiss, Erythema nodosum, kutane
Polyarteriitis nodosa, sarkoides Granulom und Kaposi-Sarkom können mit einer superfiziellen
Phlebitis verwechselt und müssen ausgeschlossen werden. In der klinischen Untersuchung
wird das wahre Ausmaß der Thrombose oft unterschätzt. Daher, und auch in Bezug auf
kürzlich publizierte Studien, die zeigen, dass SVT keine vollständig gefahrlose Erkrankung
ist, sondern vielmehr ein substanzielles Risiko einer tiefen Venenthrombose (6-53
%) und einer Lungenembolie (0-10 %) birgt, sollte die Schwelle zu einer angemessenen
Duplexuntersuchung sehr niedrig gesetzt werden.
Ultraschall als diagnostisches Instrument - akkurat eingesetzt - hilft nicht nur,
eine tiefe Venenthrombose auszuschließen und die korrekte Diagnose einschließlich
der Ausdehnung einer SVT zu stellen, sondern hilft auch, die Ursache der SVT (Varikosis
oder nicht) abzuklären, was wiederum Einfluss auf weitere Untersuchungen und Behandlungsoptionen
hat.
Mangelhafte klinische Aufmerksamkeit des Untersuchers und eine Ultraschallsonde mit
niedriger Auflösung haben wahrscheinlich dazu beigetragen, dass im vorliegenden Fall
mit der "regulären" Ultraschalluntersuchung zwar eine tiefe Venenthrombose ausgeschlossen
werden konnte, aber die Fremdkörper nicht dargestellt wurden. Mit adäquater hochauflösender
Sonografie hätten zumindest 2 Wochen antibiotische Behandlung und 4 Wochen Antikoagulation
vermieden werden können.
Fazit für die Praxis
Fazit für die Praxis
Zusammenfassend zeigt dieser Fall, dass eine detaillierte Anamnese, klinische Untersuchung
und hoch-qualitative Duplexuntersuchung essenziell für die korrekte Diagnose einer
SVT sind. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Patienten mit SVT hat zusätzlich
eine tiefe Venenthrombose und/oder pulmonale Embolie. Die Schwelle zur duplexsonografischen
Untersuchung sollte daher niedrig gesetzt werden.
Introduction
Introduction
Superficial venous thrombophlebitis (SVT) refers to the clinical findings of pain,
tenderness, induration, and/or erythema in one of the superficial veins due to inflammation,
infection, and/or thrombosis. SVT is common in the general practice setting with a
reported incidence of one case per 800-1000 inhabitants per year (Cesarone MR et al.
Angiology 2007; 58; 7S-14S). SVT was thought to have a benign prognosis but recent
data suggest that many patients have concomitant deep venous thromboembolism at the
time of presentation and/or are at increased risk to develop deep vein thrombosis
or pulmonary embolism in subsequent months (van Weer H et al. J Fam Pract. 2006; 55:
52-57; Decousus H et al. Ann Intern Med 2010; 152: 218-224). We report a case of suspected
SVT and problems of differential diagnosis.
Case Description
Case Description
A 59-year-old woman with varicose veins presented to her family doctor with local
redness, pain and swelling of her left calf. The symptoms emerged after sitting at
her sewing machine for several hours. Blood chemistry was unremarkable and ultrasound
examination using a 3.5-MHz abdomen probe excluded a deep vein thrombosis. A superficial
thrombophlebitis was suspected and topical antiphlogistics were applied. On persistence
of symptoms a 2-week course of antibiotics was administered assuming a focal infection.
Symptoms did not relief and suspecting a progressive SVT low molecular weight heparin
was prescribed in intermediate dosage for 4-weeks. At follow-up symptoms persisted
and the patient was referred to a vascular specialist, Fig. [1] shows the dorsal view of the symptomatic calf at presentation. High-resolution sonography
showed no signs of a thrombophlebitis, but displayed 2 subcutaneous straight hyperechogenic
structures (Fig. [2]). Surgical exploration revealed 2 parts of a stitching needle (Fig. [3]). Retrospectively, the patient remembered a brief stabbing pain while sewing and
that a stitching needle was lost before onset of symptoms. Low molecular heparin was
stopped and after surgical removal of the needle fragments, complete remission of
symptoms occurred within three weeks.
Discussion
Discussion
This case demonstrates the clinical difficulties and pitfalls to diagnose SVT. Typical
findings of tenderness, pain and/or erythema along a superficial vein usually establish
the clinical diagnosis of SVT especially in patients with known risk factors, particularly
varicose veins which account for some 65 % to 80 % of cases. Symptoms/signs usually
occur relatively suddenly and there is often a palpable, sometimes nodular cord suggesting
the presence of a thrombus. A more definitive diagnosis of thrombus within the vein
is made with duplex ultrasound but some guidelines suggest that patients with an isolated
superficial phlebitis below the knee, with no other risk factors for DVT, may not
need ultrasound testing (Fernandez L et al. Superficial Phlebitis. www.uptodate.com,
date: February 9, 2010). In addition, there is currently no universally accepted therapeutic
strategy for SVT, especially where the affected venous segment is short in length
and below the knee (Cearon C et al. Chest 2008 133;454S-545S), in part reflecting
the lack of clarity about the nature and implicated risk of SVT. Compression stockings
or bandages are believed to be one cornerstone of SVT treatment, with usually some
relief of pain. Definitive recommendations with regard to anticoagulation are still
lacking. Data of randomized controlled trials are highly awaited to clear this issue,
e.g. recently presented data of the CALISTO trial, a randomized double-blind placebo-controlled
trial in 3002 patients with isolated SVT, showed a 82.5 % reduction of symptomatic
thromboembolic complications or death up to day 77 with once-daily fondaparinux 2.5
mg for 45 days (Bauersachs R et al. Hämostaseologie 2010; 30: A4).
The present case illustrates that clinical symptoms and signs may suggest simple SVT
but jeopardize the diagnosis of the underlying cause. Cellulitis, lymphangitis, panniculitis,
insect bite, erythema nodosum, cutaneous polyarteritis nodosa, sarcoid granuloma,
and Kaposi's sarcoma may be confused with superficial phlebitis and need to be ruled
out. In clinical practice physical examination often underestimates the real extend
of thrombosis and with regard to very recent publications, demonstrating that SVT
is not entirely benign and accompanied by a substantial percentage of deep vein thrombosis
(6-53 %) and pulmonary embolism (0-10 %) the threshold to perform an appropriate duplex
examination should be very low.
Ultrasound as diagnostic tool - accurately performed - is helpful not only to exclude
deep vein thrombosis and to establish the correct diagnosis and extent of SVT but
also may help to judge the cause for the SVT (varicosis or not) which may influence
further examinations and treatment options.
Lacking clinical alertness of the examiner as well as low resolution of the ultrasound
probe may have contributed to the fact that in our case "regular" sonography ruled
out DVT but failed to display the foreign particles. With appropriate early high resolution
duplex sonography, at least 2 weeks of antibiotic medication and 4 weeks of anticoagulation
could have been avoided.
Main Statements
Main Statements
In summary, this case illustrates that a detailed medical history, clinical examination
and high-quality duplex investigation are essential components to properly establish
the diagnosis of SVT. A substantial number of patients with SVT exhibit deep venous
thrombosis and/or pulmonary embolism, therefore the threshold to perform a duplex
sonography needs to be low.
H. Uthoff, A. Schwob, D. Staub, K. A. Jaeger, Basel
Email: uthoffh@uhbs.ch