Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(38): 1880-1881
DOI: 10.1055/s-0030-1263333
Korrespondenz | Correspondence
Frage aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Abklärung von Übergewicht, Hyperprolaktinämie und Verdacht auf Cushing-Syndrom

Evaluation of overweight, hyperprolactinaemia and suspected Cushing’s syndromeA. Iwen1 , H. Lehnert1
  • 1Medizinische Klinik I, Universität zu Lübeck
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Publication Date:
14 September 2010 (online)

Frage: Ein 17-jähriger Patient stellte sich wegen Strichen an der Bauchhaut in der hausärztlichen Praxis vor. Ansonsten war er beschwerdefrei. Im Bereich der Lenden und Hüfte beidseits zeigten sich rosa-livide Striae. Der Jugendliche wirkte proportioniert adipös (Größe 182 cm, Gewicht 94,6 kg, BMI 29 kg/m2; also formal noch nicht adipös). Es zeigte sich eine deutliche (Pubertäts-) Gynäkomastie und bei der flüchtigen Inspektion ein eher hypoplastisches Genitale. RR rechts 180/80, links 175/75 mm Hg.

Im Alter von 2 Jahren war ein Herzgeräusch aufgefallen, das vom Kinderarzt „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” als „akzidentell” eingestuft wurde; dies wurde 4 Jahre später im Deutschen Herzzentrum bestätigt. Unter dem Eindruck einer Sprachentwicklungsverzögerung wurde das Hörvermögen im Alter von 6 Jahren mit Ausschluss einer Hörstörung getestet. Der Patient erhielt daraufhin zwei Zyklen einer logopädischen Behandlung.

9 Jahre vor der Erstvorstellung waren ca. 2- bis 3-mal wöchentlich für ca. 2 Stunden heftige bifrontale Kopfschmerzen nebst Übelkeit und Phonophobie aufgetreten. Beide Großmütter litten unter Migräne. Anstrengung verstärke die Schmerzen nicht. Die Schmerzen wurden ein halbes Jahr später von einem Neurologen als Migräne ohne Aura beschrieben; das MRT des Schädels im darauffolgenden Monat war unauffällig.

Ein Allergie-Prick-Test im Alter von 10 Jahren wegen ausgeprägter afebriler Schnupfenneigung war unauffällig. Eine vom HNO-Arzt angeratene operative Intervention von Adenoiden nebst Tubenstörung beidseits wurde (von den Eltern des Kindes) nicht verfolgt.

Die Sonographie des Abdomens einen Monat nach Erstvorstellung war unauffällig (Nebennieren nicht erfasst). Die Laborbefunde einen Monat nach Erstvorstellung sind in Tab. [1] dargestellt.

Tab. 1 Laborbefunde des Hausarztes einen Monat nach Erstvorstellung. Parameter Werte des Patienten Normwerte Blutsenkungsreaktion 8/16 mm Hämoglobin [g/dl] 15,6 Glukose [mg/dl] 101 Kalium [mmol/l] 4,7 Thyroidea-stimulierendes Hormon [mIU/l] 1,77 0,35-5,00 Luteinisierendes Hormon [IU/l] 3,7 4,6 – 9,4 Follikel-stimulierendes Hormon [mIU/l] 9,1 1,1 – 13,7 Prolaktin [mIU/l] 694 44 – 375 Testosteron [µg/l] 3,23 2,41 – 8,30 Sexualhormon-bindendes Globulin [nmol/l] 11,0 13,0 – 71,0 Freier Androgenindex 101,89 ≥ 30,00 Kortisol (8 Uhr) [µg/l] 239,7 43 – 224 (7 – 9 Uhr) Kortisol (8 Uhr nach 1 mg Dexamethason um 11 Uhr Vortag oral) [µg/l] 26,1 keine Angabe

Zwei Monate nach der Erstvorstellung wurde der Patient an einen Internisten überwiesen. Bei der dortigen Untersuchung waren die in Tab. [2] aufgeführten Laborbefunde unauffällig. Die Blutsenkung betrug 3/12 mm, die Harnsäure lag mit 7,6 mg/dl über dem Normbereich (2,0 – 7,0). Der Durchschnittswert der Langzeitblutdruckmessung lag bei 139/73 mm Hg (Nachtabsenkung systolisch um 17 %, diastolisch um 22 %). Die Ultraschallechokardiographie war unauffällig, ein Hinweis auf einen Links-Rechts-Shunt ergab sich nicht. Auch zu diesem Zeitpunkt war die Sonographie des Abdomens unauffällig (keine Erwähnung der Nebennieren).

Tab. 2 Unauffällige Laborbefunde nach Überweisung an Internisten 2 Monate nach Erstvorstellung. Parameter Parameter Differentialblutbild GOT, GPT, GGT Gesamteiweiß Alkalische Phosphatase Kreatinin Pankreasamylase Gesamtcholesterin Glukose Triglyzeride TSH Natrium freies T3 Kalium freies T4 Kalzium Prolaktin Eisen Kortisol (8 Uhr) Bilirubin

Diagnostiziert wurden eine labile arterielle Hypertonie sowie eine alimentäre Adipositas. Dem Patienten wurde eine Körpergewichtsreduktion durch Aufnahme eines ausdauerbetonten körperlichen Trainings empfohlen. Gewicht- und Blutdruckkontrollen sollten regelmäßig erfolgen; eine Langzeitblutdruckmessung wurde 3–4 Monate später angestrebt.

Neun Monate später meldete der Patient sich zur Kontrolle (Größe 182,5 cm, Gewicht 97,5 kg, BMI 29,6 kg/m2). Er gab an, (zur Gewichtsabnahme) jetzt mit dem Fahrradfahren abends begonnen zu haben. Die Laborbefunde sind in Tab. [3] dargestellt. Ergebnisse der durchgeführten Langzeitblutdruckmessung:

Durchschnittlich 130/70 mm Hg Tagesdurchschnitt 131/71 mm Hg Nachtdurchschnitt 129/62 mm Hg (Nachtabsenkung systolisch um 1,5 %, diastolisch um 15,1 %)

Tab. 3 Laborbefunde bei Kontrolle 10 Monate nach Erstvorstellung. Parameter Werte des Patienten Normbereich Blutsenkungsgeschwindigkeit 6/13mm Hämoglobin [g/dl] 15,5 Glukose [mg/dl] 88 Kalium [mmol/l] 4,5 Thyroidea-stimulierendes Hormon [mIU/l] 3,52 0,35 – 5,00 luteinisierendes Hormon [IU/l] 4,5 4,6 – 9,4 Follikel-stimulierendes Hormon [mIU/l] 7,7 1,1 – 13,7 Prolaktin [mlU/l] 598 44 – 375 Testosteron [µg/l] 2,99 2,41 – 8,30 Sexualhormon-bindendes Globulin [nmol/l] 10,0 13,0 – 71,0 Freier Androgenindex 103,75 ≥ 30,00 Kortisol (8 Uhr) [µg/l] 184,0 43–224 (7 – 9 Uhr) Kortisol [µg/l] (8.30 Uhr nach 1 mg Dexamethason um 11 Uhr Vortag oral) 58,4 1 keine Norm angegeben 1 Hinweis des Labors: Nach Herstellerangaben wurde der Test restandardisiert, d. h. Patientenwerte fallen mit der neuen Standardisierung ca. 15 % niedriger aus)

Wie sollte weiter verfahren werden?

Literatur

  • 1 Gibney J, Smith T P, McKenna T J. The impact on clinical practice of routine screening for macroprolactin.  J Clin Endocrinol Metab. 2005;  90 3927-3932
  • 2 Klibanski A. Clinical practice. Prolactinomas.  N Engl J Med. 2010;  362 1219-1226
  • 3 Newell-Price J. et al . Cushing’s syndrome.  Lancet. 2006;  367 1605-1617

Dr. med. Alexander Iwen
Prof. Dr. med. Hendrik Lehnert

Medizinische Klinik I, Universität zu Lübeck

Ratzeburger Allee 160

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Phone: 0451/500-2306

Email: hendrik.lehnert@uk-sh.de

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