Im Jahre 2003 wurden in Deutschland erstmalig evidenz- und konsensusbasierte Stufe-3
(S-3)-Leitlinien zum Thema Brustkrebs publiziert und in 2008 aktualisiert [1], [2]
. Sie weisen neben den klinischen Behandlungsempfehlungen Qualitätsindikatoren aus.
Diese überprüfen, ob die Empfehlungen in der praktischen Versorgung der Patientinnen
tatsächlich umgesetzt werden. Entwickelt wurden sie durch die Leitlinienarbeitsgruppen
in Kooperation mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung
(BQS gGmbH). A. Reiter
[1]
, D. Wallwiener
[2]
, M. Dombrowski
[3]
, W. Schleiz
[4]
, U. S. Albert
[5]
Einleitung
Einleitung
Qualitätsindikatoren sind Kennzahlen, die - bezogen auf eine definierte Grundgesamtheit
- qualitätsrelevante Parameter ausweisen. Als solche sind sie häufig mit einem Referenz-
oder Zielwert versehen. So kann die Qualität der bewerteten Versorgung mit dem zu
erreichenden Zielwert verglichen werden.
Die BQS hat die Leitlinien-Indikatoren für die praktische Anwendung im stationären
Sektor einschließlich ihrer methodischen Überprüfung weiter entwickelt und bis einschließlich
2009 in Form von bundesweit einheitlichen Dokumentationsvorgaben umgesetzt. Ziel war
ein zunächst anonymer Qualitätsvergleich zwischen allen an der Versorgung von Brustkrebspatientinnen
beteiligten Krankenhäusern. Bei diesen Aufgaben wurde die BQS von einem interdisziplinären
Team an Fachexperten einschließlich Patientenvertreterinnen unterstützt. Die Beteiligung
von Leitlinienautoren gewährleistete eine Kohärenz und einen kontinuierlichen Austausch
zwischen Leitlinien und der vergleichenden Qualitätssicherung. Seit 2006 müssen alle
Krankenhäuser die Ergebnisse ausgewählter Indikatoren publizieren.
BQS-Indikatoren
BQS-Indikatoren
Die BQS hat im Bereich Brustkrebs insgesamt 6 Indikatoren zur Prozessqualität und
4 weitere zur Qualität der Indikationsstellung eingesetzt (Tab. [1]). Alle Indikatoren beziehen sich auf Statements aus den genannten Leitlinien. In
2008 mussten alle Krankenhäuser die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der 3 Indikatoren
"Intraoperatives Präparatröntgen", "Hormonrezeptor- und HER-2/neu-Analyse" und "Angabe
Sicherheitsabstand" informieren. Vor der Festlegung dieser Indikatoren für die öffentliche
Berichterstattung wurde deren methodische Qualität umfassend durch die BQS geprüft.
Zu diesem Zweck wurde eigens ein Instrument namens QUALIFY entwickelt [3]. Nur methodisch hochwertige Indikatoren sind geeignet, die Öffentlichkeit adäquat
zu informieren. Indikatoren, die den QUALIFY-Test nicht bestanden haben, liefern zwar
auch wichtige Informationen zur Qualität der Versorgung, bedürfen aber zusätzlicher
Kenntnisse - zum Beispiel des Case-mix eines Krankenhauses -, um die Ergebnisse angemessen
zu interpretieren.
Tab. 1: BQS-Indikatoren 2008 in der Mammachirurgie.
Die Qualität der Versorgung von Brustpatientinnen im Behandlungszeitraum 2008 wird
exemplarisch anhand der 3 berichtspflichtigen Indikatoren dargestellt. Aus Gründen
der statistischen Aussagekraft werden in diesem Artikel Ergebnisse für Krankenhäuser
nur dann dargestellt, wenn mindestens 20 Fälle in der Grundgesamtheit des jeweiligen
Indikators erreicht werden. Selbstverständlich gelten auch für Krankenhäuser mit kleinen
Fallzahlen gleiche Qualitätsanforderungen in der praktischen Umsetzung der Qualitätssicherung.
Intraoperatives Präparatröntgen
Intraoperatives Präparatröntgen
Dieser Indikator misst, ob bei stationären Patientinnen mit nicht tastbaren Brusttumoren
und präoperativer Befundmarkierung unter mammografischer Sicht, intraoperativ die
vollständige Tumorentfernung durch ein Präparatröntgen geprüft wird. In 94,2 % der
Fälle in Deutschland wurde ein Präparatröntgen dokumentiert. Die Gesamtergebnisse
zu diesem Indikator haben sich in den vergangenen Jahren in beeindruckender Weise
verbessert, bei gleichzeitig abnehmender Varianz (Gesamtergebnisse 2005: 65,0 %, 2006:
83,9 %, 2007: 91,2 %) (Abb. [1]).
Abb. 1 Verlaufsdarstellung Intraoperatives Präparatröntgen durch Box-and-Whisker-Plot
(Gesamtergebnisse aller Patientinnen: Rauten; Verteilung der Krankenhausergebnisse
mit mindestens 20 Fällen: Balken begrenzt durch 25 %- und 75 %-Perzentil, weiße Linien:
Median, Whiskers begrenzt durch 5 %- und 95 %-Perzentil, Sterne: Minimum und Maximum).
Ein Blick auf die Prozessleistung der einzelnen Krankenhäuser zeigt, dass 61 von 283
Kliniken mit mindestens 20 radiologisch gesteuerten Draht-Markierungen den Referenzbereich
von mindestens 95 % nicht erreichten (Abb. [2]).
Abb. 2 Rate an intraoperativen Praparatrontgen fur 283 Krankenhauser mit ≥ 20 Drahtmarkierungen
durch Mammografie.
Angabe Sicherheitsabstand
Angabe Sicherheitsabstand
Dieser Indikator misst, ob der Pathologe den minimalen Abstand zwischen dem Karzinom
und dem Resektionsrand exakt in mm angibt. In 96,1 % aller Fälle mit brusterhaltender
Therapie (BET) und in 93,2 % der Fälle mit Mastektomie wurde 2008 ein metrischer Sicherheitsabstand
dokumentiert. Die Versorgung hat sich im Vergleich zum Vorjahr (92,9 bzw. 88,1 %)
signifikant verbessert. Erstmalig wurde der Referenzbereich von mindestens 95 % für
den Sicherheitsabstand bei BET auf Bundesebene erreicht. Die auffälligsten Krankenhausergebnisse
lagen bei 22,7 bzw. 23,1 %. 120 von 499 bzw. 133 von 388 Krankenhäusern (mit mindestens
20 Fällen in der jeweiligen Grundgesamtheit BET bzw. Mastektomie) erreichten den Referenzbereich
nicht.
Hormonrezeptoranalyse und HER-2/neu-Analyse
Hormonrezeptoranalyse und HER-2/neu-Analyse
Dieser Indikator hat 2008 ergeben, dass bei 98,9 % aller Patientinnen mit invasivem
Mammakarzinom die Hormonrezeptoren immunhistochemisch analysiert wurden. 553 von 577
Krankenhäusern mit einer Behandlung von mindestens 20 Primärerkrankungen oder Rezidiven
erreichten den Referenzbereich von 95 %. Die erzielten Ergebnisse aller Krankenhäuser
lagen dabei zwischen 25,0 % bis 100,0 %.
Her-2/neu wurde bei 98,0 % aller Patientinnen mit einer Primärerkrankung bestimmt.
Im bundesweiten Durchschnitt wurde der Referenzbereich von mindestens 95 % also erreicht.
Auf der Ebene der Krankenhäuser haben 520 von 569 mit mindestens 20 Primärerkrankungen
die Vorgaben erfüllt. Das schlechteste Krankenhaus-Ergebnis betrug 23,8 %.
Wie kommen diese positiven Verläufe zustande? In den vergangenen Jahren sind eine
ganze Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität auf den Weg gebracht
worden. Von großer Bedeutung ist die Verfügbarkeit der S-3-Leitlinien, auf die sich
weitere Interventionen wie der Strukturierte Dialog mit auffälligen Krankenhäusern,
Zertifizierungsverfahren und Anstrengungen im Rahmen des internen Qualitätsmanagements
explizit beziehen können. Im Falle flächendeckend nicht zufriedenstellender Indikatorergebnisse
sind die BQS und ihre Fachexperten mit den zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften
in einen Dialog getreten. Strategien zur effizienten Umsetzung der betroffenen Leitlinienempfehlungen
wurden vereinbart. Nicht zuletzt hat die BQS durch die Publikation und Diskussion
der Ergebnisse im jährlichen Qualitätsreport und auch auf zahlreichen Fachkongressen
eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung mit unterstützt.
Diskussion
Diskussion
Anhand der ausgewerteten Indikatoren konnte im Verlauf der vergangenen Jahre eine
kontinuierliche Verbesserung der Prozessparameter für die Versorgung von Brustkrebspatientinnen,
gemessen an den Vorgaben der S-3-Leitlinien, festgestellt werden. Trotz dieser positiven
Nachricht gibt es weiterhin eine gewisse Anzahl an Krankenhäusern, die die Zielwerte
nicht erreichen. Hier sind weitere Anstrengungen aller an der Qualitätsverbesserung
Beteiligten unbedingt erforderlich.
Bei der Darstellung der erreichten Versorgungsqualität durch die BQS vermissen insbesondere
Patientinnen die Darstellung der für ihre Krankenhauswahl relevanten Ergebnisparameter
Mortalität, Rezidive und Lebensqualität. Diese sind in der Tat wichtige Qualitätsdaten.
Auch fehlen Angaben aus dem ambulanten Bereich wie z. B. der Qualität der adjuvanten
Therapie. Die Zukunft liegt in einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung der
gesamten Versorgungskette - von der Früherkennung bis zur Nachsorge - unter Einbeziehung
von Ergebnisindikatoren.
Aber auch im Falle der Verfügbarkeit von Mortalitätsdaten bleiben Prozessindikatoren
wichtigste Bausteine der Qualitätsförderung. Bei diesen muss die Evidenzbasierung
gewährleistet sein, d. h. die abgebildeten Prozesse müssen relevante Versorgungsergebnisse
wie Mortalität, Rezidive und Lebensqualität maßgeblich beeinflussen. Der Nachweis
dieses Zusammenhanges wird in den S-3-Leitlinien, die Empfehlungen für bestimmte Behandlungen
(d. h. Prozesse) geben, explizit auf der Grundlage wissenschaftlicher Studienergebnisse
und von klinischem Sachverstand erbracht. Ein wesentlicher Vorteil von Prozessindikatoren
besteht unzweifelhaft darin, dass erforderliche Qualitätsverbesserungen einfacher
und schneller identifiziert werden können. Bei Ergebnisindikatoren wie der Mortalität
ist eine Ursachenklärung unbefriedigender Krankenhausergebnisse häufig nicht mehr
möglich: Die Behandlung liegt meistens viele Jahre zurück, eine meist sehr aufwändige
Risikoadjustierung muss Einflussfaktoren wie das ursprüngliche Krankheitsstadium,
Alter und Begleiterkrankungen berücksichtigen. Nicht zuletzt sind die notwendigen
Konsequenzen aus Mortalitätsunterschieden häufig nicht eindeutig, da sich das therapeutische
Vorgehen durch eine Aktualisierung der Empfehlungen in der Zwischenzeit ohnehin verändert
hat. Daraus folgt, dass Prozess- und Ergebnisindikatoren 2 sich ergänzende, nicht
aber konkurrierende, Sichtweisen auf die Qualität der Versorgung sind.
Fazit
Fazit
Die Qualitätsindikatoren aus den S-3-Leitlinien zur Erkennung bzw. Behandlung von
Brustkrebs konnten in den gemessenen Bereichen eine kontinuierliche Verbesserung der
Versorgung von Brustkrebspatientinnen belegen. Nächstes Ziel muss eine Ergänzung der
Qualitätsdarstellung über die Sektorengrenzen hinaus unter Einbeziehung von Ergebnisparametern
sein. Die Praxis hat gezeigt, dass Leitlinien und Qualitätsindikatoren exzellente
Partner auf dem Wege der Qualitätsförderung sind.