Der Klinikarzt 2010; 39(7/08): 330
DOI: 10.1055/s-0030-1265247
Medizin & Management

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Leichenschau

Pflicht für jeden Klinikarzt
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Publication Date:
23 August 2010 (online)

 
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Bei einem Todesfall im Krankenhaus ist jeder Krankenhausarzt zur Leichenschau verpflichtet, bei einem Todesfall außerhalb des Krankenhauses jeder niedergelassene Arzt. Das ist allerdings in den einzelnen Bundesländern gelegentlich abweichend geregelt. In vielen Bundesländern sind Ärzte im Rettungsdienst von der Pflicht zur Leichenschau befreit und sollen sich auf die Todesfeststellung beschränken. Ordnungswidrig handelt, wer als Arzt vorsätzlich oder fahrlässig die Leichenschau ablehnt oder nicht ordnungsgemäß durchführt.

Die Feststellung des Todes, des Todeszeitpunkts, der Todesart und der Todesursache hat "unverzüglich" zu geschehen, erläuterte Prof. Erich Miltner, Leiter der Rechtsmedizin am Univ.-Klinikum Ulm, auf dem MedCongress Anfang Juli in Baden-Baden. Die Leichenschau und die Ausstellung der Todesbescheinigung haben mit großer Sorgfalt zu geschehen, denn mit der Ausstellung der Todesbescheinigung wird darüber entschieden, ob die Leiche ohne Kontrolle bestattet wird oder ob weitere Ermittlungen im Hinblick auf einen nicht natürlichen Tod erforderlich sind. Der Amtsarzt der Gesundheitsbehörde hat bei jedem Leichenschauschein die Pflicht, den Schein auf Plausibilität zu überprüfen. Darüber hinaus wird, außer in Bayern, eine zweite Leichenschau vor beabsichtigter Kremation durchgeführt.

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Äußere Leichenschau vor Ort

Die äußere Leichenschau vor Ort umfasst die vollständige Untersuchung der bekleideten und unbekleideten Leiche. Die Kleidung sollte möglichst ohne Beschädigung ausgezogen werden. Dabei ist immer auf Spuren an der Kleidung oder der Leiche zu achten, die für die polizeilichen oder staatsanwaltlichen Ermittlungen wichtig sind. Da auch die Haut Spurenträger ist, sollte sie möglichst wenig gesäubert werden. Zur Leichenschau braucht der Arzt laut Miltner im Wesentlichen Latex-Handschuhe sowie 2 Pinzetten für die notwendigen Untersuchungen.

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Bild: CD 73 HealthCare

Peter Fluck, Leitender Oberstaatsanwalt in Baden-Baden, wies darauf hin, dass die Leiche immer entkleidet werden muss, was nach seiner Erfahrung aber in 54 % der Fälle nicht geschieht. Ausnahme: Bei Verdacht auf nicht natürlichen Tod darf die Leiche nicht entkleidet werden.

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Feststellung des Todes

In der Praxis fußt die Todesfeststellung auf dem Nachweis mindestens eines der sicheren Todeszeichen: Totenflecke, Totenstarre, Fäulnis oder Verletzungen bzw. Zerstörungen, die mit dem Leben unvereinbar sind.

In den ersten 20 bis 30 Minuten nach Herzstillstand - also vor Ausbildung der ersten sicheren Todeszeichen - kann die Feststellung des Todes schwierig sein. Gleiches gilt beim Vorliegen einer Vita minima (Ursachen: Unterkühlungen, Elektrounfälle, metabolische Komata, Vergiftungen, hypoxische Hirnschädigungen u.a.). In solchen Fällen ist größte Vorsicht geboten. Es wird empfohlen, die Reanimation einzuleiten.

Als Kriterium für eine erfolglose Reanimation gilt das Scheitern der Wiederbelebung des Herzens. Die Herz-Lungen-Wiederbelebung kann im Allgemeinen dann abgebrochen werden, wenn nach 30 Minuten kein Erfolg (keine Spontanatmung, keine spontane Herztätigkeit) erkennbar ist und die Irreversibilität des Kreislaufstillstandes durch ein Null-Linien-EKG über einen längeren Zeitraum belegt ist. In manchen Fällen sind, insbesondere bei klinischer Effektivität der Maßnahmen, Verlängerungen der Reanimationszeit angezeigt; Ausnahmen gelten z. B. bei Verdacht auf allgemeine Unterkühlung, Intoxikation oder Beinahe-Ertrinken.

Wenn sichere Zeichen des Todes festgestellt sind, füllt der Arzt den Vordruck "Todesbescheinigung" aus.

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Verdacht auf nicht natürlichen Tod

Bestehen Zweifel, dass ein natürlicher Tod vorliegt, bzw. bei ungeklärter oder nicht natürlicher Todesart, ist die örtliche Polizeidienststelle zu verständigen. Bei Verdacht auf nicht natürlichen Tod oder bei Auffinden einer unbekannten Leiche muss die Polizei die Staatsanwaltschaft einschalten. Diese entscheidet über die Freigabe der Leiche oder ordnet eine Obduktion an, was laut Fluck in etwa 1% der Fälle geschieht.

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Probleme bei der ärztlichen Leichenschau

Aus Sicht der Rechtsmedizin führte Miltner eine Reihe von häufigen Problemen bei der ärztlichen Leichenschau auf: Die Handschrift ist häufig unleserlich, ebenso der Name des durchführenden Arztes. Es gibt keine Telefonnummer des Arztes; er ist nicht erreichbar. Offensichtliche Verletzungen an der Leiche sind nicht kommentiert, Stürze werden als natürlicher Tod bezeichnet. Die Diagnose Herz-Kreislauf-Versagen wird ohne Angabe der möglichen Ursachen gestellt. Bei den Diagnosen werden Kürzel oder Abkürzungen verwendet, die nicht sofort identifizierbar sind. Oftmals fehlt ein Hinweis, ob die Polizei schon vor Ort war.

Klaus Schmidt, Planegg

 
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Bild: CD 73 HealthCare