Rofo 2010; 182(11): 937
DOI: 10.1055/s-0030-1265728
Leserbrief

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Leserbrief zu Aktuell referiert - Pädiatrische Bildgebung: "Knochenszintigrafie stellt erhebliche Strahlenbelastung dar" von R. Ronge in Fortschr Röntgenstr 2010:182

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Publication Date:
04 November 2010 (online)

 

Zwar ist es aus nuklearmedizinischer Sicht durchaus erfreulich, dass auch in der RöFo nuklearmedizinische Publikationen referiert werden, jedoch sollte dies aus unserer Sicht mit einem Mindestmaß an fachlicher Kompetenz erfolgen. Dies ist im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben, da hier die Tumorszintigrafie mit Thallium-201 bei Kindern mit Osteosarkomen mit der Skelettszintigrafie mit Tc-99m markierten Phosphatverbindungen verwechselt wurde und dadurch der Tc-99m-Skelettszintigrafie eine hohe Strahlenexposition und damit ein erhebliches Risiko für Zweittumoren angedichtet wurde. Dies ist nicht nur ein unglücklicher Fehler, sondern es kann auch eine negative klinische Konsequenz zur Folge haben, wenn die in der AWMF-Leitlinie der GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie) für die Behandlung der Osteosarkome als obligater Bestandteil der Diagnostik und der Therapiekontrolle festgelegte Skelettszintigrafie aufgrund dieser falschen Informationen nicht angewendet wird. Der Beitrag in Aktuell referiert bezieht sich auf eine retrospektive Studie, die von S. Kaste et. al. im Department of Radiological Sciences, St. Jude ChildrenŽs Research Hospital in Memphis durchgeführt und im American Journal of Radiology 2010 publiziert wurde. Dabei wurden die Daten von im Rahmen eines Therapieprotokolles durchgeführten Thallium-201-Tumorszintigrafien ausgewertet und erhebliche Strahlenexpositionen der betroffenen Kinder von 186 bzw. 215 mSv bestimmt und daraus ein deutlich erhöhtes Risiko für Zweittumoren der betreffenden Kinder abgeleitet.

Dabei ergibt sich die Frage der ethischen Rechtfertigung dieses Therapieprotokolles, da sowohl die Strahlenexposition durch die Thallium-201-Tumorszintigrafie als auch die potentielle Erhöhung der Zweittumorrate durch diese Strahlenexposition bereits vorher bekannt waren und nicht erst retrospektiv hätten ermittelt werden müssen, zumal das entsprechende Therapieprotokoll bereits 2003 aus eben diesen Gründen eingestellt worden war.

Zur fachlichen Klarstellung:

Bei der Thallium-201-Szintigrafie handelt es sich um eine Tumorszintigrafie, bei der der Tracer - ein Calcium-Analogon - vom gesunden Knochen und Knochenmark nur in sehr geringem Maße aufgenommen, von Osteosarkomen jedoch intensiv gespeichert wird.

Bei der Skelettszintigrafie wird ein mit Tc-99m-markiertes Phosphonat verwendet, welches an die Knochenmatrix absorbiert und so den Knochenstoffwechsel widerspiegelt, dieser ist in Osteosarkomen deutlich gesteigert.

Die Skelettszintigrafie mit Tc-99m-Phosphonatverbindungen ist ein Routineverfahren mit sehr geringer Strahlenexposition, welches bei Erwachsenen und Kindern für verschiedene Fragestellungen eingesetzt wird. Die Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt die Skelettszintigrafie unter Berücksichtigung der klinischen Nützlichkeit und der Strahlenexposition unter anderem bei einer Vielzahl von Tumorentitäten zum Staging. Kürzlich wurden zu dieser Fragestellung aktuelle Guidelines der EANM von Stauss et al. veröffentlicht. In dieser Publikation wird bezogen auf die ICRP 80 die Strahlenexposition für ein einjähriges Kind mit 10 Kilogramm mit 2,6 mSv, für ein fünfjähriges Kind mit 20 Kilogramm mit 2,4 mSv und für ein fünfzehnjähriges Kind mit 40 Kilogramm mit 2,2 mSv effektive Dosis angegeben. Für die Tl-201-Szintigrafie wurden in der Publikation von Kaste et al. als effektive Dosis 62 mSv pro Untersuchung bei Jungen und 72 mSv bei Mädchen errechnet. Dabei muss angemerkt werden, dass die in den USA verwendeten Aktivitätsmengen generell - wie auch hier bei der Thallium-201-Szintigrafie - deutlich höher als in Europa liegen, sodass die in der angeführten Publikation geäußerte Schlussfolgerung "Development of new technologies and imaging techniques to effectively image with smaller radionuclide doses would minimize the potential risk of late cancers" in den Nuklearmedizinisch-pädiatrischen Zentren in Europa längst realisiert wurden.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Strahlenexposition einer Skelettszintigrafie beim Kind nur ein Minimum der Strahlenexposition einer Thallium-201-Szintigrafie beträgt und in der gleichen Größenordnung wie die natürliche jährliche Strahlenexposition liegt.

Da es sich bei der Strahlenexposition von Kindern um ein in der Bevölkerung und insbesondere bei den betroffenen Eltern außerordentlich sensibles Thema handelt, erwarten die Autoren im Sinne der Betroffenen eine Klarstellung z. B. durch Publikation dieses Leserbriefes unter der Rubrik Aktuell referiert.

Literatur

  • 01 Ronge R. Knochenszintigrafie stellt erhebliche Strahlenbelastung dar.   Fortschr Röntgenstr . 2010;  182
  • 02 Kaste SC, Waszilycsak GL, McCarville MB, Daw NC. Estimation of Potential Excess cancer Incidence in Pediatric Tl-201 Imaging.  AJR. 2010;  194 245-249
  • 03 Bielack S. Osteosarkom, AWMF-Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie.  http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/025-005.htm [Stand 06/2008]
  • 04 Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. . Orientierungshilfe für radiologische und nukleramedizinische Untersuchungen, verabschiedet in der 208. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 11./12. Juli 2006.  Heft 51. Verlag h Hoffmann, Berlin (2006)
  • 05 Stauss J, Hahn K, Mann M, De Palma D. Guidelines for paediatric bone scanning with Tc-99m-labelled radiopharmaceuricals and F-18-fluoride.  Eur J Nucl Mol Imaging. 2010;  37 1621-1628
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