ergopraxis 2010; 3(9): 13
DOI: 10.1055/s-0030-1265874
wissenschaft

Wissenschaft erklärt: Stratifizierung – Wie man unterschiedliche Voraussetzungen ausgleicht

Jan Mehrholz
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Publication Date:
02 September 2010 (online)

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Nehmen Klienten mit unterschiedlichen Voraussetzungen an einer Studie teil, kann das die Ergebnisse maßgeblich beeinflussen. Mithilfe der Stratifizierung können Forscher diese Unterschiede relativieren.

Die zu untersuchenden Klienten einer Studie sollten über möglichst vergleichbare Voraussetzungen verfügen. Denn dann kann man die Ergebnisse einfacher auf andere Klienten übertragen. Sind sich Forscher darüber bewusst, dass ihre Teilnehmer unterschiedliche Startbedingungen aufweisen, die das Ergebnis beeinflussen könnten, dann können sie das mithilfe einer Stratifizierung berücksichtigen.

Ein Beispiel: Forscher möchten untersuchen, wie sich zwei verschiedene Interventionen auf die Armfunktion bei Klienten nach einem Schlaganfall auswirken. Sie möchten ein Krafttraining (Intervention A) mit einem Koordinationstraining (Intervention B) vergleichen. Da sie davon ausgehen, dass sich eine Armparese besser erholt, wenn die Sensibilität der oberen Extremität erhalten ist, verlassen sie sich nicht nur auf eine Zufallseinteilung (Randomisierung) der Studienteilnehmer. Denn dabei könnte es passieren, dass sich in einer Interventionsgruppe mehr Klienten mit beeinträchtigter Sensibilität und damit schlechterer Prognose befinden als in der anderen Gruppe. Dieser Umstand kann das Studienergebnis maßgeblich beeinflussen – positiv oder negativ. Daher führen die Forscher vor der Randomisierung eine Stratifizierung durch. So erhalten sie möglichst vergleichbare Klientengruppen. Dazu verteilen sie zunächst alle Teilnehmer anhand ihrer Basisdaten auf zwei Gruppen – auf „Sensibilität vorhanden” (Gruppe 1) und „Sensibilität nicht vorhanden” (Gruppe 2). Anschließend weisen sie jeweils die Hälfte der Probanden von Gruppe 1 und 2 per Zufall einer der beiden Interventionen zu. Insgesamt ergeben sich so vier Gruppen: Gruppe 1/Intervention A, Gruppe 1/Intervention B, Gruppe 2/Intervention A, Gruppe 2/Intervention B. (Abb.).

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Clevere Einteilung der Studienteilnehmer: Mit einer Stratifizierung vereinheitlichen Forscher die Startbedingungen der Probanden und erhöhen die Qualität der Studie. (Grafik: H. Hübner)

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Üblich sind maximal zwei Stratifizierungen

In den meisten Studien müssen die Forscher mehrere Startbedingungen der Teilnehmer beachten. Im genannten Beispiel wäre auch eine Einteilung in „Linkshänder” und „Rechtshänder” oder in „schwere Parese” und „leichte Parese” denkbar. Üblicherweise führen die Forscher eine, maximal zwei Stratifizierungen durch. Passend zum Thema und zum Ziel der Studie sollten sie sich daher für die wichtigsten Faktoren entscheiden. Des Weiteren sollten sie bei einer stratifizierten Studie darauf achten, dass sie die Ergebnisse der einzelnen Gruppen am Ende getrennt voneinander auswerten. Das nennt man in der Statistik eine geplante Auswertung nach Strata oder eine stratifizierte Auswertung.

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Vorsicht vor „Datenfischerei”

Eine Stratifizierung sollte man vor der Zufallseinteilung durchführen. Forscher haben aber auch die Möglichkeit, sie erst ganz am Ende der Studie vorzunehmen. Voraussetzung dafür sollte jedoch sein, dass sie dieses Vorgehen bereits vor Studienbeginn festgelegt haben. Das ist aber nicht immer der Fall. Denn in einigen Studien nehmen die Forscher nach Interventionsabschluss zahlreiche Auswertungen vor, die zu Beginn so nicht geplant waren. Genau genommen ist das ein unwissenschaftliches Vorgehen, welches in der Statistik auch als „Daten fischen” bekannt ist. Denn: Im Nachhinein findet man immer irgendetwas – wenn man nur lange genug sucht.

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Die Studienqualität erhöhen

Mit einer Stratifizierung haben Forscher die Möglichkeit, ihr Fachwissen sinnvoll vor Studienbeginn einzusetzen bzw. es in die Studie einfließen zu lassen. Sie wissen zum Beispiel, dass Sensibilitätsstörungen das Behandlungsergebnis beeinflussen. Mit einer Stratifizierung steht ihnen also ein statistisches Instrument zur Verfügung, das die Qualität einer Studie verbessert und eindeutigere Ergebnisse erzeugt.

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Clevere Einteilung der Studienteilnehmer: Mit einer Stratifizierung vereinheitlichen Forscher die Startbedingungen der Probanden und erhöhen die Qualität der Studie. (Grafik: H. Hübner)