Rofo 2010; 182(10): 918-919
DOI: 10.1055/s-0030-1267314
DRG-Mitteilungen
Radiologie & Recht
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Zur Mindestausstattung einer medizinischen Universitätsprofessur im Bereich der Krankenversorgung

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Publication Date:
04 October 2010 (online)

 
Table of Contents #

Einführung

Der Kostendruck im Bereich der medizinischen Hochschulen und Universitätskliniken wächst. Insbesondere aufgrund der zunehmend schwierigen Haushaltssituation der meisten Bundesländer versuchen die Vorstände von Universitätsklinika mit der Unterstützung der Landespolitik Forschung, Lehre und Krankenversorgung weiter zu rationalisieren, wobei einzelne Maßnahmen durchaus Rationierungstendenzen zeigen. Einzelne Kliniken, Institute und andere Einrichtungen werden zusammengelegt oder aufgelöst, bestimmte Aufgabenbereiche herausgetrennt und anderen Abteilungen zugeschrieben. In der Röfo 12/2009 wurde bereits über die Auswirkungen solcher Umstrukturierungen auf die Privatliquidation des medizinischen Hochschullehrers berichtet. Dieser Beitrag setzt sich mit der Mindestausstattung einer medizinischen Hochschulprofessur im Bereich der Krankenversorgung und der besonderen und oftmals verkannten Bedeutung des Fachbereichsrats Medizin auseinander. Anlass hierfür ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10.06.2006 (Az. 15 B 2574/06).

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Sachverhalt

In dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen hatte ein Facharzt für Nuklearmediziner das Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersucht, der ihm gewährt wurde. Der Antragsteller war ordentlicher Professor für Nuklearmedizin am Fachbereich Medizin einer Universität und zugleich Leiter der nuklearmedizinischen Klinik an dem betreff enden Universitätsklinikum.

Bereits im Jahr 2006 war von Seiten eines Universitätsklinikums beschlossen worden, dass von 2 bestehenden Bettenstationen, von der 1 Bettenstation sich auf dem Gelände des Universitätsklinikums und eine weitere an einem ca. 45 km entfernten Ort befand, die Bettenstation auf dem Gelände des Universitätsklinikums geschlossen werden sollte. Der Entschluss des Vorstands des Universitätsklinikums erfolgte ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Anstelle der nuklearmedizinischen Bettenstation sollte und wurde während des Gerichtsverfahrens eine Palliativstation geschaff en. Die Schließungsentscheidung führte dazu, dass die nuklearmedizinische Klinik des betroff enen Hochschullehrers die einzige in Deutschland war, in der keine Risikopatienten stationär behandelt werden konnten. Der Beschluss des Vorstands des Universitätsklinikums erfolgte ohne Herstellung des Einvernehmens des Fachbereichsrats Medizin des Universitätsklinikums.

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Recht auf aufgabengerechte Grundausstattung

Das Oberverwaltungsgericht stellte fest, dass der betroff ene Arzt sowohl in seinem Recht auf aufgabengerechte Grundausstattung als auch in seinem Recht auf verfahrensförmige Gewährleistung individueller Forschungsfreiheit, beides folgt aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz, betroff en ist. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpfl ichtet den Staat zu Schutz und Förderung und gewährt dem in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öff entlichen Ressourcen. Aus der Wertentscheidung dieser Norm erwächst dem einzelnen Grundrechtsträger ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen auf organisatorische Art, die zum Schutz eines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes unerlässlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen.

Dieser Anspruch auf Teilhabe an der wissenschaftlichen Forschung führt indes nicht soweit, dass der Maßstab der Ausstattung sich nach den Vorstellungen des jeweiligen Hochschullehrers richtet. Daneben besteht auch kein Rechtssatz, dass der einmal gewährte Bestand in der Zukunft ungeschmählert aufrechterhalten bleiben muss. Sichergestellt werden muss aber bei medizinischen Hochschullehrern eine Mindestausstattung, die unerlässlich ist, um in dem jeweiligen Fachgebiet wissenschaftliche Forschung und Lehre betreiben zu können. Dabei dürfen die aus Art. 5 Abs. 3 GG folgenden grundrechtlichen Verbürgungen bei seiner Tätigkeit in der Krankenhausbehandlung und -versorgung nicht ausgeklammert werden. Vielmehr muss ihnen Rechnung getragen werden, soweit Forschung und Lehre in die sonst selbstständige Aufgabe der Krankenversorgung übergreift. Insoweit gilt es, in Blick zu nehmen, dass die in der Krankenversorgung gewonnenen Erkenntnisse eine wichtige Grundlage für die Forschung und Lehre im medizinischen Bereich bilden. So sieht z.B. § 91 Abs. 2 des thüringischen Hochschulgesetzes vor, dass die Krankenversorgung sich an der Forschung und Lehre ausrichten soll.

Die eigene Wahrnehmung dürfte dagegen im Regelfall gegenteilig sein: Forschung und Lehre richten sich an der Krankenversorgung aus. Letzteres ist nicht nur nach den Hochschulgesetzen der Länder nicht die primäre Aufgabe eines Universitätsklinikums, sondern nur unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Optimierung des Betriebes des Universitätsklinikums zu verstehen, an der der Klinikumsvorstand in einem nicht unerheblichem Umfang gemessen wird. Dem Grundrechtschutz aus Art. 5 Abs. 3 GG kommt gerade in diesem Schnittmengenbereich zwischen Forschung und Lehre auf der einen Seite und der Krankenversorgung auf der anderen Seite eine besondere Bedeutung zu. Nach Feststellung des Oberverwaltungsgerichts konnte die verbleibende Bettenstation die notwendigen Voraussetzungen für eine ausreichende stationär gestützte Forschung des Hochschullehrers nicht gewährleisten, weil sie eine Betreuung von Risikopatienten sowie eine darauf aufbauende Forschung und Lehre eben nicht ermöglicht und der medizinische Hochschullehrer damit in seinem Anspruch auf aufgabengerechte Grundausstattung betroff en ist.

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Außendarstellung des Klinikums entscheidend

Das Oberverwaltungsgericht betrachtete zunächst neutral die Außendarstellung des Universitätsklinikums und stellte dabei fest, dass ein unbefangener Dritter annimmt, dass ein Universitätskrankenhaus dazu in der Lage sei, multimorbiden Patienten erforderliche Betreuung angedeihen zu lassen sowie die in diesem Zusammenhang erforderliche klinische Forschung insbesondere von neuen Therapieansätzen zu ermöglichen. Die akademische Forschung und Lehre in diesem medizinischen Bereich lässt sich ohne Arbeit und Demonstration am Krankenbett nach dem Dafürhalten des Gerichts kaum durchführen. Das Oberverwaltungsgericht kam letztlich zu dem Schluss, dass die stationäre Betreuung von Risikopatienten in einer nuklearmedizinischen Universitätsklinik zur aufgabengerechten Grundausstattung des Lehrstuhlinhabers gehört.

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Anforderungen an das Einvernehmen des Fachbereichrats Medizin

Das Einvernehmen des Fachbereichrats Medizin war im Laufe des Verfahrens von dem Vorstand des Universitätsklinikums eingeholt worden. Interessanterweise stellte dabei aber das Oberverwaltungsgericht nicht auf das rein formell vorliegende Einvernehmen ab, sondern maß das vorliegende Einvernehmen daran, ob dieses dem grundrechtswahrenden Gehalt der Verfahrensbestimmung des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes zugunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wurde. Gerade dies konnte das Gericht aber nicht feststellen. Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigen Belange vorausgehen. Dabei muss die Abwägung insbesondere für den von ihr betroffenen Hochschullehrer hinreichend dokumentiert sei. Denn nur so wird er in die Lage versetzt, die Gründe für die Herstellung des Einvernehmens entweder nachzuvollziehen oder die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes einzuschätzen. Ein Blick in das Protokoll der Dekanatssitzung führte dazu, dass ersichtlich wurde, dass dort nicht alle vorliegenden Informationen für die Entscheidung herangezogen wurden. Dies wäre aber für eine interessengerechte Abwägung zwingend erforderlich gewesen. Daneben fehlte es an einer Berücksichtigung der Abwägung der Schließungsverfügung gegenüber den Interessen des betroffenen medizinischen Hochschullehrers.

Letztlich musste das Universitätsklinikum die nuklearmedizinische Bettenstation am Ort des Universitätsklinikums wieder einrichten. Ein Bezug der früheren Räume war nach dem Einzug der Palliativstation zwar nicht mehr möglich, aber andere geeignete Räumen mussten geplant und kurzfristig geschaffen werden.

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Zentrale Bedeutung des Fachbereichrats Medizin

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen baut auf 2 frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die von dem gleichen medizinischen Hochschullehrer bereits erwirkt worden waren. Immer wieder verkennen die Vorstände der Universitätsklinika die Bedeutung des Fachbereichsrats Medizin und der Universitität. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 11.11.2002 – 1 BvR 2145/01) hatte bereits vor dem Beginn der meisten Organisationsmaßnahmen den Universitätsklinika hervorgehoben, dass der Fachbereichsrat gewährleistet, dass die Universitätsprofessoren auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen Einfluss nehmen können.

Das Einvernehmenserfordernis ist die Sicherungsfunktion gerade für die individualrechtliche Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers einschließlich der Sicherstellung der mit der Übertragung eines medizinisches Fachs zu gewährenden Mittelausstattung. Der einzelne an der Krankenversorgung teilnehmende Universitätsprofessor hat daher einen grundrechtlich geschützten Anspruch, dass Organisationsmaßnahmen des Universitätsklinikums im Bereich der Krankenversorgung, soweit diese Forschung und Lehre betreffen, nicht ohne das zur Sicherung seiner wissenschaftlichen Belange erforderliche Einvernehmen des Fachbereichsrats und damit unter Wahrung seiner insoweit bestehenden Einflussmöglichkeiten auf den organisierten Wissenschaftsbetrieb erfolgen. Der konkrete Umfang der Mittelausstattung bedarf entsprechender Festlegungen durch den für Angelegenheiten von Forschung und Lehre zuständigen Adressaten, so das Bundesverfassunggericht, also der Universität und dem Fachbereichsrat Medizin. Denn der über den grundrechtlichen Anspruch auf freie wissenschaftliche Betätigung hinausgehende Anspruch auf Teilhabe an den zur Verfügung stehenden Forschungsmitteln ist Ausdruck einer im organisierten Wissenschaftsbetrieb stattfindenden Koordination der grundrechtlich gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit aller in einem Fachbereich tätigen Hochschullehrer. Für die Verwirklichung der individual-grundrechtlichen Schutzgehalte der Wissenschaftsfreiheit ist die Wahrung des erforderlichen Einvernehmens daher von zentraler Bedeutung.

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Fazit

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Vorhaltung einer medizinischen Abteilung seitens eines Universitätsklinikums voraussetzt, dass dem ärztlichen Leiter der Abteilung die für die Erfüllung der medizinischen Aufgaben erforderliche Ausstattung in medizinisch-technischer, personeller und räumlicher Hinsicht seitens der Klinikverwaltung zur Verfügung gestellt werden müssen. Werden seitens der Klinikverwaltung Maßnahmen getroffen, die das Recht auf aufgabengerechte Grundausstattung einschränken, ist ein frühes Einschreiten des betroffenen medizinischen Hochschullehrers ratsam. Der persönliche Kontakt zu den Mitgliedern des Fachbereichsrats Medizin ist für einen von einer drohenden Organisationsmaßnahme betroffenen medizinischen Hochschullehrer unerlässlich, um einerseits rechtzeitig Kenntnis von einer anstehenden Veränderung zu erhalten und andererseits seine eigene Position in Forschung und Lehre erschöpfend darzustellen. Aus der Darstellung der betriebenen Forschung und des drohenden Abbruchs laufender Forschungsprojekte daneben des Einflusses auf die Lehre, wie zum Beispiel mangelnde Demonstrationen, ergeben sich zwangsläufig notwendige Ausstattungsmittel des jeweiligen Fachs. Der Fachbereichsrat muss sich vor der Entscheidung mit den ihm bekannten Aspekten einer Organisationsmaßnahme auseinandersetzen, um eine für den betroffenen medizinischen Hochschullehrer nachvollziehbare und dokumentierte Entscheidung treffen zu können.

Wenn das Ergebnis dieser Entscheidung zu einem inakzeptablen Nachteil eines medizinische Hochschullehrers führt, dann sind die Informationen, die dem Fachbereichsrat Medizin vorlagen und der Inhalt der Beratungen entscheidend für den Erfolg eines Rechtsstreits.

René T. Steinhäuser, Rechtsanwalt

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