Invasive Candida-Infektionen stellen für schwer kranke Patienten ein massives Problem
dar. Dies zeigt sich in der hohen Mortalität, die bis zu 50 % betragen kann. Die wichtigsten
Risikofaktoren sind die Schwere der Grunderkrankung, Immunsuppression sowie verspätete
oder inadäquate Therapie. Eine relativ neue und erfolgreich bei invasiven Candida-Infektionen
eingesetzte Gruppe semisynthetischer antimykotischer Substanzen sind die Echinocandine.
Sie attackieren den Pilz durch nicht-kompetitive Inhibition der 1,3-b-D-Glucan-Synthese,
was zum Zusammenbruch der Zellwand und zum Tod der Pilzzelle führt. Es sind keine
Kreuzresistenzen zu älteren Antimykotika bekannt. Primäre Resistenzen wurden in Einzelfällen
beschrieben, das Potenzial für sekundäre Resistenzen wird als gering eingestuft. "Echinocandine
zeigen auch keine antagonistischen Effekte, wenn sie in Kombination mit Amphotericin
B oder Azolen eingesetzt werden", so Prof. Dr. Andreas Groll, Zentrum für Knochenmarktransplantation
und Abteilung für pädiatrische Hämatologie/Onkologie der Universitätskinderklinik
Münster. Gegenwärtig sind Anidulafungin, Caspofungin und Micafungin zugelassen. Das
antimykotische Spektrum umfasst neben Candida albicans auch alle anderen Candida-Spezies.
Bei diesen Infektionen haben Anidulafungin und Caspofungin Erstlinienindikation.
Penicilline unter den Antimykotika?
Penicilline unter den Antimykotika?
"Die Echinocandine haben sehr günstige pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften.
Sie sind sehr gut verträglich, weil sie keine durch ihren Wirkmechanismus bedingte
Toxizitäten aufweisen. Die Entwicklung dieser Substanzen ist eine wichtige Innovation
mit deutlichem Einfluss auf die Therapiepraxis", sagte Groll. Anidulafungin fällt
dabei durch eine stabile Ringstruktur und eine einzigartige, lipophile Seitenkette
auf. Diese Besonderheit erklärt die biologische Halbwertzeit, die fehlende hepatische
Metabolisierung, das größere Verteilungsvolumen und die potente antimykotische Wirkung.
"Das Interaktionspotenzial ist sehr gering und die Substanz kann auch bei Leber- und
Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung eingesetzt werden", ergänzte Dr. Michael Girschikofki,
Krankenhaus Elisabethinen, Linz.
Hochwirksam bei fast allen Candida-Spezies
Hochwirksam bei fast allen Candida-Spezies
Hinsichtlich seiner antimykotischen Wirkung weist Anidulafungin gleichmäßig niedrige
minimale Hemmkonzentrationen (mit Ausnahme bei C. parapsilosis) auf. Laut Dr. Haran
T. Schlamm, Pfizer Global Research and Development, New York, wird zurzeit der Frage
nachgegangen, ob es klinisch sinnvoll wäre, C. parapsyílosis-Infektionen doch mit
Anidulafungin zu behandeln. Generell sind die MICs (minimale Hemmkonzentration) von
Anidulafungin deutlich niedriger als die von Fluconazol und weisen in diesem Zusammenhang
auch auf die hohe antimykotische Potenz von Anidulafungin bei fluconazolresistenten
Candidastämmen hin.
Mittels in-vitro-Modellen ist es gelungen, so Girschikofski, eine gute Wirksamkeit
von Anidulafungin auf Biofilmen nachzuweisen. "Der Biofilm ist die Umgebung, in der
der Pilz tatsächlich lebt, wenn eine Infektion beispielsweise über einen Katheter
erfolgt. Im Biofilm ist das Milieu anders als außerhalb, kann Einfluss auf die Wirksamkeit
von Antimykotika haben und Resistenzen begünstigen. Im Gegensatz zu den Azolen sind
Echinocandine auch im Biofilm sehr wirksam."
Überlegen im Vergleich zu Fluconazol
Überlegen im Vergleich zu Fluconazol
Als einziges Echinocandin wurde Anidulafungin in einer Studie [1] mit Fluconazol verglichen. Die Erfolgsrate bei schwer kranken Patienten mit Candidämie
lag bei 76 % und war damit der Fluconazol-Therapie um 15,4 % überlegen. Schlamm bezeichnete
die niedrige Erfolgsrate unter Fluconazol als überraschend, zumal es sich bei den
Erregern um fluconazolsensible Pilze handelte. Ein interessanter Befund dieser Studie
war außerdem, dass sich der Vorteil von Anidulafungin quer durch alle Patientensubgruppen
abzeichnete. Kritisch kranke Patienten mit hepatischer und Multiorgandysfunktion scheinen
von der Therapie mit Anidulafungin besonders zu profitieren.
Der Einsatz von Anidulafungin im klinischen Alltag wurde und wird gegenwärtig, so
Schlamm, in einem umfangreichen Programm von Phase-IV-Studien in zahlreichen Ländern
und unterschiedlichen Settings untersucht. Zur Wirksamkeit bei Aspergillose laufen
klinische Studien mit der Kombination Anidulafungin und Voriconazol.
Reno Barth, Wien
Quelle: 44. Wissenschaftliche Tagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft
e. V. gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Mykologie e.V.
MYK 2010 in Wien: Breites Spektrum der medizinischen Mykologie
MYK 2010 in Wien: Breites Spektrum der medizinischen Mykologie
Dem breiten Spektrum der medizinischen Mykologie widmete sich die MYK 2010 in Wien,
zu der rund 300 Mykologen aus dem deutschsprachigen Raum und dem europäischen Ausland
anreisten. Mykosen haben in den vergangenen 30 Jahren deutlich zugenommen. Im klinischen
Alltag stellen sie insbesondere bei immungeschwächten Patienten eine lebensbedrohliche
Komplikation dar.
Onkologen und Intensivmediziner wissen um die Problematik der invasiven Mykosen. Prophylaxe,
frühzeitige diagnostische Maßnahmen und effektive therapeutische Strategien stehen
deshalb im Mittelpunkt des Interesses. Mykosen betreffen darüber hinaus fast alle
medizinischen Fachbereiche. Die Themen reichen von der reiseassoziierten seltenen
Dermatomykose über pilzbedingte HNO-Erkrankungen, Augenerkrankungen bis hin zu pädiatrischen
Mykosen. Tagungsleiterin Prof. Birgit Willinger sieht einen Fokus in der Frage nach
seiner frühzeitigen und sicheren mykologischen Diagnostik. Die therapeutischen Optionen
haben sich mit innovativen Antimykotika wie den Echinocandinen in den letzten Jahren
erheblich verbessert. Hinsichtlich der Wirksamkeit und Verträglichkeit hat diese Substanzklasse
völlig neue therapeutische Perspektiven eröffnet, die insbesondere schwer kranken
Patienten zugute kommen.