Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(6): 292-293
DOI: 10.1055/s-0030-1270244
DGMM-Mitteilungen

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Türkei-Besuch – Hamburgische Delegation besucht das "Directorate General of Health for Border and Coastal Areas"

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Publication Date:
13 December 2010 (online)

 
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Wie arbeiten die Hafen- und Flughafenärztlichen Dienste in der Türkei? Gibt es dort Wohlfahrtseinrichtungen für Seeleute? Wie ist die gesundheitliche Versorgung von Seeleuten und Passagieren in türkischen Häfen? Wie ist die maritime telemedizinische Beratung organisiert? Gibt es eine eigenständige schifffahrtsmedizinische Forschung und eine wissenschaftliche Fachgesellschaft für Maritime Medizin und gibt es Ansatzpunkte für eine deutsch-türkische Kooperation?

Mit diesen Fragen fuhr Ende September 2010 eine Delegation unter Leitung von Dr. Clara Schlaich aus dem "Hamburg Port Health Center" (HPHC) auf Einladung des Türkischen Gesundheitsministeriums nach Istanbul. Für die Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin nahm ihr Vorsitzender Dr. Bernd-Fred Schepers, der gleichzeitig den Seeärztlichen Dienst der Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr repräsentierte, an der Reise teil. Weitere hamburgische Teilnehmer kamen von der Deutschen Seemannsmission und vom Flughafen Hamburg. Der deutsch-türkische Kontakt ging zurück auf eine Veranstaltung der Weltgesundheitsorganisation mit dem HPHC am Seegerichtshof in Hamburg im Jahr 2008 zur Durchführung von Schiffshygienekontrollen. Eine türkische Delegation aus dem nationalen Gesundheitsministerium in Istanbul war 2009 in Deutschlands größter Hafenstadt zu Besuch.

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Die Aufgaben der Generaldirektion "Health for Border and Coastal Areas"

Gastgeber des Besuchs der hamburgischen Delegation war die Generaldirektion "Health for Border and Coastal Areas" des türkischen Gesundheitsministeriums mit Sitz in Istanbul. Die Generaldirektion nimmt die gesundheitliche Überwachung in Häfen, an Flughäfen und den Landesgrenzen zentral von Istanbul aus wahr. Der Aufgabenbereich der Generaldirektion umfasst unter anderem:

  • hafen-, flughafen- und grenzärztliche Dienste

  • Zulassung von Gelbfieberimpfstellen und reisemedizinischen Kliniken

  • Lagerung und Verteilung von Gelbfieber-, Typhusimpfstoff und Malariamedikamenten

  • Ausstellung von Seediensttauglich-keitszeugnissen

  • Zulassung von Kliniken und Fachärzten zur Durchführung der klinischen Anteile der Seediensttauglichkeitsuntersuchungen

  • Überwachung der Begasung von Schiffsgütern

  • Betrieb eines telemedizinischen Beratungszentrums

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Abb. 1 "Coastal Health Control" (Reisemedizinisches Zentrum und Hafenärztlicher Dienst) in Istanbul.

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Gelbfieberimpfstellen

Die 27 Gelbfieberimpfstellen betreibt ausschließlich die Generaldirektion, sie sind über die ganze Türkei verteilt. Die Gelbfieberimpfstellen sind rund um die Uhr ärztlich besetzt und bieten kostenlose reisemedizinische Beratung, Impfungen und Behandlung für türkische Reisende und Seeleute an. Die Gelbfieber- und Typhusimpfung sowie die Malariamedikamente (Mefloquin) werden kostenlos abgegeben.

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Türkisches Zentrum für Telemedizin

Das türkische Zentrum für Telemedizin hat seinen Sitz in Istanbul. Hier sind 7 Allgemeinmediziner mit notfallmedizinischer Ausbildung rund um die Uhr tätig. Das Zentrum wurde im Jahr 2006 gegründet. Davor war die Aufgabe bei den Hafenärztlichen Diensten angesiedelt. Hintergrund der Initiative des "Directorate General of Health for Border and Coastal Areas" ist das Bemühen, internationale und EU Standards zu erfüllen.

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Hafenärztlicher Dienst

Die Aufgaben der Hafenärztlichen Dienste der Generaldirektion werden in 49 Häfen wahrgenommen. Die Aufgabenfelder im Gesundheits- und Infektionsschutz sind vergleichbar mit denen in Deutschland. Eine Besonderheit ist das Erteilen von "Transit Pratique". Hierbei werden alle Schiffe, die aus dem Schwarzen Meer kommend durch den Bosporus Richtung Marmara Meer fahren, gesundheitlich abgefertigt. Damit die Schiffe in der stark frequentierten Seestraße dafür nicht ihre Fahrt unterbrechen müssen, verfügt der Hafenärztliche Dienst über eine beeindruckende Flotte an Schnellbooten, mit denen die Schiffe erreicht werden.

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Flughafenärztlicher Dienst

Die Generaldirektion versorgt 16 internationale Flughäfen gesundheitlich. Der Flughafen Ankara hat pro Jahr circa 70 000 Anflüge mit rund 8 Millionen ankommenden Passagieren pro Jahr. Der staatliche Flughafenärztliche Dienst besteht aus 20 Ärzten und Assistenzpersonal. Diese sind verantwortlich für die Lebensmittel-, Wasser- und Abfallhygiene, die Vektorkontrolle auf dem Flughafen, die notärztliche und betriebsärztliche Versorgung und amtsärztliche Maßnahmen.

Die Delegation besichtigte den Untersuchungs- und Krankenraum ("sogenannter Quarantäneraum") des Flughafens Istanbul mit 3 Betten. Er ist im Sicherheitsbereich des internationalen Terminals gelegen. Er hat einen eigenen Eingang und liegt direkt neben den Räumlichkeiten des Flughafenärztlichen Dienstes, der über Büro- und Untersuchungsräume für 20 Mitarbeiter verfügt.

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Seediensttauglichkeitszeugnis

Die Seediensttauglichkeitszeugnisse werden durch die staatlichen Ärzte der Generaldirektion für Seeleute unter türkischer Flagge ausgestellt. Bei der Erstausstellung werden die Seeleute durch 7 Fachärzte (Innere, Orthopädie, Neurologie, Psychiatrie, Dermatologie, Augen, HNO) routinemäßig untersucht. Danach erfolgt alle 2 Jahre eine Nachuntersuchung in geringerem Umfang.

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Sozialeinrichtungen

Wohlfahrtseinrichtungen für Seeleute - vergleichbar den Clubs der Seemannsmission - gibt es in der Türkei nicht. Beim Neubau eines Kreuzfahrtterminals in Istanbul sollen jedoch Sozialeinrichtungen für Seeleute zukünftig berücksichtigt werden.

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Es gibt keine türkische Fachgesellschaft für Maritime Medizin

Im Vergleich zu Deutschland nehmen fast ausschließlich staatliche Stellen medizinische Aufgaben im maritimen Umfeld - wie Seediensttauglichkeitsuntersuchungen, Überwachung der Schiffs- und Hafenhygiene sowie Reisemedizin - auf gesetzlicher Grundlage wahr. Alle Mitarbeiter sind dem zentralen Direktorat in Istanbul unterstellt. Da alle Teilbereiche der maritimen Medizin zentral über Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes angeboten werden, scheint es keinen Bedarf für eine eigene wissenschaftliche Fachgesellschaft für Maritime Medizin, vergleichbar der Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin, zu geben. Auch eine universitär angebundene, wissenschaftliche Schifffahrtsmedizin scheint es nicht zu geben. Zumindest sind einige Ärzte und das Telemedizinische Zentrum als Institution jedoch Mitglied in der "International Maritime Health Association" und das Interesse aller Hierarchieebenen an internationaler Kooperation ist groß, wenn auch durch die Sprachbarriere (nur wenige türkische Ärzte sprechen ausreichend Englisch oder Deutsch und deutsche Ärzte kaum Türkisch ...) erschwert.

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Abb. 2 Die Hamburgische Delegation mit den türkischen Gastgebern.

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Vergleich zu Deutschland

Aus Sicht der Delegation war der Organisationsstand sowie die gute personelle und apparative Ausstattung der Hafen- und Flughafenärztlichen Dienste und des Telemedizinischen Zentrums durchaus beeindruckend. Im Vergleich zu Deutschland gibt es allerdings keine traditionelle Struktur der Seemannsfürsorge und -wohlfahrt, der Aspekt der "Gesundheitskontrolle" steht insgesamt deutlich im Vordergrund. Möglichkeiten der Kooperation bieten sich somit vorrangig für das "Hamburg Port Health Center" im Rahmen des EU Projektes ShipSan und der Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO.

Neben den fachlichen Eindrücken war für die Delegationsteilnehmer die große Freundlichkeit und Gastfreundschaft unserer türkischen Partner überwältigend. Istanbul als 14-Millionen-Einwohner-Metropole mit seinen historischen Stätten ist beeindruckend, auch wenn wir viel Zeit in den nicht enden wollenden Verkehrsstaus verbrachten. Am Rande der offiziellen Begegnungen blieb ausreichend Zeit für die Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen, die zeigten, wie sehr dies Land gespalten ist zwischen den eher religiös-konservativ orientierten Türken und denen, die einen nicht traditionellen, liberalen und säkularen Lebensentwurf bevorzugen.

Dr. Clara Schlaich, Hamburg Port Health Center, ZfAM

Dr. Bernd-Fred Schepers, Vorsitzender der DGMM

 
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Abb. 1 "Coastal Health Control" (Reisemedizinisches Zentrum und Hafenärztlicher Dienst) in Istanbul.

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Abb. 2 Die Hamburgische Delegation mit den türkischen Gastgebern.