Das "ERBP Advisory Board" (ERBP: "European Renal Best Practice"), der Expertenrat
der Europäischen Nierengesellschaft, hat neue Empfehlungen zur Aufklärung und Behandlung
von Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz veröffentlicht [1]. Als Ergänzung zu den gültigen Leitlinien konzentrieren sich die Empfehlungen zur
Nierenersatztherapie auf 4 Gebiete:
-
Auswahl des passenden Dialysetyps
-
Entscheidung zwischen manueller Peritonealdialyse (CAPD) und maschinengestützter PD
(APD)
-
Wechsel zwischen verschiedenen Nierenersatztherapien
-
assistierte PD
Die Autoren stellen zu Beginn der Empfehlungen klar, dass die HD (Hämodialyse) und
PD medizinisch als gleichwertig einzustufen sind. In vielen Studien konnte aber gerade
gezeigt werden, dass in den ersten Jahren der Therapie unter PD eine höhere Überlebensrate
erreicht werden konnte als unter HD. Nach einigen Jahren glichen sich die Werte dann
an. Auf Basis der wissenschaftlichen Daten ist daher grundsätzlich zu überlegen, den
Therapiestart bei Neupatienten mit der PD zu planen. Aus diesem Grund empfiehlt das
ERBP Advisory Board "PD first", das heißt eine initiale [2] Therapie mit der PD. Gleichzeitig sollte der primäre Faktor bei der Wahl der Therapieform
immer die Präferenz des Patienten sein. Das setzt eine umfangreiche und unvoreingenommene
Beratung voraus.
Laut Empfehlung sollten alle Dialysezentren nicht nur eine, sondern alle zur Verfügung
stehenden Therapieformen anbieten - entweder alleine oder in Kooperation mit anderen
Zentren. Dazu gehören:
-
CAPD
-
APD
-
HD (auch in Heimdialyse)
Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Patienten die Therapie auswählen können,
die für sie am besten geeignet ist. Alle Patienten und ihre Angehörigen sollten in
einem strukturierten Aufklärungsprogramm ausgewogene Informationen zu allen Therapieformen
erhalten - das gilt auch für den ungeplanten Dialysestart. Es gibt erste Anzeichen,
dass die Versorgung der Patienten beim Angebot von nur einer Therapieform qualitativ
schlechter ist.
Bild: Baxter
Bild: Baxter
PD bei älteren Patienten
PD bei älteren Patienten
Besonders ältere Patienten können von der PD profitieren. So fallen shuntbedingte
Komplikationen, die bei dieser Patientengruppe besonders häufig auftreten [2], weg. Außerdem ist die PD durch ihren kontinuierlichen Charakter im Gegensatz zur
HD schonender für das Herz-Kreislauf-System. Das ist besonders bei älteren Patienten
von großem Vorteil, da hier häufig bereits eine Herzinsuffizienz vorliegt. Auch die
Lebensqualität spielt bei älteren Patienten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mehrmals
wöchentliche Fahrten zum HD-Dialysezentrum können einen negativen Effekt haben [3], [4]. Eine Heimtherapie geht jedoch häufig mit einer gesteigerten Lebensqualität einher.
Komorbiditäten müssen bei älteren Patienten immer mit in die Entscheidung über die
passende Nierenersatztherapie einbezogen werden [5]. Ein zunehmender Verlust motorischer Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen des Sehens
müssen dabei nicht sofort eine Entscheidung gegen die PD mit sich bringen. Hier ist
immer auch die assistierte PD in Erwägung zu ziehen, bei der der Wechsel des Dialysats
nicht durch den Patienten selbst, sondern durch eine enge Bezugsperson (Verwandte,
Freunde) oder speziell geschultes Pflegepersonal erfolgt.
Wechsel zwischen den Therapieformen
Wechsel zwischen den Therapieformen
Die Autoren der ERBP-Empfehlung beschreiben 3 verschiedene Richtungen des Wechsels
zwischen verschiedenen Formen der Nierenersatztherapie:
Essenziell ist auch hier zunächst einmal: Patienten müssen darüber informiert sein,
dass jede gewählte Form der Nierenersatztherapie auch Komplikationen mit sich bringen
kann, die - je nach Schwere - einen Wechsel der Therapieform notwendig machen kann.
Bei HD-Patienten sollte bei häufig auftretenden Problemen mit dem Shunt oder einer
zu großen kardialen Belastung ein Wechsel auf die PD in Erwägung gezogen werden.
Für PD-Patienten gilt: Peritonitiden sollten alleine kein Grund für den Umstieg auf
die HD sein. In den meisten Fällen können diese erfolgreich mit Antibiotika behandelt
werden, ohne dass eine Hospitalisierung angezeigt wäre. Auch die Vorgehensweise, nach
einigen Jahren unter PD präventiv auf die HD zu wechseln, um einer "Erschöpfung" des
Peritoneums zuvorzukommen, wird vom ERBP Advisory Board nicht unterstützt.
Eine vorübergehende Entfernung des PD-Katheters (z. B. im Falle einer komplizierten
Peritonitis) macht den Wechsel auf die HD unumgänglich. Dieser kann allerdings auch
lediglich temporär erfolgen, da nach überstandener Infektion ein neuer PD-Katheter
eingesetzt und so die Bauchfelldialyse fortgeführt werden kann. Rezidivierende Peritonitiden
können auf einen allgemein schlechten Zustand des Peritoneums hindeuten, der einen
Wechsel auf die HD erforderlich machen kann.
Bei Patienten nach einer gescheiterten Transplantation gab es in medizinischen Studien
keine Unterschiede hinsichtlich der Überlebensraten beim Wechsel auf die HD oder PD
[6], [7]. Die Entscheidung sollte grundsätzlich auch dem Patienten überlassen werden und
sich seiner Lebenssituation und seinen Präferenzen anpassen.
Fazit
Fazit
Die Empfehlungen des Expertenrates der Europäischen Nierengesellschaft zeigen es deutlich:
Die Behandlung von Dialysepatienten in Deutschland entspricht häufig nicht dem aktuellen
Standard. Gerade die initiale Beratung kann noch optimiert werden: Sie sollte immer
ergebnisoffen erfolgen und das Interesse des Patienten in den Mittelpunkt stellen.
Auch Dialysezentren sollten langfristig ihr Angebot und ihre Ausstattung an die zentralen
Empfehlungen anpassen.
Nina Middel, Köln
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Baxter Deutschland GmbH,
Unterschleißheim.
Die Beitragsinhalte wurden nach Informationen der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim,
zusammengestellt.
Die Autorin ist Mitarbeiterin der FAI GmbH, Köln.
|
Die zentralen Empfehlungen auf einen Blick
Die zentralen Empfehlungen auf einen Blick
-
Wegen der medizinischen Gleichwertigkeit von HD und PD sollte die Wahl der Dialyseform
immer von einem gut informierten Patienten getroffen werden.
-
Dialysezentren sollten alle zur Verfügung stehenden Therapieformen anbieten - entweder
alleine oder in Kooperation mit anderen Zentren. Nur so lässt sich sicherstellen,
dass die Patienten die Therapie auswählen können, die für sie am besten geeignet ist.
-
Auch bei folgenden Merkmalen bzw. Erkrankungen kann die Peritonealdialyse die Therapie
der Wahl sein:
-
- physische oder mentale Einschränkungen
- fortgeschrittenes Alter
- Non-Compliance
- Adipositas
- Herzinsuffizienz
- polyzystische Nierenerkrankung
- Divertikulose
- abdominale Hernien
- portale Hypertension
- Lebertransplantation
-
Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Dialysezentren, bei Therapieproblemen nach Lösungsansätzen
zu suchen, um dem Patienten die Therapie seiner Wahl zu ermöglichen. So ist bei Patienten,
die die PD nicht selbstständig durchführen können, immer auch die assistierte PD in
Erwägung zu ziehen. Es ist außerdem davon auszugehen, dass ein nicht zuverlässiger
PD-Patient im HD-Bereich auch mangelnde Therapietreue zeigt.
-
CAPD und APD sind medizinisch völlig gleichwertig. Die Entscheidung für oder gegen
ein Verfahren sollte immer dem Patienten überlassen werden.
-
Ein Wechsel von der HD zur PD und umgekehrt ist möglich und sollte bei wiederholt
auftretenden Problemen in Erwägung gezogen werden. Peritonitiden bei der PD können
meistens erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden und sollten kein Grund sein,
auf die HD umzusteigen.
-
Bei Patienten, die nach einer gescheiterten Transplantation wieder dialysepflichtig
sind, gibt es keinen Unterschied hinsichtlich der Überlebensraten bei der PD oder
HD. Die Wahl sollte auch hier immer dem Patienten überlassen werden.