Kaum ein Themenbereich unterliegt derzeit einer vergleichbaren Neubewertung wie die
Rolle der Lymphknoten für die Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms. Dabei war
die Entfernung der axillären Lymphknoten seit jeher ein fester Bestandteil in der
operativen Behandlung von Brustkrebs. Die Zielsetzung der Axilladissektion hat sich
jedoch mit dem Wandel der Therapiestrategien verändert. Diente die Lymphknotenentfernung
in der Halstedtschen Ära der optimalen mechanischen Resektion aller erreichbaren Tumorzellen,
so änderte sich die Zielsetzung des Eingriffs mit der Zunahme der Bedeutung systemischer
Therapieansätze. Als wichtigster Prognoseparameter dient der Lymphknotenstatus heute
einer individuellen und risikoadaptierten Planung der adjuvanten Therapiestrategien.
Die komplette axilläre Dissektion (AD) mit Entfernung von mindestens 10 Lymphknoten
aus den Leveln I und II war über viele Jahre hinweg die einzige Möglichkeit, den Nodalstatus
zu erfassen. Gleichzeitig erhielten die Patientinnen eine „präventive“ Therapie, um
die regionäre Kontrolle im Falle positiver Lymphknoten zu sichern. Die Einführung
der Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SLNB) führte vor 10 Jahren erstmals zu der Möglichkeit,
den Lymphknotenstatus mit einem zielgerichteten, minimalinvasiven Eingriff zu bestimmen.
Dadurch konnte die Morbidität für Patientinnen ohne Lymphknotenbefall erheblich reduziert
werden, ohne die diagnostische Sicherheit und die daraus resultierende adjuvante Therapie
zu beeinträchtigen [1]
[2]
.
Bemerkenswert war die kurze Zeitdauer, in der die SLNB zur klinischen Reife geführt
wurde. Eine gezielte Förderung durch die Deutsche Gesellschaft für Senologie ermöglichte
neben einem strukturierten klinischen Forschungsprogramm die zügige und flächendeckende
Implementierung der SLNB durch einen interdisziplinär abgestimmten Konsensus, in
dem technische und klinische Fragestellungen des Verfahrens standardisiert wurden.
Parallel dazu wurde ein Kursprogramm organisiert, das Klinikern die Einarbeitung in
die theoretischen und operationstechnischen Aspekte der SLNB ermöglichte.
Die SLNB ist heute als Standardverfahren für das axilläre Staging beim Mammakarzinom
fest etabliert. Dennoch verbleiben zahlreiche offene Fragen zum Stellenwert des axillären
Stagings in speziellen Situationen. Gerade im Zusammenhang mit der neoadjuvanten Chemotherapie
konnte bisher nicht geklärt werden, ob die SLNB eher vor der Systemtherapie durchgeführt
werden sollte, um dadurch die adjuvante Therapie zu individualisieren oder ob der
SLN nach der CHT entfernt werden sollte, um so die Rate an Axilla erhaltenden Eingriffen
zu erhöhen.
Durch eine Anschubfinanzierung der Deutschen Gesellschaft für Senologie wurde mit
der SENTINA-Studie eine Forschungsinitiative unterstützt, die derzeit zu den weltweit
größten operativen Studien zählt. Darin wird der Stellenwert der SLNB im Rahmen von
neoadjuvanten Therapiekonzepten an über 1500 Patientinnen untersucht. Über 1300 Frauen
wurden bereits in die Studie rekrutiert, deren Durchführung durch weitere Fördergelder
von Brustkrebs Deutschland e. V. ermöglicht wird.
Neueste Entwicklungen hinterfragen immer mehr den Stellenwert der Axilladissektion
bei tumorbefallenen Lymphknoten [3]
[4]
. In der Z11-Studie des American College of Surgical Oncologists (ACOSOG) führte der
Verzicht auf eine AD nicht zu einer erhöhten regionären Rezidivrate. Dabei muss berücksichtigt
werden, dass die Studie nicht ihr Rekrutierungsziel erreichte und dass ausschließlich
prognostisch günstige Patientinnen eingeschlossen wurden. Alle Frauen erhielten eine
brusterhaltende Therapie mit anschließender Tangentialfeldbestrahlung der Brust. Daher
sind die Ergebnisse noch nicht bedingungslos auf die klinische Routine übertragbar.
Dennoch scheint sich der Paradigmenwechsel für das Management der Lymphabflusswege
fortzusetzen. In den nächsten Jahren werden die Ergebnisse großer randomisierter
Studien erwartet, die den Stellenwert der Axillachirurgie weiter klären werden. Zumindest
erscheint es so, dass die chirurgische Entfernung von Lymphknoten mit wenig therapeutischem
Nutzen verbunden zu sein scheint, so dass die Radikalität axillärer Interventionen
in der Zukunft weiter zurückgehen wird.