Die Brustkrebsversorgung in Deutschland schreibt Geschichte: Im Jahr 2010 konnte das
fünfjährige Jubiläum des flächendeckenden Mammografie-Screenings begangen werden.
Auf der Grundlage europäischer Leitlinien haben Ärzte, Krankenkassen und Politik gemeinsam
das größte europäische Brustkrebs-Früherkennungsprogramm für über 10 Mio. Frauen nach
strengen Vorgaben zur Qualitätssicherung aufgebaut. Der Paradigmenwechsel des Mammografie-Screenings
besteht in der Evidenzbasierung, in strengen Vorgaben an die Qualität wie z. B. der
Doppelbefundung, der interdisziplinären und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit
sowie in der Transparenz des Programms.
Die geforderten Erfolgsparameter werden hierbei zumeist nicht nur erfüllt, sondern
sogar übertroffen. Wesentlich häufiger als gefordert werden kleine Tumoren aufgespürt.
Der Anteil der invasiven Karzinome von einer maximalen Größe bis 10 mm liegt im Screening
bei gut 30 %. Vor Einführung des Mammografie-Screenings waren es nur rund 14 %. Bei
mehr als zwei Drittel (76,7 %) aller im Programm entdeckten invasiven Karzinome waren
die Lymphknoten noch nicht befallen. Vor dem Screening lag der Wert mit 49 % deutlich
darunter.
Für Frauen mit kleinen Tumoren, die nicht gestreut haben, bestehen durch die Früherkennung
die besten Chancen geheilt zu werden. Sie profitieren außerdem von einer schonenderen
und meist brusterhaltenden Therapie.: Wenn der Brustkrebs diagnostiziert wird, bevor
er über den sonst üblichen klinischen diagnostischen Horizont komm, bedeutet dies
in vielen Fällen Heilung.
Natürlich muss eine Vielzahl von gesunden Frauen an dieser Früherkennungsuntersuchung
teilnehmen, und zwar mit bestmöglicher Aufklärung, und die Erfolge werden erkauft
mit falsch positiven Ergebnissen und all ihren bekannten Folgen. Aber um Leben zu
retten – und darum geht es bei diesem Screeningprogramm – sind sich alle Beteiligten
derzeit einig, dass es keinen besseren Weg gibt. Dass dies funktioniert, ist daran
zu erkennen, dass viel häufiger als früher Patientinnen mit im Screening detektierten
kleinen Brustkrebstumoren in den Brustzentren ankommen. Für alle im senologischen
Konzept beteiligten Ärztinnen und Ärzte, die nicht nur Brustkrebspatientinnen optimal
therapieren, sondern – soweit es in der Macht der modernen Onkologie steht – auch
heilen wollen, ist dies eine unglaubliche Motivation.
Allerdings darf nicht vernachlässigt werden, dass an den Schnittstellen noch viel
zu tun bleibt. Schnittstellen müssen zu Nahtstellen werden und die gesamte Prozesskette
der Versorgung muss als dynamisches System ständig weiter verbessert werden.
Denn neben der Einführung des Mammografie-Screenings blicken wir in Deutschland auch
die auf die 10-jährige Erfolgsgeschichte der Brustzentren zurück, die von der Deutschen
Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie flächendeckend implementiert,
zertifiziert und mit Gütesiegel ausgestattetet wurden. Sie tragen als weitere Säule
zur Optimierung der Brustkrebsversorgung in Deutschland ganz wesentlich bei. Gerade
auf der Basis der Interdisziplinarität und durch multidisziplinäre prä- und postoperative
Fallkonferenzen konnte schon in der Erfolgsgeschichte der zertifizierten Brustzentren
gelernt werden, was nun in der Prozesskette des Mammografie-Screenings Platinstandard
geworden ist – die Erfahrung mit sektorenübergreifenden Schnittstellen. Gerade die
geschilderte Prozesskette – Screening, Detektion, qualitätsgesicherte Diagnostik und
Therapie im zertifizierten Brustzentrum – führt dazu, dass im T1-Anfangsstadium des
Brustkrebs nach den neuesten Analysen der Deutschen Gesellschaft für Senologie 85 %
der Patientinnen brusterhaltend therapiert werden können (Analyse bei 229 zertifizierten
Brustzentren mit einheitlichem Benchmarkingsystem bei 40 000 primär erkrankten Frauen
pro Jahr, von 250 insgesamt zertifizierten Brustzentren in Deutschland). Dabei haben
die Patientinnen Gewissheit über Befund und Mitsprachemöglichkeiten bei der operativen
Versorgung (über 90 Prozent der Tumoren sind präoperativ gesichert).
Auf dieser Basis ist Deutschland heute das Land mit der besten flächendeckenden Brustkrebsversorgung
überhaupt geworden. Doch alle, insbesondere Politik und Kassen, sind gefordert, Sorge
dafür zu tragen, dass die aufwendige Interdisziplinarität für die Klinikträger kein
ökonomisches Wagnis wird und dass vor allen Dingen auch Erreichtes bewahrt bleibt,
getreu der Zusage „Das Geld der Qualität folgen zu lassen“! So darf das Mammografie-Screening
nicht missbraucht werden, um aus Marketinggründen Patientenströme umzuleiten. Vor
allen Dingen muss das Primat ärztlichen Handelns bestehen bleiben, den Menschen im
Mittelpunkt zu sehen. Albert Einstein hat es so ausgedrückt: „Nicht alles was gezählt
werden kann, zählt – und nicht alles was zählt, kann gezählt werden!“.