Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Spielfähigkeit von Kindergartenkindern und
ihrer Alltagsbewältigung, auch Coping genannt. Das fand die Ergotherapeutin Renate
Ruckser-Scherb von der Akademie für Ergotherapie im österreichischen Linz heraus.
Sie führte eine quasi-experimentelle Untersuchung mit 22 Kindergartenkindern durch,
die zwischen vier und sechs Jahre alt waren. Die betreuenden Erzieherinnen wählten
zunächst Kinder aus, bei denen sie entweder eine unzureichende oder eine angemessene
Spielfähigkeit vermuteten. Jedes dieser Kinder wurde 25 Minuten lang während des Freispiels
gefilmt. Anschließend analysierte ein unabhängiger Assessor die Filmsequenzen mithilfe
des Test of Playfulness (TOP). Die Forscherin stellte daraufhin zwei Gruppen mit jeweils
elf Kindern zusammen, die entweder hohe oder niedrige Werte im TOP erreicht hatten.
Dabei achtete sie darauf, dass die teilnehmenden Kinder beider Gruppen vergleichbare
Merkmale hinsichtlich Geschlecht, Alter oder kulturellem Hintergrund aufwiesen. Anschließend
beurteilten die Erzieherinnen anhand der Coping Inventory Observation Form (CI), wie
diese Kinder ihren Alltag bewältigten. Die statistische Auswertung der ermittelten
Daten erfolgte anhand der Korrelationsanalysen nach Pearson. Die Ergebnisse belegen
einen Zusammenhang zwischen Spielfähigkeit und Alltagsbewältigung. Als Schwäche führt
die Forscherin an, dass nur eine kleine Stichprobe an der Studie teilgenommen hat.
Außerdem existiert keine offizielle deutsche Übersetzung des CI, sodass es an einer
kulturellen Anpassung bzw. Validierung des verwendeten Instruments mangelt.
Trotz der Einschränkungen schlussfolgert Ruckser-Scherb, dass diese Studie eine Evidenz
für die ergotherapeutische Praxis bereitstellt. Demnach können Ergotherapeuten das
Spiel bewusst in die Behandlung einbauen, um die Alltagsbewältigung der Kinder zu
fördern und zu verbessern.
akb
Kommentar
Das Spiel – eine wichtige kindliche Betätigung – kommt in der Ergotherapie oftmals
zu kurz. Die Studie von Renate Ruckser-Scherb greift diesen Mangel auf und liefert
Ergebnisse, die den Einsatz des Spiels vorläufig untermauern. Aber um glaubwürdig
argumentieren zu können, muss man auch die Einschränkungen der Studie berücksichtigen.
Denn eine Korrelationsstudie ist nicht dazu in der Lage, eine Kausalität festzustellen.
Obwohl ein Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen besteht, lässt sich nicht automatisch
auf eine bestimmte Ursache schließen. So ist in diesem Fall leider nicht belegbar,
dass das Spiel die Alltagsbewältigung verbessert. Um einen solchen Wirkungszusammenhang
herzustellen, sind andere Studiendesigns erforderlich.
Obwohl diese Arbeit nur eine eingeschränkte Evidenz bietet, ermittelt sie wichtige
Informationen für ein unzureichend recherchiertes Thema. Außerdem liefert sie interessante
Impulse, um weitere Studien in die Wege zu leiten oder neue Behandlungsmethoden zu
entwickeln.
Ann Kennedy-Behr, Ergotherapeutin, PhD.-Kandidatin
ergoscience 2010; 5: 91–98