Rofo 2012; 184(5): 407
DOI: 10.1055/s-0031-1274850
Brennpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mammografie-Screening – Bei Nachweis invasiver Karzinome nur wenig Überdiagnosen

Further Information

Publication History

Publication Date:
10 May 2012 (online)

Der Wert der Screening-Mammografie ist nach wie vor umstritten. Neben der Rate an falsch-positiven Resultaten und der Strahlenbelastung wird vor allem die Überdiagnose von klinisch nicht relevanten Tumoren kritisiert. Dr. Arnaud Seigneurin und seine Arbeitsgruppe aus Grenoble, Frankreich, gingen diesem Phänomen in einem stochastischen Simulationsmodell auf Grundlage von Registerdaten nach.

BMJ 2011; 343: d7017

59-jährige Patientin mit im Mammografie-Screening entdecktem 8 mm großen invasiv-duktalen Mammakarzinom rechts unten außen. Zusätzlich etwas weiter medial benignes Adenomyoepitheliom (Bild: Bick U, Fallenberg EM. Radiologie up2date 2008; 8: 375–390).

Als Überdiagnose bezeichnet man den histologischen Nachweis eines invasiven Karzinoms oder Carcinoma in situ, das sich ohne die Screening-Mammografie nie klinisch bemerkbar gemacht hätte. Die französische Arbeitsgruppe wollte dieses Phänomen der nicht progressiven Krebserkrankung quantifizieren. Berücksichtigt wurden dabei die Vorverlegung der Diagnose mit der dadurch bedingten scheinbaren Verlängerung der Überlebenszeit (lead time bias), das in der Population bestehende Brustkrebsrisiko und Screening-Untersuchungen außerhalb offizieller Programme. Dazu entwickelten sie ein stochastisches Simulationsmodell unter Einschluss der Lebenszeit-Brustkrebsprävalenz, des natürlichen Verlaufs und der Teilnahme an Screening-Untersuchungen innerhalb und außerhalb organisierter Programme.

Eingeschlossen in die Analyse wurden alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren aus der Stadt Isères im Beobachtungszeitraum zwischen 1991 und 2006. Es konnten 100 000 Datensätze simuliert werden. In der Basis-Fall-Analyse wurde eine Überdiagnose bei 1,5% aller Fälle von invasivem Brustkrebs und 28% aller Fälle von Carcinoma in situ festgestellt, die entweder klinisch oder mittels Screening-Mammografie diagnostiziert worden waren. Berücksichtigte man nur die bei der Screening-Mammografie entdeckten Befunde lagen die Raten bei 3,3 bzw. 31,9%, wobei das Carcinoma in situ nur 15% aller Diagnosen ausmachte. Die Abschätzung war bei invasivem Karzinom präziser als bei den Krebsvorstufen. Die Rate an Überdiagnosen nahm mit steigenden Teilnehmerzahlen an Screening-Untersuchungen zu, schien aber bei mehr als 40% ein gewisses Plateau zu erreichen. Auch die Zunahme der Sensitivität der Mammografie ging mit einer Zunahme von Überdiagnosen einher.

Fazit

Die Überdiagnose, scheint bei einem Angebot von organisierten und individuellen Mammographie-Screening-Programmen mit 1,5% aller invasiven Karzinome relativ gering. Deutlich unklarer ist die Situation nach Aussage der Autoren beim Carcinoma in situ, das in dieser Studie aber nur 15% aller Diagnosen ausmachte.

Maria Weiß, Berlin (Medizinjournalistin)

    >