Dialyse aktuell 2011; 15(1): 50-52
DOI: 10.1055/s-0031-1275206
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Der Fortschritt geht weiter – Tacrolimus: Meilenstein in der Transplantationsmedizin

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Publication Date:
08 March 2011 (online)

 
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Die Erfolgsgeschichte der soliden Organtransplantation wurde entscheidend durch die Entwicklung immunsuppressiver Medikamente und Therapien mitgeprägt. Einen großen Anteil daran hat seit nunmehr 15 Jahren der Calcineurininhibitor (CNI) Tacrolimus (Prograf®, Advagraf®, Modigraf®). Er hat zu einer Verbesserung der Ergebnisse beigetragen und ist heute die Basis vieler Standardtherapieregime. Doch die Entwicklung geht weiter und Tacrolimus steht nach wie vor im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. In klinischen Studienprogrammen werden Antworten zu offenen Fragen gesucht und galenische Neuentwicklungen folgen dem Bedarf an patientengerechten Applikationsformen. Im Fokus des 2. Transplantationssymposiums der Astellas Pharma GmbH, München, standen neben einer Standortbestimmung und aktuellen Forschungsergebnissen mit den neueren Applikationsformen von Tacrolimus brisante Themen der Transplantationsmedizin wie Spenderorganmangel und Organallokation, aber auch die Nachwuchsförderung.

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KDIGO-Leitlinien: Tacrolimus ist der bevorzugte CNI

In der Nierentransplantation gehört Tacrolimus heute zu den am besten untersuchten Immunsuppressiva, erklärte der Direktor der Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie im Zentrum der Chirurgie des Klinikums der J. W. Goethe-Universität Frankfurt a. M. Prof. Wolf-Otto Bechstein. Er war seit dem Beginn an der klinischen Entwicklung dieser Substanz beteiligt. Eine Cochrane-Meta-Analyse 30 randomisierter Studien mit 4 102 nierentransplantierten Patienten (1991-2002) hat hinsichtlich aller Wirksamkeitsparameter (akute Abstoßungen, Transplantatverlust, Tod) für Tacrolimus einen eindeutigen Vorteil gegenüber Ciclosporin gezeigt. In konkreten Zahlen beziffern die Autoren den Vorteil einer Immunsuppression mit Tacrolimus für die Patienten folgendermaßen: "Behandelt man 110 Patienten mit Tacrolimus anstelle von Ciclosporin, so werden im ersten Jahr nach der Transplantation bei 12 Patienten akute Abstoßungen und bei 2 Patienten ein Transplantatverlust verhindert." (Abb. [1]) [1].

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Abb. 1 Cochrane-Analyse von 30 randomisierten Studien mit 4102 nierentransplantierten Patienten (1991-2002).

Heute gilt aufgrund der Ergebnisse der ELiTE[1]-SYMPHONY-Studie (Studienbeginn November 2002) das Regime "niedrig dosiertes Tacrolimus (Zielspiegel 3-7 ng/ml) + MMF (Mycophenolatmofetil) + Steroide" in Verbindung mit einer Daclizumabinduktion als "Standardimmunsuppression" nach einer Nierentransplantation, erklärte Bechstein. Die größte bisher bei nierentransplantierten Patienten durchgeführte Studie (n = 1 645) hatte gezeigt, dass unter diesem Regime im ersten Jahr nach einer Transplantation die Rate akuter Abstoßungen mit 12 % im Vergleich zu den anderen untersuchten Regimen am geringsten war. Gleichzeitig wiesen die mit niedrig dosiertem Tacrolimus behandelten Patienten die beste Nierenfunktion auf (Abb. [2]) [2], [3]. "Eine Immunsuppression, die aus einer Induktionstherapie mit Daclizumab, MMF, niedrig dosiertem Tacrolimus (Zielspiegel 3-7 ng/ml) und Kortikosteroiden besteht, bietet ein optimales Verhältnis zwischen Wirksamkeit und Toxizität nach einer Nierentransplantation", resümierte Bechstein.

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Abb. 2 Nierenfunktion unter verschiedenen immunsuppressiven Regimen.

Diesen überzeugenden Ergebnissen tragen die aktuellen KDIGO-Leitlinien (KDIGO: "Kidney Disease - Improving Global Outcome") Rechnung, die heute Tacrolimus als CNI der ersten Wahl zur initialen Erhaltungsimmunsuppression empfehlen (Empfehlungsgrad 2A). Das Expertengremium begründet diese Empfehlung damit, dass Tacrolimus der Studienlage zufolge die beste Abstoßungsprophylaxe bietet: Diese führt zu einer signifikant reduzierten Zahl akuter sowie subklinischer Abstoßungen und zu einem signifikant besseren Transplantatüberleben bei einer signifikant besseren Transplantatfunktion [3].

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AB0-inkompatible Nierentransplantation

Vor noch nicht allzu langer Zeit konnte man etwa jede dritte aller möglichen Nierenlebendspenden wegen einer fehlenden Blutgruppenübereinstimmung zwischen Spender und Empfänger nicht durchführen. Durch neue Technologien zur Entfernung der Blutgruppenantikörper aus dem Blut des Empfängers und moderne immunsuppressive Protokolle ist eine Lebendnierentransplantation auch bei einer Blutgruppenunverträglichkeit möglich. Eng verknüpft mit der Entwicklung dieses noch recht neuen Verfahrens ist Tacrolimus.

Eine der führenden Kliniken in Deutschland, die solche sogenannten "AB0-inkompatiblen Lebendnierentransplantationen" seit einigen Jahren erfolgreich durchführt, ist das Freiburger Transplantationszentrum. Die Patienten erhalten einmalig 4 Wochen vor der Transplantation eine Dosis des Anti-CD-20-Antikörpers Rituximab. In der Woche vor der Transplantation sowie in den 2 Wochen danach werden dann wiederholt Immunadsorptionsbehandlungen durchgeführt, um die Blutgruppenantikörper aus dem Blut zu entfernen. Die immunsuppressive Therapie wird bereits eine Woche vor der geplanten Transplantation begonnen und besteht aus Tacrolimus, MMF und Steroiden, ergänzt durch eine Antikörperinduktion mit Basiliximab. Die Ergebnisse bei diesem Vorgehen sind exzellent, so Dr. Marcel Geyer, Freiburg, und vergleichbar mit denen bei der Transplantation AB0-kompatibler Lebendspenden.

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Steroidfreie Immunsuppression mit Tacrolimus mit verzögerter Freisetzung

Neben der Verbesserung der Immunsuppression steht auch deren Vereinfachung im Fokus der Forschung. Die Tacrolimusformulierung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Advagraf®) ermöglicht eine compliancefreundliche tägliche Einmalgabe von Tacrolimus, mit der nach der morgendlichen Einnahme über 24 Stunden wirksame Konzentrationen im Blut aufrechterhalten werden können.

Bei de-novo-lebertransplantatierten Patienten ist eine Einstellung auf eine steroidfreie Erhaltungsimmunsuppression auf Basis von niedrig dosiertem Tacrolimus in der Formulierung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung einfach durchzuführen und die Ergebnisse sind hervorragend. Dies ergab eine monozentrische Studie (n = 82) am Transplantationszentrum in Frankfurt. Das immunsuppressive Regime bestand aus einer Antikörperinduktion (Daclizumab bzw. Basiliximab) und einem Steroidbolus, gefolgt von einer steroidfreien Erhaltungstherapie mit Tacrolimus 1-mal täglich in niedriger Dosierung und 1 g MMF 2-mal täglich. Die initiale Tacrolimusdosierung von generell 1-mal 1 mg/Tag (nicht gewichtsadaptiert) wurde täglich verdoppelt, bis der Zielspiegel von 5-7 ng/ml erreicht war. Dies war in der Regel nach 5-7 Tagen der Fall. Die Kontrolle der Blutspiegel erfolgte zunächst täglich. Bei zu hohen Spiegeln in den ersten Tagen erfolgte eine Halbierung der Dosis, später eine Reduktion in 1-mg-Schritten.

Den klinischen Verlauf bei den so behandelten Patienten bezeichnete PD Dr. Christian Mönch, Frankfurt a. M., als typisch für die Lebertransplantation. Die Abstoßungsinzidenz war niedrig, und lediglich 5 % der Patienten wiesen eine histologisch nachweisbare Abstoßung auf. Die relativ niedrige Inzidenz (8,5 %) von Posttransplantationsdiabetes führte Mönch auf die Steroidfreiheit des Regimes zurück. Aus seiner Sicht ist für den Kliniker die Tacrolimusform mit verzögerter Wirkstofffreisetzung insofern attraktiv, als sich aufgrund der Einmalgabe das Zeitfenster für Therapieentscheidungen verdoppelt und der Chirurg bis zur Morgenvisite Zeit hat, die tägliche Immunsuppressionsdosis anzupassen.

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Spezielle Tacrolimusformulierung für Kinder

Kinder unter 3 Jahren machen mit 70 % den Hauptanteil der pädiatrischen Lebertransplantationspatienten aus. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen", erinnerte Bechstein. Daher ist es wichtig, für diese kleinen Patienten eine speziell auf deren Bedürfnisse ausgerichtete sichere und wirksame Darreichungsform von Tacrolimus zur Auswahl zu haben. Diese sollte gerade bei Kindern unter 2 Jahren eine präzise Dosierung ermöglichen und leicht zu schlucken sein. Um diese Bedarfslücke zu schließen, entwickelte Astellas Pharma ein Tacrolimusgranulat zur Herstellung einer oralen Suspension (Modigraf®). Dass Tacrolimus in dieser speziellen Formulierung wirksam und sicher ist, dokumentierte eine klinische Studie bei Kleinkindern (n = 181; Alter 9-56 Monate) im Vergleich mit der Ciclosporinlösung. Beide Medikationen zeigten eine vergleichbare und gute Verträglichkeit. Dagegen war Tacrolimus in der speziellen Formulierung hinsichtlich der Verhinderung akuter Abstoßungen signifikant überlegen [4].

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Ergebnisse aus aktuellen klinischen Studien erwartet

Die Forschung geht weiter: Breit angelegte nationale und internationale Studienprogramme der Astellas Pharma mit Tacrolimus liefern laufend neue interessante und richtungweisende Ergebnisse. Ein Update wird im Rahmen des 3. Astellas Transplantationssymposiums im Frühjahr 2011 gezeigt werden. Die Vorträge des 2. Astellas Transplantationssymposiums stehen online zum Ansehen bereit auf http://www.astellas-transplant.de/astellas_symp_2.xhtml.

Dr. Hedwig Weisser, München

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Astellas Pharma GmbH, München.

Die Beitragsinhalte stammen vom 2. Transplantationssymposium, veranstaltet von der Astellas Pharma GmbH, München.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der Medizin und Markt GmbH, München.

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Literatur

  • 1 Webster A C, et al. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008;  4 Art. No.: CD003961. DOI: 10.1002/14651858.CD003961.pub2
  • 2 Ekberg H, et al. N Engl J Med. 2007;  357 2562-2575
  • 3 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group . KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients.  Am J Transplant. 2009;  9 (Suppl. 3) S1-S155
  • 4 Kelly D, et al. Lancet. 2004;  364 1054-1061

01 Efficacy Limiting Toxicity Elimination

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Literatur

  • 1 Webster A C, et al. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008;  4 Art. No.: CD003961. DOI: 10.1002/14651858.CD003961.pub2
  • 2 Ekberg H, et al. N Engl J Med. 2007;  357 2562-2575
  • 3 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group . KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients.  Am J Transplant. 2009;  9 (Suppl. 3) S1-S155
  • 4 Kelly D, et al. Lancet. 2004;  364 1054-1061

01 Efficacy Limiting Toxicity Elimination

 
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Abb. 1 Cochrane-Analyse von 30 randomisierten Studien mit 4102 nierentransplantierten Patienten (1991-2002).

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Abb. 2 Nierenfunktion unter verschiedenen immunsuppressiven Regimen.