Diabetes aktuell 2011; 9(2): 58-59
DOI: 10.1055/s-0031-1278653
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Therapie des Typ-2-Diabetes – Auftreten von Pankreatitis und Pankreaskarzinom unter GLP-1-Analoga

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Publication Date:
02 May 2011 (online)

 
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    Stellungnahme zur Publikation von M. Elashoff et al. zum erhöhten Auftreten von Pankreatitis und Pankreaskarzinom bei Patienten mit Typ-2-Diabetes unter Behandlung mit GLP-1 basierten Therapien.

    In der Zeitschrift "Gastroenterology" wurde am 17.2.2011 eine Arbeit aus der Arbeitsgruppe von Peter Butler online veröffentlicht, die auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Pankreatitis und Pankreaskarzinom bei Patienten mit Typ-2-Diabetes hinweist, die Inkretin basierte Therapien mit Exenatid (Byetta®) oder Sitagliptin (Januvia®) erhielten. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft und diabetes DE möchten Ärzte, Apotheker und Patienten auf diese Beobachtungen hinweisen. Gleichzeitig muss auf Limitationen des Studiendesigns hingewiesen werden, mit dem sich eine Kausalität der beobachteten Assoziation (Risikoerhöhung) nicht zweifelsfrei beweisen lässt, sodass eine abschließende Bewertung des Zusammenhangs noch nicht möglich ist.

    Dennoch darf der Befund nicht ignoriert werden: Bis zur Vorlage von Daten aus kontrollierten Interventionsstudien, die den Zusammenhang überzeugend widerlegen, sollten Neueinstellungen mit Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1)-Analoga Exenatid und Liraglutid (Victoza®) sowie mit Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4)-Inhibitoren Sitagliptin (Januvia®, Xelevia®), Saxagliptin (Onglyza®) und Vildagliptin (Galvus®, Eucreas®) leitliniengerecht nur bei Patienten vorgenommen werden, bei denen das Therapieziel mit den anderen Medikamenten nachweislich nicht oder nur mit anderen schweren Nachteilen erreicht werden kann. Eine Änderung -bereits bestehender Therapien ist nicht zwingend geboten, jedoch sollten die Patienten informiert werden.

    Als Grundlage für die kürzlich publizierte retrospektive Untersuchung von Elashoff et al. wurden Daten aus der Nebenwirkungsdatenbank der amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Adminis-tration (FDA) verwandt, die zu diesen beiden Wirkstoffen in der Zeit zwischen 2004 und 2009 eingingen. Im Ergebnis war die Wahrscheinlichkeit einer berichteten Pankreatitis unter den GLP-1 basierten Medikationen 6-fach erhöht, und auch die Wahrscheinlichkeiten eines berichteten Pankreaskarzinoms oder anderer Krebsarten wie Schilddrüsenkrebs war höher.

    Zum Vergleich wurden die Nebenwirkungsraten von 4 anderen Diabetes-Medikamenten Rosiglitazon (Avandia®), Nateglinid (Starlix®), Repaglinid (NovoNorm®) und Glipizid (ein in Deutschland nicht erhältlicher Sulfonylharnstoff) herangezogen. Wie auch die Autoren einräumen, haben derartige Studien Limitationen in ihrer Interpretierbarkeit (u. a. reporting bias, fehlende Informationen zu anderen Einflussfaktoren). So ist zum Beispiel davon auszugehen, dass in der vorgelegten Arbeit Patienten in unterschiedlichen Krankheitsstadien verglichen wurden und andere wichtige Einflussfaktoren wie HbA1c oder Body-Mass-Index nicht Eingang in die Auswertung finden konnten. Die Nebenwirkungsdatenbank der FDA enthält nur Daten von gemeldeten Verdachtsfällen zu möglichen arzneimittelbedingten Nebenwirkungen und ist keine vollständige Datenbank. Andere Datenbanken insbesondere auch der Hersteller, die detaillierte Datensätze von allen behandelten Patienten über einen langen Zeitraum enthalten, sollten jetzt dahingehend untersucht werden.

    An die FDA werden vor allem Nebenwirkungen neuer Medikamente gemeldet. Aus diesem Grund ist es möglich, dass bei der Auswertung der FDA-Daten in der Publikation von Elashoff der Effekt eines "over-reportings" für die neuen Substanzen Exenatid und Sitagliptin nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte, da die Auftretenswahrscheinlichkeiten dieser sehr ernst zu nehmenden Nebenwirkungen nicht mit denen einer anderen Datenbank verglichen wurden, sondern nur mit den erwartungsgemäß selteneren Meldungen zu älteren Medikamenten. Metformin oder andere, bei uns gebräuchliche Sulfonylharnstoffe wurden ebenfalls nicht verglichen. Als Kontrolle für die Ereignisse Pankreatitis, Pankreas- und Schilddrüsenkarzinom wurden die Ereignisse Rückenschmerzen, Harnwegsinfekt, Brustschmerz, Husten und Synkope gewählt. Auch hier kann es leicht zu einer Verzerrung (Bias) kommen, z. B. durch eine Fehlzuordnung Synkope/Hypoglykämie. Zudem wurden nur Daten einer Subgruppe von Patienten ausgewertet, in der Einflüsse einer Ko-Medikation mit Metformin ausgeschlossen waren. Ein anderes Medikament der Kontrollgruppe (Pioglitazon, Actos®) wurde mit erhöhter Kontroll-Eventrate willkürlich ausgeschlossen. Auch andere Risikofaktoren für Pankreatitiden und Pankreaskarzinome wurden nicht ausreichend berücksichtigt.

    Patientensicherheit steht für die DDG und diabetesDE an erster Stelle. Aus diesem Grund müssen sämtliche Sicherheitsdaten der Inkretin basierten Therapien zugänglich gemacht und öffentlich diskutiert werden. Die DDG und diabetesDE sind sich bewusst, dass die Arbeit von Elashoff et al. aufgrund ihrer methodischen Limitationen eine abschließende Beurteilung der Inkretin basierten Therapien derzeit nicht zulässt und setzt sich dafür ein, dass diesbezüglich Transparenz geschaffen wird. Sobald mehr Daten vorliegen, werden die DDG und diabetesDE eine abschließende Stellungnahme veröffentlichen.

    Für den Vorstand und den Pharmakotherapie-Ausschuss der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und diabetesDE (Stand: 4.3.2011, 14:00).

    Quelle: Elashoff M, Matveyenko AV, Gier B, Elashoff R, Butler PC. Increased Incidence of Pancreatitis and Cancer Among Patients Given Glucagon Like Peptide-1 Based Therapy. Gastroenterology 2011: doi: 10.1053/j.gastro.2011.02.018. Feb 17. [Epub ahead of print]