Die 62-jährige Herta Knorr leidet seit Jahren an einer Kniegelenkarthrose. Beim morgendlichen
Zeitungslesen fällt ihr eine Annonce auf: „Probanden mit chronischen Knieschmerzen
als Testpersonen für neues Medikament (Hyalond) im Rahmen einer klinischen Phase-III-Studie
gesucht!” Nun ist Herta Knorr hellwach. Vielleicht könnte ihr dieses Medikament ja
helfen! Aber eigentlich ist sie doch kein Versuchskarnickel. Und was bedeutet überhaupt
„Phase III”? Sie fragt ihre Ergo-therapeutin Charlotte Kern.
Bezüglich der Studienphasen muss Charlotte recherchieren. Sie erfährt, dass Phase
III die letzte Stufe ist, bevor ein Medikament zugelassen wird. In dieser klinischen
Phase müssen die Forscher insbesondere Wirksamkeit, Sicherheit und Unbedenklichkeit
an einer großen Patientengruppe nachweisen. Oft verwenden sie dafür doppelt verblindete,
randomisierte kontrollierte Studien. Hat sich bestätigt, dass das neue Arzneimittel
einen Nutzen gegenüber der Standardbehandlung bringt, stellt der Hersteller einen
Zulassungsantrag bei den entsprechenden Behörden.
Präklinik: Test im Labor
Präklinik: Test im Labor
Nun ist Charlotte neugierig geworden, wie die anderen Phasen davor aussehen: Haben
Forscher einen neuen Wirkstoff entwickelt, prüfen sie ihn zunächst in sogenannten
präklinischen Untersuchungen - beispielsweise im Labor bzw. im Tier-versuch. Anhand
dieser Testreihen charak te risieren sie die genaue Wirkung der neuen Substanz und
schließen unerwünschte Wirkungen so weit wie möglich aus. Nur diejenigen Wirkstoffe,
die sich dabei als sicher und erfolgversprechend erwiesen haben, dürfen anschließend
in einer klinischen Studie am Menschen geprüft werden.
Klinik: Test an kleinen Gruppen
Klinik: Test an kleinen Gruppen
Der nächste Schritt ist die Phase-I-Studie. In ihr kontrollieren die Forscher die
Sicherheit des neuen Arneimittels an einer kleineren Gruppe aus bis zu 100 gesunden
Teilnehmern. In dieser ersten klinischen Prüfung testet man die Dosierung, die Wirkstoffaufnahme
und -verteilung sowie den Medikamentenabbau im Körper. Auf den Ergebnissen der Phase-I-Studie
bauen die Phase-II-Studien auf, bei denen das Medikament erstmals an Erkrankten erprobt
wird. Hier überprüft man unter anderem die Wirksamkeit, die Dosierung und die Nebenwirkungen
des Präparats.
Ergotherapie kann auf Phasen verzichten
Ergotherapie kann auf Phasen verzichten
Charlotte ist verwirrt. Sie weiß, dass in ergo-therapeutischen Studien meistens das
Ziel ist, herauszufinden, ob eine Intervention wirksam und sicher ist. Aber Nebenwirkungen
zum Beispiel fallen ja normalerweise keine an. Warum findet man im Titel mancher ergotherapeutischer
Studien dann ebenfalls Bezeichnungen wie „Phase II” oder „Phase III”?
Genaugenommen ist das gar nicht notwendig. Denn ergotherapeutische Studien zählen
zu den sogenannten „nichtkommerziellen”. Damit unterliegen sie in Deutschland weder
dem Arzneimittelgesetz (AMG) noch dem Medizinproduktgesetz (MPG), die die Qualität,
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten regeln -
und müssen damit auch die einzelnen Studienphasen nicht durchlaufen. Auch bei ausländischen
Ergotherapiestudien ist es in der Regel nicht nötig, Phasen zu nennen. Doch es gibt
Ausnahmen: Denkbar könnte beispielsweise sein, dass eine große Probandenzahl eine
Zwischenauswertung notwendig macht, die die Autoren dann als „Phase II” bezeichnen.
Manchmal besteht auch die lo kale Ethikkommission auf eine solche Untertei-lung.
Aber es ist auch möglich, dass es einfach gut ausschaut, wenn „Phase III” im Titel
einer Studie auftaucht...
Nachdem Herta Knorr erfahren hat, was sich hinter „Phase III” verbirgt, hat sie sich
bereit erklärt, an der Studie teilzunehmen. Ihrem Knie geht es auch schon besser.
Was sie nicht weiß: Sie ist in der Plazebogruppe gelandet ...
Tabelle nach: Bernhardt J. Sehr frühe Mobilisation nach Schlaganfall. neuroreha 2010;
4: 153–159 Ein neues Behandlungsverfahren oder Medikament zu entwickeln, braucht Zeit,
Geduld und System. Bis eine neue Intervention endgültig zugelassen wird, durchläuft
sie mehrere Phasen.
Klinische Phase |
Was ist das Ziel? |
Phase I |
Das Ziel dieser Phase ist, die Verträglichkeit und Sicherheit der Maß nahme (Therapie/Medikament)
zu bestätigen. Sind die Nebenwirkungen größer als der Nutzen, wird die Studie abgebrochen. |
Phase II |
Dieser Abschnitt dient dazu, die optimale Therapiedosis herauszufinden. |
Phase III |
Hier müssen die Forscher nachweisen, dass das Medikament bzw. die Therapie wirksam
ist. Können sie diesen Nachweis erbringen, erfolgt die Marktzulassung. Dieser Abschnitt
kann Monate bis Jahre dauern. |