Der Klinikarzt 2011; 40(04): 170
DOI: 10.1055/s-0031-1279926
Medizin & Management
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

GOÄ - eine unendliche Geschichte

Mit der Novellierung hakt es noch
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Publikationsdatum:
16. Mai 2011 (online)

 
 
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Die Gebührenordnung für Ärzte "GOÄ" wird im nächsten Jahr 30 Jahre alt; selbst die Novellierung einiger Kapitel aus dem Jahre 1995 ist inzwischen mehr als 15 Jahre alt. Seit Jahren wird die völlig veraltete Gebührenordnung weder dem aktuellen medizinischen Leistungsgeschehen, noch dem medizinischen Fortschritt gerecht. Sowohl für die zahnärztliche Gebührenordnung GOZ, wie für die ärztliche Gebührenordnung GOÄ ist eine Novellierung mehr als überfällig. Ende März hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun den Referentenentwurf zur Aktualisierung für die GOZ-Novellierung vorgelegt; mit der GOÄ-Novellierung hakt es allerdings noch.

GOÄ und GOZ sind von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Rechtsverordnungen. Damit setzt der Staat über eine staatliche Gebührenordnung nicht nur die Entgelte für ärztliche Tätigkeit und die Mindest- und Höchstsätze für ärztliche Leistungen fest, sondern entscheidet auch, ob und wann novelliert werden muss. Mit letzterem hat er es nicht eilig; in wesentlichen Teilen beruht die aktuelle amtliche Gebührenordnung "GOÄ" immer noch auf der Fassung vom November 1982. Wobei dieses damals neu gefasste Gebührenverzeichnis allerdings auf der Ersatzkassen-Gebührenordnung - E-Adgo - von 1978 basierte.

Derzeitige GOÄ hinkt medizinischem Fortschritt hinterher

Diese noch heute gültige, aber total veraltete GOÄ hinkt mangels Aktualisierung dem wissenschaftlichen Fortschritt in der Medizin seit Jahrzehnten hinterher.

Trotzdem sind die Ärzte strikt an das veraltete Gebührenverzeichnis gebunden. Analogbewertungen, mit denen sich dieser Mangel durch Selbstergänzung ausgleichen lässt, sind in der GOÄ nur begrenzt anwendbar. Selbst die Privatversicherer beklagen, dass die Analogbewertung für neue medizinische Verfahren an ihre Grenzen gestoßen ist. Die Folge: die Krankenversicherer verschärfen ihre Rechnungsprüfung. Streitigkeiten über GOÄ- und GOZ-Abrechnungen machen heute einen wachsenden Teil der Arbeit des PKV-Ombudsmannes aus. Das Beschwerdeaufkommen steigt von Jahr zu Jahr, zuletzt um 19 %. Ärzte und Patienten gehen vor Gerichte, die ihrerseits teure Gutachter beauftragen müssen, weil sie die Materie nicht beherrschen. Für alle Beteiligten ist das wenig erquicklich, kostet letztlich das Geld der Versicherten und ist ein erheblicher Störfaktor im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.


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Bundesärztekammer hat ihre Hausaufgaben gemacht

Das alles zeigt, wie überfällig eine Überarbeitung der Gebührenordnung ist, für die sich der Staat so viel Zeit lässt. Laut Dr. Theodor Windhorst, Vorsitzender des Ausschusses Gebührenordnung der Bundesärztekammer (BÄK), hat die BÄK ihre Hausaufgaben gemacht: Unter Einbeziehung der rund 160 verschiedenen ärztlichen Berufsverbände und medizinischen Fachgesellschaften sei das Leistungsverzeichnis komplett überarbeitet und nach einem modernen betriebswirtschaftlichen Bewertungsmodell sauber durchkalkuliert worden.


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Soll Einführung der Öffnungsklausel die Ärzteschaft spalten?

Die Privatversicherer hatten sich für die anstehende GOÄ-Novellierung die Einführung einer Öffnungsklausel gewünscht, die der Arbeitsentwurf auch bereits vorsah. Das hätte der PKV ermöglicht, die Preise für private zahn- und ärztliche Leistungen völlig unabhängig von der GOZ beziehungsweise der GOÄ selbst zu bestimmen. In dem jetzt vom BMG vorgelegten Referentenentwurf der zahnärztlichen Gebührenordnung (GOZ) ist die Einführung einer Öffnungsklausel im allgemeinen Teil allerdings gestrichen. Für die BÄK ist das ein Sieg der besseren Argumente und es gäbe keinen vernünftigen Grund für die Koalition, so Dr. Theodor Windhorst, bei der anstehenden Novellierung der GOÄ einen anderen Kurs einzuschlagen.

Noch kurz vor der Entscheidung des BMGs über die Einführung der Öffnungsklausel hatte der PKV-Verband versucht, mithilfe einer in Auftrag gegebenen Emnid-Studie das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Befragt worden waren 200 praktische Ärzte / Allgemeinmediziner und Internisten aus dem gesamten Bundesgebiet nach ihrer Bereitschaft, besondere Qualitätsvereinbarungen abzuschließen, mehr Generika zu verordnen und über Preise mit sich verhandeln zu lassen. Auf Frage 3: "Da die staatliche Gebührenordnung kaum Abweichungen zulässt, können Verträge zwischen den Ärzten und der privaten Krankenversicherung nur durch sogenannte Öffnungsklauseln ermöglicht werden. Sind Sie dafür oder dagegen, dass durch eine Öffnungsklausel in Zukunft solche Verträge ermöglicht werden?" hatten 114 von 200 Befragten erklärt, dass sie dazu bereit wären. Der PKV-Verband interpretierte dieses Ergebnis so, dass die "absolute Mehrheit" der Ärzteschaft bereit sei, Selektivverträge mit der PKV via Öffnungsklausel abzuschließen. Für Theodor Windhorst ist das ein durchschaubarer Versuch der PKV, die Ärzteschaft zu spalten. Bei 200 befragten Ärzten von der ‚absoluten Mehrheit' der Ärzteschaft zu sprechen, sei absolut grotesk. Auch die privaten Krankenversicherer sollten erkennen, dass ihnen allmählich die Zeit wegläuft, wenn sie wider aller besseren Argumente und gegen die Interessen ihrer Versicherten und der Ärzte auf Einführung einer Öffnungsklausel in der GOÄ bestehen.

Ob und wann die von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler zugesagte Novellierung der GOÄ auf Basis des Vorschlags der Bundesärztekammer kommt, darüber schweigt sich das BMG derzeit noch aus.

Anne Marie Feldkamp, Bochum


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