Der Klinikarzt 2011; 40(05): 260-261
DOI: 10.1055/s-0031-1280709
Blickpunkt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Disziplin, Logistik und Lebensqualität – Die Langzeit-Sauerstofftherapie bei schwerer COPD

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Korrespondenz

Dr. med. Birgit Krause-Michel
Vorsitzende der Deutschen SauerstoffLiga LOT e. V.
Frühlingstraße 1
83435 Bad Reichenhall
Phone: 0 86 51 / 76 21 48   

Publication History

Publication Date:
31 May 2011 (online)

 
 

Der Mensch atmet. Das allein versorgt ihn ausreichend mit Sauerstoff. Wer aber braucht zur Raumluft noch reinen Sauerstoff? Nach den Leitlinien zur Langzeit-Sauerstofftherapie ist eine Verordnung von Sauerstoff notwendig, wenn ein Patient trotz Ausschöpfung aller Medikamente zu wenig Sauerstoff im Blut hat. Er leidet an einer chronischen Unterversorgung – an einer schweren Hypoxie – die nur noch mit Sauerstoff behoben werden kann.

Meist hat der Betroffene eine jahrelange Karriere als Raucher hinter sich. Häufig hat er dem anfangs harmlosen Raucherhusten und dem Auswurf wenig Beachtung geschenkt, aber inzwischen bemerkt er schon bei geringer körperlicher Belastung Atemnot – selbst das Treppensteigen fällt schwer. Der Patient leidet an einer schweren chronisch-obstruktiven Bronchitis, einer COPD Grad IV. Der arterielle Sauerstoffpartialdruck liegt bei mehrfachen Messungen < 55 mmHg. Für den Kranken ist der Sauerstoff die einzige Möglichkeit zu überleben, ein aktives Leben zu führen, soziale Kontakte zu pflegen und vielleicht sogar wieder zu reisen. Dabei erfordert es ein hohes Maß an Disziplin und logistischer Flexibilität, um in allen Lebenssituationen genügend Sauerstoff mit sich zu führen.

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(CD 129, Retired at 50)

Medizinischer Sauerstoff ist ein Medikament

Medizinischer Sauerstoff ist ein Medikament und muss nach ärztlicher Verordnung eingesetzt werden. Bei der ersten Konfrontation mit der Diagnose und den daraus entstehenden persönlichen Konsequenzen ist der Betroffene meist noch damit überfordert, die Aussagen des Arztes zu verarbeiten. Deshalb hat sich die Deutsche Sauerstoffliga zur Aufgabe gemacht, für alle Betroffenen eine strukturierte und bundesweit einheitliche Schulung zu entwickeln. Diese Schulung bleibt ein dynamischer Prozess, der den Patienten sein ganzes Leben lang begleiten sollte.

Der erste Kontakt mit der notwendigen Sauerstoff-Langzeittherapie ist der wichtigste. Nur wenn es dem Arzt gelingt, den Patienten von dieser Therapie zu überzeugen, wird er sie als Chance ergreifen, ein fast normales Leben führen zu können. Neben einfühlsamer, medizinischer Aufklärung und erster technischer Einweisung in die Geräte durch den Lieferanten, gelten folgende Empfehlungen für eine erfolgreiche Sauerstoff-Langzeittherapie (Tab. [1]).

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Tab. 1 Empfehlungen für eine erfolgreiche Sauerstoff-Langzeittherapie.

Es ist wichtig, dass die Therapie bei einem niedergelassenen Pneumologen fortgesetzt wird – auch wenn sich der Patient wohlfühlt. Alle 3 Monate kann durch Blutgasanalysen überprüft werden, ob der Zustand konstant geblieben ist, um möglichst zeitnah auf eine akute Exazerbation reagieren zu können. Dazu sind Blutgasanalysen in Ruhe und unter Belas-tung (6-Minuten-Gehtest) notwendig, um die Sauerstoffmenge zu ermitteln, die der Patient benötigt, damit ein Sauerstoffgehalt im Blut von < 60 mmHg erreicht wird.


Abhängigkeit von Sauerstoff in der Langzeittherapie

Trotzdem müssen die Patienten wissen, dass sie sich mit einer Sauerstoff-Langzeittherapie in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer chronischen Lungenerkrankung befinden. Trotz medikamentöser Therapie haben die Erkrankten immer noch eine deutliche Hypoxämie, d. h. die arteriell gemessenen Blutgaswerte liegen in Ruhe und/oder Belastung unter 55 mmHg. Nach den Leitlinien für eine Sauerstoff-Langzeittherapie müssen die Betroffenen rund um die Uhr, d. h. mindestens 16 Stunden pro Tag, eine konsequente Sauerstofftherapie durchführen.

Die Aussage des Arztes, lebenslänglich von einem Schlauch abhängig zu sein, stürzt viele Patienten zunächst in eine echte Verzweiflung. Sie hadern mit ihrem Schicksal ein Sauerstoffpatient zu sein, und werden die lebensnotwendige Therapie zunächst vorwiegend unbeobachtet anwenden. Im Laufe der Zeit ändert sich jedoch meist diese Einstellung: Die Patienten spüren, dass sie nur mit Sauerstoff mobil sein können, d. h. sie nutzen den Sauerstoff immer regelmäßiger und schließlich rund um die Uhr. Wird die Abhängigkeit vom Sauerstoff zunehmend größer, sowohl körperlich als auch psychisch, können Patienten häufig in Panik geraten, z. B. wenn sie in einen Verkehrsstau geraten und die Sauerstoffkanne nicht mehr genügend gefüllt ist. Solche Panikattacken und die Angst, den lebensnotwendigen Stoff nicht ausreichend bei sich zu haben, belasten den Erkrankten zusätzlich. Diese Spirale "Atemnot – Angst – Panik" ist ein Teufelskreis, aus dem sich der Patient oft nicht mehr befreien kann. Das kann zum einen zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Zum anderen überträgt sich die Panik dieser Patienten auch auf den Partner, der hilflos zusehen muss, wie der Betroffene nach Luft ringt, blau anläuft und vielleicht sogar kollabiert.


Spirale: Atemnot – Angst – Panik

An erster Stelle muss sich der Patient darüber bewusst sein, dass es sich um eine schwere chronische Lungenerkrankung handelt. COPD ist per definitionem eine chronisch-progrediente Erkrankung, die letztlich zum Tod führen wird. Der Patient ist sich dessen zwar bewusst, im Gegensatz zu bösartig progredienten Erkrankungen setzt er sich jedoch mit dieser terminalen Situation meist wenig auseinander. Die Krankenhausaufenthalte oder die Intensivbehandlungen nehmen häufig im Laufe der Jahre zu, der Bedarf an Sauerstoff steigt, oft ist eine zusätzliche Beatmung notwendig. Durch dieses "Auf und Ab" der Erkrankung ist der Patient mit einer schweren chronischen Atemwegserkrankung immer sowohl ein Intensiv- als auch ein Palliativpatient. Unter Notfallbedingungen kann dem Patienten mit seiner lebensbedrohlichen Atemnot durch eine kausale Therapie meist immer wieder geholfen werden. Aus palliativmedizinischer Sicht sollte der Erkrankte mit seinen Angehörigen gemeinsam überlegen, wie er bei einer weiteren Verschlechterung behandelt werden möchte, mit dem Ziel, nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Lebensqualität zu geben.


Atemnot als Symptom in der Palliativmedizin

Atemnot tritt aber auch bei fast 80 % aller Menschen am Ende ihres Lebens auf. Die Palliativmedizin erreicht mit einer guten medikamentösen Therapie bei fast jedem Menschen eine gute Symptomkontrolle. Mit Opiaten und angstlösenden Medikamenten, aber auch mit Verhaltens- und Entspannungstherapie, Atemgymnastik, Musiktherapie und psychotherapeutischen Gesprächen kann die Spirale aus Angst, Panik und Atemnot durchbrochen werden. Je besser der Patient über den Verlauf seiner Erkrankung informiert ist, umso weniger fürchtet er die Zukunft. Dazu braucht er eine gut formulierte Patientenverfügung, in der er genau bestimmt, was er im Falle einer akuten Verschlechterung für sich wünscht. Möchte er vom Notarzt auf die Intensivstation gebracht werden, um hier intubiert und beatmet zu werden? Stimmt er einem Luftröhrenschnitt zu? Möchte er auf keinen Fall ins Krankenhaus eingewiesen werden, sondern durch den Hausarzt oder einen ambulanten palliativmedizinischen Dienst am Ende seines Lebens begleitet werden?

Diese Fragen sollte der Hausarzt oder Lungenfacharzt mit dem Patienten besprechen, aber auch mit seinen Angehörigen. Denn nur durch umfangreiche medizinische Aufklärung kann der Patient Prognose und Lebenserwartung einschätzen.


Fazit

Patienten mit einer schweren chronischen Atemwegserkrankung – einer COPD – haben lange Zeit unter einer konsequent durchgeführten Sauerstoff-Langzeittherapie eine gute Lebensqualität. Aber leider schreitet die Erkrankung im Laufe der Jahre langsam fort. Jeder Patient muss wissen, dass auch eine konsequent durchgeführte Sauerstofftherapie diesen Prozess nicht stoppen kann. Irgendwann wird aus dem Sauerstoffpatienten, der mit seinem kleinen mobilen Sauerstofftank noch in den Urlaub fahren konnte, ein Palliativpatient. Palliativ bedeutet, dass das Therapieziel nicht mehr Lebensverlängerung heißt, sondern Lebensqualität.

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(creativ collection V3.10)



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Dr. med. Birgit Krause-Michel
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83435 Bad Reichenhall
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Tab. 1 Empfehlungen für eine erfolgreiche Sauerstoff-Langzeittherapie.
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