Dialyse aktuell 2011; 15(05): 248-252
DOI: 10.1055/s-0031-1283077
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regionale Fortbildung in Kaiserslautern

Gutes Phosphat – böses Phosphat
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Publication Date:
27 June 2011 (online)

 
 

"Dosis sola facit venenum": "Die Dosis macht das Gift" (Pacelsus, dritte Defensio, 1538) – unter diesem Motto stand die regionale Fortbildung in Kaiserslautern, die im Tagungszentrum des Weiterbildungszentrums der Westpfalz-Klinikum GmbH stattfand. Unterstützt wurde die Veranstaltung durch die Firma Shire Deutschland, hier in Person von Karl-Peter Wald, dem regionalen Vertreter der Firma.

Schon vorneweg: Es gibt kein böses oder gutes Phosphat, sondern entscheidend ist wie so oft im Leben die Ausgewogenheit, die Homöostase. Phosphate sind für den menschlichen Organismus sehr wichtig und unerlässlich, zum Beispiel zur Energiegewinnung bei der Spaltung von ATP (Adenosintriphosphat) in ADP (Adenosindiphosphat) und Phosphat, zum Zellwachstum insgesamt, zur Aufrechterhaltung der Zellmembranen (Phospholipide) und vieles mehr.

Phosphate werden mit der Nahrung aufgenommen. Die Regulation erfolgt vor allem über die renale Ausscheidung, die über das Parathormon mit der Kalziumausscheidung gekoppelt ist. Wenn die Nierenleistung, das heißt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) nachlässt, beginnt der Phosphatspiegel im Serum zu steigen. Eine Tatsache, die erst einmal nicht "weh tut". Erst im Laufe der Zeit führt diese Hyperphosphatämie in Verbindung mit Kalzium zu Verkalkungen von Organen, Blutgefäßen und Weichteilen.

Anfängliche Symptome der Hyperphosphatämie können Juckreiz und Knochenschmerzen sein. Um die Phosphatspiegel im Serum bei nierenkranken Menschen im Normbereich zu halten oder wieder hinzuführen, gibt es in der Medizin unterschiedliche Ansätze, die in den folgenden Referaten zusammengefasst sind.

Therapie mit Phosphatbindern: medizinische Richtlinien umsetzen

Der Phosphatstoffwechsel beim Gesunden ist durch eine ausgeglichene Phosphatbilanz gekennzeichnet, erklärte Dr. Thomas Rath, Kaiserslautern (Abb. [1]). Mit zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion ist die Phosphatausscheidung beeinträchtigt und trotz Dialysebehandlung entsteht ein Phosphatüberschuss. Dieser führt zu einer Ablagerung von Phosphat, insbesondere in den Gefäßen, aber auch im Bindegewebe. Zusätzlich ist der Vitamin-D-Stoffwechsel beeinflusst und die Nebenschilddrüse schüttet vermehrt Parathormon aus. Daher ist das kardiovaskuläre Risiko beim Dialysepatienten deutlich erhöht. Mit steigendem Phosphatwert ergibt sich eine erhöhte Sterblichkeit der Betroffenen, weitgehend unabhängig von Kalzium und Parathormon.

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Abb. 1 Dr. Thomas Rath, leitender Arzt der Abteilung für Nephrologie und Transplantationsmedizin im Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern

Leitlinien zur klinischen Diagnostik und Behandlung von Störungen des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung wurden von der unabhängigen internationalen KDIGO-Stiftung (KDIGO: "Kidney Disease: Improving Global Outcomes") entwickelt. Diese Leitlinien basieren auf den zur Verfügung stehenden Daten aus klinischen Studien und werden anhand der zugrunde liegenden Studienqualität in verschiedene Qualitätsgrade eingestuft. Letztlich können so Empfehlungen für Ärzte und Patienten gegeben werden.

Die KDIGO-Leitlinien empfehlen mit zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion eine regelmäßige Kontrolle der Serumspiegel von Kalziumphosphat, Parathormon und alkalischer Phosphatase. Dabei nimmt die Länge der Kontrollintervalle von anfänglich alle 6–12 Monate auf später alle 1–3 Monate ab. Bedeutsam ist, dass Therapieentscheidungen auf Trends anstatt auf einzelnen Laborwerten beruhen sollten. Das oft noch berechnete Kalzium-Phosphat-Produkt zu nutzen, wird als nicht sinnvoll erachtet. Zusätzlich empfehlen die KDIGO-Leitlinien in vielen klinischen Einzelfällen die Durchführung einer Knochenbiopsie. Auf eine Routinemessung der Knochendichte sollte jedoch verzichtet werden. Ebenfalls wird die routinemäßige Bestimmung von Knochenumsatzmarkern (z. B. Crosslinks) nicht für sinnvoll erachtet.

Aufgrund der zunehmenden Häufigkeit von Gefäßverkalkungen bei erhöhtem Phosphatspiegel ist die Durchführung einer Echokardiografie zum Nachweis oder Ausschluss von Herzklappenverkalkung sowie eine Abdomen-Röntgen-Aufnahme notwendig.

Die von der KDIGO-Stiftung formulierten Therapieziele geben vor, die Serumkonzentration von Phosphat und Kalzium im Normbereich zu halten. Hierzu wird für Dialysepatienten an der Hämodialyse ein Dialysat mit einer Kalziumkonzentration von 1,25 und 1,5 mmol/l vorgeschlagen. Beim Auftreten einer Hyperphosphatämie ist der Einsatz von Phosphatbindern sinnvoll. Grundsätzlich wird von einer Langzeitbehandlung mit aluminiumhaltigen Phosphatbindern abgeraten.

Begleitend sollte immer eine diätetische Phosphatrestriktion durchgeführt werden. Ebenso sollte danach getrachtet werden, die Phosphatelimination an der Dialyse zu erhöhen. Bei Patienten mit gleichzeitiger Hyperphosphatämie und Hyperkalzämie sollte man die Dosis kalziumhaltiger Phosphatbinder und die Dosis von Vitamin-D-Präparaten verringern.

Für Patienten an der Dialyse ist ein Parathormonwert in einem Bereich des 2- bis 9-Fachen des oberen Normwertes sinnvoll. Bei der Notwendigkeit zur Senkung des Parathormons sollten Vitamin-D-Präparate, Calcimimetika oder eine Kombination der Substanzen eingesetzt werden. Beim Nichtansprechen auf die medikamentöse Therapie ist die operative Entfernung der Nebenschilddrüse sinnvoll.

Generell soll eine Osteoporosetherapie bei Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung entsprechend den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung durchgeführt werden. Zur Auswahl der Behandlungsoptionen und Abschätzung der Störung des Mineral- und Knochenhaushaltes bei Patienten mit fortgeschrittenem Stadium der Nieren-insuffizienz und niedriger Knochendichte und/oder Frakturen ist die Durchführung einer Knochenbiopsie zu erwägen.

Auch nach einer erfolgreichen Nierentransplantation sind regelmäßige Kontrollen von Serumkalzium und Phosphat so lange notwendig, bis stabile Werte erreicht sind. Eine Knochendichtemessung in den ersten 3 Monaten nach der Transplantation ist sinnvoll. Bei niedriger Knochendichte sollte dann eine medikamentöse Therapie mit Vitamin D oder Biphosphonaten erwogen werden. Dabei ist auch hier die Durchführung einer Knochenbiopsie unter Umständen sinnvoll.

Insgesamt sind die KDIGO-Leitlinien eine sehr sinnvolle Empfehlung zur Behandlung von Störungen des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung. Von Bedeutung erscheint neben der Phosphatrestriktion der Einsatz von Phosphatbindern. Zusätzlich hält man in vielen Einzelfällen die Durchführung einer Knochenbiopsie zur weiteren Therapiesteuerung für notwendig.


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Ernährung bei Nierenersatztherapie: Klippen des Phosphatstoffwechsels

Es gibt keine einheitliche "Diät" für Menschen mit Nierenersatztherapie. Vielmehr sollte die Ernährung bei jedem Patienten individuell durch das Dialyseteam erarbeitet werden und auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt sein, erläuterte Ruth Kauer, Bernkastel-Kues (Abb. [2]). Die tägliche Ernährung von Dialysepatienten beinhaltet ein abwechslungsreiches, hochwertiges Essen mit frischen Lebensmitteln – einschließlich einer definierten Menge an frischem Obst und Gemüse. Industriell aufgearbeitete und konservierte Produkte sollte man möglichst vermeiden.

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Abb. 2 Ruth Kauer, Ernährungsberaterin, Dialysepraxis Bernkastel-Kues.

Die Dialysebehandlung führt zu einem erhöhten Kalorien- und Eiweißbedarf bei dem Betroffen. Zur Vermeidung einer Malnutrition sollte der Ernährungsstatus im Hinblick auf Protein und Energie regelmäßig überprüft werden. Die Malnutrition führt bei Dialysepatienten zu einer höheren Mortalität.

Dialysepatienten haben darüber hinaus ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, welches auf eine progressive Gefäßverkalkung zurückzuführen ist. Neben den bekannten Risikofaktoren Cholesterin und Bluthochdruck kommt beim Dialysepatienten zusätzlich der gestörte Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel eine zentrale Rolle zu.

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Abb. 3 Reges Treiben am AfnP-Stand..
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Abb. 4 Diskussionen in den Pausen und am Ende der Vorträge.
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Abb. 5 Karl-Peter Wald, Regionalvertreter Shire Deutschland GmbH, Siegfried Tijunelis und Manfred Breit, Ländervertreter Rheinland-Pfalz, in der letzten Phase der Planungen (von rechts nach links).

Täglich werden circa 1000–1200 mg Phosphat über die Ernährung aufgenommen. Die Dialysebehandlung entfernt pro durchgeführter Dialyse circa 700–900 mg Phosphat. Somit kommt es bei Menschen mit Nierenersatztherapie zu einer positiven Phosphatbilanz von circa 2000–2500 mg pro Woche. Zur Vermeidung einer dauerhaften Hyperphosphatämie kommt der Kombination aus der optimalen Zubereitung der Lebensmittel und der flexiblen Einnahme der verordneten Phosphatbinder eine große Bedeutung zu.

Die Dosis und Einnahme der Phosphatbinder sollte auf die Mahlzeiten und in Abhängigkeit des Wirkstoffes im Idealfall bei jedem Patienten individuell angepasst werden. Grundsätzlich gilt für die Ernährungsberatung bei Dialysepatienten:

  • Individuelle Probleme erfordern individuelle Lösungen.

  • Der Ausgleich von Wissensdefiziten bei den Betroffenen ist notwendig.

  • Die Wichtigkeit einer guten, vollwertigen Ernährung bei der Nierenersatztherapie ist herauszustellen.


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Vierzig Jahre Dialysetätigkeit – was hat sich bewährt?

In einem lebendigen Vortrag erzählte Siegfried Tijunelis, Höringen, aus den Anfängen seiner Hämodialysetätigkeit. Beginnend von den ersten Gerätschaften – im Vergleich zu dem heutigen Standard fast unglaublich, vor allem für die jüngeren Zuhörer: Die Herstellung der Dialysierflüssigkeit, das Bespannen der Kylldialysatoren – aus heutiger Sicht eher Abenteuer als ernst gemeinte Medizin, aber es funktionierte.

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Abb. 6 Siegfried Tijunelis, Fachpfleger für Nephrologie und AfnPLänderverteter Rheinland-Pfalz.

Ein weiteres Highlight waren die Schilderungen über die anfänglichen Möglichkeiten der Gefäßzugänge, erwähnt sei hier der Scribnershunt mit all seinen Nachteilen und Komplikationen. Besonders am Herzen lag Herrn Tijunelis immer, durch die Enge der Dialyseabteilung bedingt, das Training und die Durchführung der Heimhämodialyse. Beeindruckend waren auch die Schilderungen über die Dankbarkeit der Patienten. Am Ende seines Vortrages wurde Herr Tijunelis mit "standing ovations" verabschiedet.

Siegfried Tijunelis ist nun schon jahrelang unermüdlich im Einsatz beim AfnP-Symposium. Er gehört schon zum Inventar, als Moderater im Stadtsaal Fulda ist er vielen bekannt. Seine ruhige, ausgeglichene und verlässliche Art machen ihn zu einer unverzichtbaren Stütze in der AfnP. Wir sind sehr froh, dass er auch weiterhin für die Aufgaben in der AfnP zur Verfügung steht.


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Fazit

Etwa 70 Besucher nahmen an der regionalen Fortbildungsveranstaltung der AfnP teil – eine durchaus gelungene Veranstaltung. Die Teilnehmer hörten jeden Vortrag mit Spannung an, und am Ende brachten sie sich in Form von Fragen und Diskussionen aktiv in das Geschehen ein. Besonders angenehm waren auch die Rahmenbedingungen und die Gastfreundlichkeit in dem Tagungszentrum des Westpfalz-Klinikums Kaiserslautern. Am Ende der Vorträge wurde ein Imbiss in Form eines kleinen Buffets geboten, sodass jeder Teilnehmer nicht nur seinen geistigen Hunger stillen konnte.

Zum Schluss möchte ich mich noch bei den Ländervertretern des Saarlandes bedanken, die aktiv an der Gestaltung und Durchführung dieser Fortbildung beteiligt waren. Ein besonderer Dank an die Ehefrauen der Ländervertreter, die als "gute Geister" wesentlich zu dem leiblichen Wohl der Gäste, aber auch zu einem reibungslosen Ablauf "hinter den Kulissen" ihren Beitrag leisteten.

Manfred Breit, Föhren

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So können Sie uns erreichen:
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Tel.: 0 73 45/2 29 33; Fax: 0 73 45/75 40
E-Mail: info@afnp.de; Internet: http://www.afnp.de


Vorstand der AfnP e.V.

  • Marion Bundschu (1. Vorsitzende)

  • Hans-Martin Schröder (stellv. Vorsitzender)

  • Gabriele Steck (Schatzmeisterin)

  • Albin Leidinger (Schriftführer)


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Abb. 1 Dr. Thomas Rath, leitender Arzt der Abteilung für Nephrologie und Transplantationsmedizin im Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern
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Abb. 2 Ruth Kauer, Ernährungsberaterin, Dialysepraxis Bernkastel-Kues.
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Abb. 3 Reges Treiben am AfnP-Stand..
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Abb. 4 Diskussionen in den Pausen und am Ende der Vorträge.
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Abb. 5 Karl-Peter Wald, Regionalvertreter Shire Deutschland GmbH, Siegfried Tijunelis und Manfred Breit, Ländervertreter Rheinland-Pfalz, in der letzten Phase der Planungen (von rechts nach links).
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Abb. 6 Siegfried Tijunelis, Fachpfleger für Nephrologie und AfnPLänderverteter Rheinland-Pfalz.
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