Obwohl eine Infektion mit Respiratory-Syncitial-Virus (RSV) als Infekt der oberen
Atemwege beginnt, verbreiten sich die Viren bei Säuglingen und jungen Kindern schnell
in die peripheren Abschnitte der unteren Atemwege und verursachen das schwere Krankheitsbild
einer Bronchiolitis und /oder einer Pneumonie. RSV ruft die meisten Infektionen der
unteren Atemwege in den ersten 2 Lebensjahren hervor, in den USA werden mit dieser
Diagnose von 1 000 Säuglingen 3–9 im 1. Lebensjahr hospitalisiert. Unter unseren klimatischen
Bedingungen finden epidemische RSV-Infektionen in den Monaten September/Oktober bis
April/Mai statt. Die Infektiosität ist hoch, man schätzt, dass während der Saison
etwa 20% der Kinder bereits nosokomial infiziert werden, weshalb man schon vor der
Verlegung der Risikokkinder von der Intensivpflegestation- auf eine normale Station
oder vor Entlassung nach Hause auf den Aufbau eines immunologischen Schutzes drängt.
Wenn auch fast alle Kinder in den ersten 2 Lebensjahren die RSV-Infektion durchgemacht
haben, kommen wiederholte RSV-Infektionen in späterem Alter vor. Bei älteren Kindern
und Erwachsenen stehen leichtere Symptome der oberen Atemwege im Vordergrund, im Greisenalter
werden die Verläufe erneut schwerer. Sowohl Morbidität als auch die Mortalität ist
in den Risikogruppen „sehr unreife Frühgeborene mit bronchopulmonaler Dysplasie, junge
Kinder mit angeborenen Herzfehlern, Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen oder mit
chronischen Immundefekten und Kinder mit pulmonalen Erkrankungen wie zystische Fibrose
und Ziliendyskinesie“ hoch, sodass vordringlich für diese Risikogruppen effektive
Präventivmaßnahmen in den ersten Lebensjahren angestrebt werden.
Bisherige Studien mit intravenösem RSV-Immunglobulin haben mit Blick auf die Hospitalisierung
keine Überlegenheit dieses Vorgehens im Vergleich zur alleinigen supportiven Therapie
belegen können. Demgegenüber konnte 1998 in der nordamerikanischen Studie „Impact“
[1] mit monatlichen intramuskulären Injektionen von Palivizumab bei sehr unreifen Frühgeborenen
mit und ohne bronchopulmonaler Dysplasie und in einer nachfolgenden Untersuchung [3] auch bei Kindern mit kongenitalen hämodynamisch wirksamen Herzfehlern die Rehospitalisation
auf etwa die Hälfte [8] reduziert werden. Dieser humanisierte monoklonale Antikörper bindet das Fusionsprotein
des RS-Virus und behindert damit das intrazelluläre Eindringen. Wenn sich auch die
theoretische Frage stellt, ist der Krankheitsverlauf infolge der passiven Immunisierung
milder oder handelt es sich um eine spezifische Prophylaxe, haben die DGPI, DGPK,
DPP und die GNPI eine gemeinsame Empfehlung verabschiedet [4], welche Kinder prophylaktisch behandelt werden sollen. Ziegler und Straßburg [10] berichten, dass von 318 Kinder mit Geburtsgewicht unter 1 500 g in Deutschland nur
38,1% bis zum Alter von 2 Jahren Palivizumab erhalten hatten. Die berichteten Daten
lassen nicht erkennen, auf welcher individuellen Entscheidungsgundlage die Prophylaxe
gegeben oder für nicht notwendig erachtet worden war.
Von Simon et al. [9] werden nun Daten einer großen deutschen multizentrischen Beobachtungsstudie über
die Akzeptanz und erzielte Wirkung der Immunprophylaxe mit Palivizumab vorgelegt.
Der Datenrücklauf war geringer als bei den ESPED-Erhebungen, bei denen wegen der Seltenheit
der Erkrankungen mit einem höheren Interesse aller Teilnehmer gerechnet werden kann
[5]. Die Autoren berichten über 49 608 Antikörperinjektionen bei 10 686 Kindern. Etwas
mehr als ein Drittel (35%) erhielt in der Infektionssaison insgesamt mehr als 5 monatliche
Antikörpergaben. Die erste Injektion erfolgte noch in der Klinik, die Fortsetzung
dann ambulant bei einem weiter betreuenden Arzt, nachdem die Eltern vor der Entlassung
im Krankenhaus vom Neonatologen aufgeklärt wurden.
Schwere Nebenreaktionen waren selten, ein möglicher Zusammenhang mit der Antikörpergabe
bestand nur in 6 von 10 686 untersuchbaren Patienten (0,06%), davon starb ein Kind
an SIDS, ein weiteres Kind an einem nicht diagnostizierten fieberhaften Infekt und
ein Kind mit einem Herzfehler an einem Herzstillstand bei ventrikulärer Arrhythmie,
eine Anaphylaxie wurde in keinem Fall diagnostiziert.
Die Anzahl der untersuchbaren Kinder fiel im Verlaufe der mehrjährigen Studie ab,
zu Beginn (im Jahre 2002/2003) betrug sie 26%, bei ihrem Ende (2006/2007) nur noch
13%; es ist anzunehmen, dass die umfangreiche Administration und Budgetsicherung hierfür
verantwortlich war. Bewertete man nämlich die Adhärenz der Eltern zu dem Behandlungsplan
der Immunisierung, so war sie als sehr gut bei 73%, gut bei 18%, mäßig bei 6% und
als schlecht bei nur 3% eingestuft worden.
Insgesamt 324 Säuglinge von 9833 (3,3%) wurden stationär in den 5 Perioden mit RSV-Infektion
(Kalendermonate September bis Mai 2002–2007) aus unterschiedlichsten Gründen stationär
aufgenommen. Die allerdings nicht bei allen Patienten vollzogenen Virusnachweise bestätigten
eine RSV-nfektion bei 156 Patienten, d. h. eine Rate von 2,5% spezifischer RSV-Erkrankungen
bei Kindern, die vor der postpartalen Entlassung Palivizumab erhielten. Jedenfalls
wurden 111 (33%) der wiederaufgenommen Kinder intensivmedizinisch behandelt, 57% benötigten
eine erhöhte Sauerstoffgabe und 44 (13%) wurden sogar beatmet.
Als zusätzliche Risiken zur Frühgeburtlichkeit waren von Döhring et al. [2] die bronchopulmonale Dysplasie und ein Geschwisterkind im Kindergarten- oder Schulalter
ausgemacht worden. Auch die Daten von Simon et al. veranschaulichen die klinisch relevante
Morbidität der Risikopopulation und rechtfertigen die aufwändigen Maßnahmen, die hier
eine RSV-Infektion verhindern oder ihren Verlauf abmildern sollen.
In Übereinstimmung mit Gross et al. [6] wurde ferner bestätigt, dass die meisten „Therapieversager“ bereits in dem Zeitabschnitt
der beiden ersten Palivizumab-Injektionen vorkommen. Offensichtlich wird der volle
passive Schutz erst später erreicht, was eindeutig für anfänglich kürzere Injektionsintervalle
bzw. höhere Antikörpergaben zu Beginn spräche – so ergibt sich auch für dies Medikament,
das zwar generell eine Zulassung für Frühgeborene besitzt, eine Off-label-Indikation
[7].
Eine weitere Bemühung, die Immunprophylaxe zu verbessern, war auch die Entwicklung
eines neuen Schutzantikörpers (Motavizumab), weil stärkere, vor allem lokale, aber
auch systemische Reaktionen beobachtet wurden, hat man die vorerst nur in USA beabsichtigte
Produktanmeldung im Dezember 2010 zurückgezogen.
Natürlich wird es auch weiterhin nicht gelingen, alle Kinder vor RSV-Infektion zu
schützen, aber schon die zunehmende Erkenntnis, dass prophylaktisch behandelte Säuglinge
mit Unreife <35 Schwangerschaftswochen und zusätzlichen Risikofaktoren wie bronchopulmonale
Dysplasie, kongenitale Herzfehler, angeborene Immunschwäche und neuromuskuläre Erkrankungen
seltener aufgenommen und auch seltener intensivmedizinisch behandelt werden müssen,
macht die monatlichen Antikörpergaben in dem Zeitraum einer RSV-Epidemie sinnig.