Ob eine Koronarstenose klinisch relevant ist und eine Stentimplantation tatsächlich
indiziert ist, lässt sich oftmals nur schwer beurteilen. Die Messung der fraktionellen
myokardialen Flussreserve (FFR) ermöglicht eine objektive Bewertung der hämodynamischen
Schwere der Stenosen. Unnötige Stentimplantationen lassen sich auf diese Weise vermeiden,
was sich in deutlichen Kosteneinsparungen niederschlägt.
Eine ischämiegebende Stenose, die nicht behandelt wird, ist mit einem 6-fach erhöhten
Mortalitätsrisiko und einem 12-fach erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse
assoziiert [1]. Demgegenüber hat ein Stenting von Koronarstenosen, die nicht für eine Ischämie
verantwortlich sind, keinen positiven Effekt auf die Prognose [2]. Ob eine mittelgradige Stenose klinisch relevant und damit behandlungsbedürftig
ist, ist mittels Koronarangiografie selbst für erfahrene Kardiologen nur schwer zu
beurteilen, gab Prof. Volker Klauss, München, zu bedenken. Vor allem bei koronaren
Mehr-Gefäßerkrankungen sei die Identifizierung einer relevanten Stenose oft schwierig.
Zuverlässige Ischämiediagnostik
Zuverlässige Ischämiediagnostik
Eine Technik, die die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Therapie vereinfacht und
dazu beiträgt, unnötige Stent-implantationen zu vermeiden, ist die Messung der fraktionellen
Flussreserve (FFR). Die FFR-Messung liefert eine detaillierte physiologische Analyse
der Blutflussblockaden in den Koronararterien. FFR definiert das Verhältnis von poststenotischem
Mitteldruck zum aortalen Mitteldruck unter Hyperämie. Somit lässt sich mit der FFR-Messung
direkt während der Herzkatheteruntersuchung abklären, welches Gefäß bzw. welche Stenose
eine Ischämie verursacht und eine Stentimplantation benötigt. "Schon im Katheterlabor
kann entschieden werden, ob der Patient behandelt werden muss oder nicht", sagte Klauss.
Abb. 1 FAME-Studie: primärer Endpunkt nach 2 Jahren.
Die FFR-Messung kann unter Verwendung von PressureWire® Aeris und PressureWire® Certus
erfolgen. PressureWire® Certus kam als einziges FFR-Messsystem in der FAME-Studie
(FAME = Fractional Flow Reserve (FFR) vs. Angiography in Multivessel Evaluation) zum
Einsatz [3]. In die prospektive, randomisierte, zweiarmige Multicenterstudie wurden 1005 Patienten
mit einer koronaren Mehrgefäßerkrankung eingeschlossen. Nach angiografischer Ermittlung
relevanter Stenosen von mindestens 50 % wurde in einem Studienarm zusätzlich eine
FFR-Messung durchgeführt. Nur wenn der myokardiale FFR-Wert der Stenosen unter dem
Grenzwert von 0,80 lag, wurde ein medikamentenfreisetzender Stent implantiert. Im
konventionell angiografisch geführten Kontrollarm wurden hingegen alle Stenosen ≥
50% mit medikamentenfreisetzenden Stents versorgt.
Bessere Prognose, geringere Kosten
Bessere Prognose, geringere Kosten
In beiden Studienarmen wurden durchschnittlich etwa 3 Stenosen pro Patient identifiziert.
In der Angiografie-Gruppe wurden im Mittel 2,7 ± 1,2 Stents pro Patient implantiert,
in der FFR-Gruppe hingegen nur 1,9 ± 1,3 Stents (p < 0,001) – bei vergleichbarer Prozedurdauer
(70 versus 71 Minuten). Der Verbrauch an Kontrastmitteln war signifikant geringer
in der FFR-Gruppe (p < 0,002); zudem konnten Materialkosten eingespart werden (p <
0,001). Trotz der geringeren Anzahl implantierter Stents war die Inzidenz schwerwiegender
kardiovaskulärer Ereignisse wie Tod, Myokardinfarkt oder erneute Revaskularisation
bei FFR-gestützter Behandlung im Vergleich zu der konventionell angiografisch geführten
Gruppe signifikant niedriger (13,2 versus 18,3 %, relative Risikoreduktion 28 %; p
= 0,02). Der Benefit der FFR-geführten Therapie auf das Überleben ohne schwerwiegende
kardiale Ereignisse war auch nach 2 Jahren noch zu erkennen. Die 2-Jahresrate der
Mortalität und der Myokardinfarkte war in der FFR-Gruppe um 4,5 % niedriger als in
der Angiografie-Gruppe (relative Risikoreduktion: 34 %; p = 0,02) [4].
Die FFR-gestützte Behandlung war auch mit Kosteneinsparungen assoziiert. Nach einem
Jahr waren die Gesamtbehandlungskosten in der FFR-Gruppe um 14 % niedriger als in
der allein Angiografie-Gruppe [3]. Diese geringeren Behandlungskosten sind laut Klauss das Ergebnis geringerer Verfahrenskosten,
geringerer Nachsorgekosten für schwerwiegende Ereignisse und kürzerer Krankenhausaufenthalte.
In Deutschland belaufen sich die eingesparten Kos-ten auf 300 Euro pro Patienten,
so der Kardiologe.
Fazit für die Praxis
"FFR ist der Goldstandard zur Abklärung angiografisch unklarer Stenosen", resümierte
Klauss. Bei Patienten mit koronaren Mehrgefäß-Erkrankungen wird die Prognose im Vergleich
zu einer allein angiografisch geführten PCI verbessert. Die FFR-Messung ist nicht
nur kosteneffektiv, sondern spart sogar Kosten ein. Sie kann von jedem invasiv tätigen
Kardiologen angewendet werden und sollte Bestandteil jedes Herzkatheter-Labors sein.
Im Hinblick auf die Kosteneffizienz der Technik sind entsprechende Änderungen am DRG-System
wünschenswert, um einen breiteren Einsatz der FFR-Messung zu ermöglichen.
Abdol A. Ameri, Weidenstetten
Quelle: Pressekonferenz "Vor der Stentimplantation kommt die FFR-Messung – Fortschritt
für Patienten und Kassen" am 29. April 2011 in Mannheim. Der Text entstand mit freundlicher
Unterstützung von St. Jude Medical GmbH, Eschborn.