Dialyse aktuell 2011; 15(07): 374
DOI: 10.1055/s-0031-1287709
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulante Versorgung von CKD-Patienten – Wie effektiv ist die Koordination durch Pflegekräfte?

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Publication Date:
06 September 2011 (online)

 
 

    Quelle: Barrett BJ, Garg AX, Goeree R et al. A nurse-coordinated model of care versus usual care for stage 3/4 chronic kidney disease in the community: a randomized controlled trial. Clin J Am Soc Nephrol 2011; 6: 1241–1247

    Thema: Es gibt derzeit weltweit keine einheitliche optimale Strategie, um stabile chronisch niereninsuffiziente Patienten im CKD-Stadium (CKD: "chronic kidney disease") 3–4 ambulant zu versorgen. In Großbritannien wird Wert auf elektronische Akten und die Früherkennung chronisch Nierenkranker gelegt, um diese dann rechtzeitig zum Nephrologen zu überweisen. In anderen Ländern werden multidisziplinäre Teams zur Versorgung chronisch Nierenkranker eingesetzt. Auch Krankheits-Management-Programme werden vor allem in den USA evaluiert.

    Projekt: Die vorliegende kanadische randomisierte Studie vergleicht ein neues Koordinierungsmodell durch Krankenpflegekräfte (Intervention) mit der üblichen Versorgung durch Hausärzte (Kontrolle) von chronisch nierenkranken Patienten im CKD Stadium 3–4. Beide Gruppen konnten die Hilfe eines Nephrologen in Anspruch nehmen. Die Autoren schlossen 474 chronisch nierenkranken Patienten, die über Laborwerte in Hausarztpraxen identifiziert wurden und eine mediane geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) von 42 ml/min/1,73 m² aufwiesen, in die Studie ein. 32 % der Patienten waren Diabetiker, 60 % wiesen kardiovaskuläre Risikofaktoren und/oder Erkrankungen auf, die Proteinurie war gering. Nur 4 % der eingeschlossenen Patienten waren vor Beginn der Studie in nephrologischer Betreuung. Die mediane Beobachtungsdauer betrug 742 Tage.

    Das Selbstmanagement und ein kollaborativer Arbeitsstil wurden unterstützt. Klinische Ereignisse und die eGFR wurden alle 4 Monate aufgezeichnet. Mithilfe von standardisierten Protokollen arbeitete das Interventionsteam zielgerichtet zur Modifikation der kardiovaskulären Risikofaktoren und zur Progressionshemmung der chronischen Niereninsuffizienz. Die Behandlungsziele umfassten:

    • RR < 130/80 mmHg

    • Einsatz von Hemmern des Renin-Angiotensin-Systems (RAS)

    • Minimierung der Proteinurie

    • LDL ("low density lipoprotein") < 2,5 mmol/l

    • Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung oder Diabetes

    • Hämoglobin (Hb) > 105 g/l

    • HbA1c < 7,0 %

    • Serumbikarbonat > 22 mmol/l,

    • Serumphosphat < 1,8 mmol/l

    • Transferrinsättigung > 0,2

    Ergebnisse: Die durchschnittliche Verschlechterung der eGFR in 20 Monaten betrug –1,9 ml/min/1,73 m². Die eGFR verschlechterte sich um mehr als 4 ml/min/1,73 m² innerhalb von 20 Monaten bei 28 (17 %) der Interventionspatienten und bei 23 (13,9 %) der Kontrollpatienten. Bluthochdruck, LDL und Diabetes waren in beiden Gruppen vergleichbar gut eingestellt. In der Interventionsgruppe war ein Trend für einen generell häufigeren Einsatz von RAS-Hemmern und von Statinen bei Patienten mit initial über 2,5 mmol/l erhöhten LDL-Werten zu verzeichnen. Anämie, Azidose oder Störungen des Mineralhaushalts waren in beiden Gruppen nur selten behandlungsbedürftig. Klinische Ereignisse traten mit 5,2 % pro Jahr auf.

    Fazit: Die chronisch nierenkranken Patienten wiesen zum Studienbeginn eine stabile Nierenfunktionseinschränkung im Stadium 3–4 sowie beeinflussbare kardiovaskuläre Risikofaktoren auf. Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 24 Monaten fand sich kein Unterschied zwischen beiden Gruppen bezüglich der Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren und der Progressionshemmung der chronischen Niereninsuffizienz.

    Schlüsselwörter: CKD – kardiovaskuläre Risikofaktoren – Koordination der Versorgung durch eine Pflegekraft

    PD Dr. med. et MME Sylvia Stracke, Greifswald

    Kommentar

    Diese Studie wurde durchgeführt, um die Effektivität eines krankenpflegekraftbasierten Koordinierungsmodells für die ambulante Versorgung chronisch nierenkranker Patienten im CKD-Stadium 3–4 zu evaluieren. In der Interventionsgruppe verbrachten die Patienten die meiste Kontaktzeit mit den Krankenpflegekräften, welche bei Bedarf einen Nephrologen hinzuziehen konnten. Dieses Versorgungsmodell hatte ähnliche Effekte auf die Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren wie die Versorgung durch den Hausarzt. Limitationen der Studie waren folgende: Von den Hausärzten wurden nierenkranke Patienten für die Studie ausgewählt, die nicht zum Nephrologen überwiesen worden waren und somit eher eine stabile Nierenfunktionseinschränkung aufwiesen. Möglicherweise wurden die "besten" Patienten ausgewählt, weil befürchtet wurde, dass Rückschlüsse auf die Behandlungsqualität des jeweiligen Hausarztes gezogen werden könnten. Ein "Bias" kann durch die Mitteilung der Laborergebnisse an die Hausärzte entstanden sein, die möglicherweise die jeweiligen Laborwerte von sich aus nicht gemessen hätten.

    Folgende weitere Schlussfolgerungen können wir aus dieser Studie ziehen: Chronisch nierenkranke Patienten, die über Laborwerte in Hausarztpraxen identifiziert werden, haben zumeist keine progressiven Nierenerkrankungen und es muss diskutiert werden, inwieweit und in welchen zeitlichen Abständen diese Patienten spezialisierte nephrologische Leistungen überhaupt benötigen. Diese Patienten haben trotz guter Einstellung der traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Das hier vorgestellte krankenpflegekraftbasierte Koordinierungsmodell ist effektiv und sollte weiter evaluiert werden

    PD Dr. med. et MME Sylvia Stracke, Greifswald


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