Aktuelle Dermatologie 2012; 38(01/02): 37-39
DOI: 10.1055/s-0031-1291518
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tinea corporis bullosa bei einer 39-jährigen Mutter und ihrer 4-jährigen Tochter

Tinea corporis bullosa in Two Cases: 39-Year Old Mother and her 4-Year Old Daughter
M. Ruprecht
¹   Haut und Allergie | Zentrum Brunnehof, Uster/Schweiz
,
W. Kempf
²   kempf und pfaltz. histologische diagnostik, Zürich/Schweiz
,
T. Plaza
¹   Haut und Allergie | Zentrum Brunnehof, Uster/Schweiz
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Tobias Plaza
Haut- und Allergie-Zentrum Brunnehof
Oberlandstraße 100
8610 Uster
Schweiz   

Publication History

Publication Date:
09 January 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten von einer 39-jährigen Hausfrau und ihrer 4-jährigen Tochter, bei denen jeweils bullöse Hautveränderungen auftraten. Die Histologie zeigte die seltene Form einer bullösen Tinea corporis. Infektionsquelle war die an Microsporum canis erkrankte Hauskatze. Bei bullösen Hautveränderungen sollte daher eine Tinea corporis mitbedacht werden.


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Abstract

We report on a 39-year old female patient and her 4-year old daughter with bullous lesions of the skin. Histology showed a bullous tinea corporis, probably caused by the proven microsporum canis-infection of their cat. Whenever especially patients with pets suffer from bullous skin lesions a tinea corporis bullosa should be considered.


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Fallbericht

Anamnese

Bei Erstvorstellung berichtet die 39-jährige Hausfrau, dass sie seit einigen Tagen unter zum Teil juckenden, geröteten und nässenden Hautveränderungen insbesondere an den Beinen leide. Kurz zuvor seien bei der 4-jährigen Tochter ebenfalls ähnliche Veränderungen an Beinen und Brustkorb aufgetreten, zudem leide die Tochter seit etwa drei Wochen an einer schuppenden Rötung am Arm. Da die Katze der Familie von der Tierärztin aufgrund eines Hautpilzes behandelt worden sei, habe die beratende Apothekerin unter der Hypothese einer Pilzerkrankung eine Therapie mit Clotrimazol-Creme (Canesten©) empfohlen. Darunter sei es zu jedoch zu keiner Besserung gekommen, sondern es seien neue Stellen mit gelblichen Belägen dazugekommen.

Unter Berücksichtigung der Angaben der Patientin führten wir zunächst einen Hautabstrich zur Bakteriologie durch und legten ein mykologisches Direktpräparat sowie eine Pilzkultur an. Außerdem leiteten wir eine Lokaltherapie mit Ciclopirox-Creme (Mycoster©) und Fusidinsäure-Creme (Fucidin©) ein.

Einen Tag nach der ersten Vorstellung bei uns stellten beide Patientinnen neue, pralle Blasen fest, sodass eine erneute Vorstellung erfolgte ([Abb. 1 a – c]). Aufgrund der neuen, bullösen Hautveränderungen entschieden wir uns zur Biopsie mit direkter Immunfluoreszenz.

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Abb. 1 Klinischer Befund der Tinea corporis bullosa, (a) und (b) Mutter, (c) Tochter.

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Befunde

Körperliche Untersuchung

Mutter: Es zeigten sich an den Unterarmen sowie am linken Bein und vereinzelt am Stamm singulär aufgetretene, juckende, zirka 1 cm durchmessende Bläschen mit klarem Inhalt auf erythematösem Grund ([Abb. 1 a] und b).

Tochter: Man sah auf der Brust teils gyriert angeordnete, disseminierte Bläschen mit klarem Inhalt auf erythematösem Grund. An den Oberschenkeln beidseits mit gelben Krusten belegte Erosionen ([Abb. 1 c]).


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Histologie und direkte Immunfluoreszenz

In Anbetracht des Nachweises zahlreicher Pilzhyphen im Stratum corneum ließen sich die Befunde einer Mykose im Sinne einer Tinea corporis zuordnen. Es fanden sich auch in der direkten Immunfluoreszenz keine Hinweise für eine autoimmunbullöse Dermatose. Somit lautete die histologische Diagnose Tinea corporis bullosa ([Abb. 2]).

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Abb. 2 a – c Histologie Tinea corporis bullosa.

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Labordiagnostik

Mikrobiologie

Im Hautabstrich fanden sich vereinzelt Keime der normalen Hautflora.


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Mykologie

Die Pilzkultur wurde standardisiert auf Kimmig-Agar durchgeführt und 4 Wochen bei 27 Grad Celsius bebrütet. Die Ablesungen erfolgten jeweils wöchentlich. Es konnte kein Pilz nachgewiesen werden.


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Mykologie der Katzen

Laut Aussagen des behandelnden Tierarztes ließ sich in der von der Katze durchgeführten Pilzkultur eindeutig Microsporum canis nachweisen.


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Therapie und Verlauf

Bei beiden Patientinnen wurde eine topische Therapie mit Ciclopirox-Creme (Mycoster©) eingeleitet. Zusätzlich wurde der Mutter Itraconazol 100 mg 2 ×/Tag per os und der Tochter Fluconazol 5 mg pro kg Körpergewicht per os verschrieben. Dies führte sowohl bei der Mutter als auch bei der Tochter bereits nach zwei Wochen zu einer fast vollständigen Abheilung der Hautveränderungen.


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Diskussion

Pilzerkrankungen sind mit einer weltweiten Prävalenz von 10 – 20 % [1] sehr häufig. Meistens sieht man dabei die Tinea pedum und die Onychomykose mit einer in Deutschland angegebenen Inzidenz von bis zu 72,9 % [2]. Die Tinea corporis ist im Vergleich dazu seltener und spielt insbesondere bei Kindern eine Rolle. Häufig handelt es sich dabei um von Tieren erworbene Pilzinfektionen [3] [4]. In den meisten Fällen (47 %) ist der Erreger Trichophyton rubrum die Ursache, danach folgen Trichophyton mentagrophytes, Trichophyton tonsurans und Microsporum canis [5] [6].

Die typische Manifestation der Tinea corporis mit einem rundlichen, scharf begrenzten, randständig schuppenden Herd und zentraler Abblassung ist für den Kliniker in der Regel nicht schwer zu diagnostizieren [7]. Atypische Präsentationen können die Diagnose jedoch erheblich erschweren [8]. Bullöse Formen der Tinea corporis wurden bisher nur selten beschrieben [9] [10], ein gemeinsames Auftreten bei mehreren Familienmitgliedern wurde bisher nicht berichtet.

Sehr stark ausgebreitete mykotische Infektionsherde kommen eher bei immunkompromittierten oder HIV-positiven Patienten vor [11] [12]. In diesen Fällen, wie auch in unserem Fall, kann die sorgfältige Anamnese die zielführenden Hinweise liefern. Diese Manifestationsformen sind jedoch selten.

Als Differenzialdiagnosen in unserem Fall diskutierten wir eine bullöse Autoimmundermatose und eine Impetigo contagiosa. Wegen der anamnestischen Angabe mit der pilzbefallenen Katze und einem schuppenden, an eine Mykose erinnernden Herd am Unterarm der Tochter legten wir von dieser Effloreszenz dennoch eine Pilzkultur auf Sabouraud-Agar an.

Der kulturelle Pilznachweis ist uns in diesem Fall jedoch nicht gelungen. In den sieben bisher beschriebenen Fällen von Tinea corporis bullosa [9] [10] wurde fünfmal Trichophyton rubrum und zweimal Microsporum canis als Verursacher nachgewiesen. Der behandelnde Veterinärmediziner konnte Microsporum canis in der Pilzkultur vom Hautabstrich der Katze nachweisen, sodass es sich beim Auslöser für die Tinea corporis bullosa der beiden Patientinnen am ehesten um diesen Erreger handelt. Der Abstrich, den wir zum Ausschluss einer bakteriellen Beteiligung durchführten, zeigte eine normale Keimbesiedlung auf den Hautveränderungen. Somit war eine Impetigo bullosa ausgeschlossen. Die richtige Diagnose brachte uns schließlich die Histologie mit zahlreichen Pilzhyphen im Stratum corneum. Wie genau die Blasenbildung bei einer Tinea corporis zustande kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Man stellt sich jedoch vor, dass durch eine verstärkte Entzündungsreaktion ein subepidermales Ödem für die subepidermale Blasenbildung verantwortlich ist. Unter der eingeleiteten antimykotischen Therapie mit Itraconazol bzw. Fluconazol per os und Ciclopirox-Creme (Mycoster©) kam es zu einer Abheilung des Befundes.


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Fazit für die Praxis

Bei Patienten, die neue bullöse Hautveränderungen entwickeln, sollte differenzialdiagnostisch neben den typischen blasenbildenden Erkrankungen auch die seltene Variante der bullösen Tinea corporis mitbedacht werden, insbesondere bei Katzen- und Hundebesitzern.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Drake LA, Dinehart SM, Farmer ER et al. American Academy of Dermatology. Guidelines of care for superficial mycotic infections of the skin: tinea corporis, tinea cruris, tinea faciei, tinea manuum, and tinea pedis. Guidelines/Outcomes Committee. J Am Acad Dermatol 1996; 34: 1-3
  • 2 Havlikova B, Czaika VA, Friedrich M. Epidemiological trends in skin mycosis worldwide. Mycosis 2008; 51 (Suppl 4): 2-15
  • 3 Andrews MD, Burns M. Common Tinea infections in children. Am Fam Physician 2008; 77: 1415-1420
  • 4 Smith SD, Relman DA. Dermatophytes. In: Wilson WR, Sande MA. Current Diagnosis and Treatment in Infectious Diseases. New York: McGraw-Hill Professional; 2001: 777-778
  • 5 Foster KW, Ghannoum MA, Elewski BE. Epidemiologic surveillance of cutaneous fungal infection in the United States from 1999 to 2002. J Am Acad Dermatol May 2004; 50: 748-752
  • 6 Graham JH, Barr RJ. Papulosquamous eruptions: usefulness of biopsy in establishing diagnosis. Cutis 1977; 20: 629-633
  • 7 Heiner BL. Dermatophyte infections. Am Fam Physician 2003; 67: 101-108
  • 8 Ziemer M, Seyfarth F, Elsner P et al. Atypical manifestations of tinea corporis. Mycoses 2007; 50 (Suppl 2): 31-35
  • 9 Veraldi S, Scarabelli G, Oriani A et al. Tina corporis bullosa anularis. Dermatology 1996; 192: 349-350
  • 10 Terragni M, Marelli A, Oriani A et al. Tinea corporis bullosa. Mycoses 1993; 36: 135-137
  • 11 Lowinger-Seoane M, Torres-Rodriguez JM, Madrenys-Brunet N et al. Extensive dermatophytoses caused by Trichophyton mentagrophytes and Microsporum canis in a patient with AIDS. Mycopathologia 1992; 120: 143-146
  • 12 Munoz-Perez MA, Rodriguez-Pichardo A, Camacho F et al. Extensive and deep dermatophytosis caused by Trichophyton mentagrophytes var. interdigitalis in an HIV-1 positive patient. J Eur Acad Dermatol Venereol 2000; 14: 61-63

Korrespondenzadresse

Dr. med. Tobias Plaza
Haut- und Allergie-Zentrum Brunnehof
Oberlandstraße 100
8610 Uster
Schweiz   

  • Literatur

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Abb. 1 Klinischer Befund der Tinea corporis bullosa, (a) und (b) Mutter, (c) Tochter.
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Abb. 2 a – c Histologie Tinea corporis bullosa.