Aktuelle Dermatologie 2012; 38(07): 287-293
DOI: 10.1055/s-0031-1291870
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinom – berufliche Aspekte

Actinic Keratosis and Squamous Cell Carcinoma – Occupational Aspects
H. Schwantes
1   Abt. f. Berufsdermatologie, BG-Klinik Falkenstein
,
A-K. Dumke
1   Abt. f. Berufsdermatologie, BG-Klinik Falkenstein
,
O. Blome
3   IAEBK, Köln
,
P Elsner
2   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
› Institutsangaben
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Korrespondenzadresse

Dr. H. Schwantes
BG-Klinik für Berufskrankheiten
Lauterbacher Str. 16
08223 Falkenstein/Vogtland

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. März 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Für die Entwicklung von Hautkrebsformen werden neben der individuellen Anlagebereitschaft auch äußerliche Einwirkungen auf das Hautorgan verantwortlich gemacht. Epidemiologische Studien belegen, dass die UV-Bestrahlung einen wesentlichen (Teil-)Faktor für die hohe und weiter zunehmende Hautkrebsinzidenz darstellt. Neben der geografischen UV-Strahlenbelastung sind das Freizeitverhalten der Menschen und die UV-Belastung bei Berufsangehörigen mit hohem Außenarbeitsanteil („outdoor worker“, wie Bau-, Straßen-, Garten-, Landwirtschaftsarbeiter, Schienenleger, Fischer, Seeleute usw.) nachgewiesene Einflussgrößen in der Entstehung insbesondere des Plattenepithelkarzinoms der Haut, einschließlich der dazu neigenden Hauveränderungen.

Das invasive Plattenepithelkarzinom der Haut entsteht typischerweise auf chronisch lichtgeschädigter Haut aus aktinischen Keratosen (Carcinomata in situ). Für diese noch ganz oberflächlichen, intraepithelialen Karzinome existieren exzellente Therapie- und Präventionsmöglichkeiten, sodass bei frühzeitiger Diagnostik und Einleitung von § 3-Maßnahmen BKV das Auftreten invasiver, beruflich verursachter Karzinome mit ihren möglichen Konsequenzen (eingreifende, evtl. entstellende Therapiemaßnahmen, Metastasierung, letaler Verlauf) mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden kann. Zur Früherfassung dieser Fälle ist ein dermatologisches Hautkrebsscreening und zur Prävention ein frühpräventives Verfahren analog zum Hautarztverfahren zu fordern.

Unabhängig von der Entscheidung des Verordnungsgebers zur Aufnahme des beruflichen Hautkrebses durch UV-Strahlung in die BK-Liste sollten die hier erläuterten, medizinisch erforderlichen und effektiven Präventionsmöglichkeiten am Arbeitsplatz, aber auch im Privatbereich, umgesetzt werden.


Abstract

Malignant skin tumours may be induced by a number of carcinogenic factors, apart from individual disposition such as genetic syndromes and immunosuppression. Numerous epidemiological studies confirm UV-radiation to be a main risk factor for the high and still increasing incidence of non-melanoma skin cancer.

In addition to geographical UV-radiation exposure, leisure time activities and UV-irradiance of professionals with a large proportion of outdoor work (e. g. construction, railway and garden workers, roadmen, agricultural employees, fishermen, and seafarers) are proven effects for the development of squamous-cell carcinoma and actinic keratoses. The invasive squamous-cell carcinoma develops typically in chronic light-damaged skin from actinic keratoses (carcinomata in situ). Excellent treatment and prevention options exist for the latter; therefore prevention of invasive squamous-cell carcinoma is possible.

Therefore in case of early diagnosis and introduction of § 3-measures of Ordinance on Occupational Diseases (“BKV”) occurrence of invasive, occupational carcinoma with their possible consequences (invading, possibly disfiguring therapy measures, metastasis, fatal course of disease) can be avoided with a high probability.

For the early recognition of these cases a dermatological skin cancer-screening and an early-preventive procedure analogue to the dermatologist procedure is required.

Independently of the legal decision if occupational UV-induced skin tumours in the German list of occupational diseases, the following medically necessary and effective preventive possibilities should be implemented at the workplace and in private life.


Einleitung

Zahlreiche Diskussionen sowie Berichterstattungen in Öffentlichkeit und Fachpresse über gesundheitliche Gefährdungen durch technische, physikalische, chemische und biologische Umwelt- und Arbeitseinflüsse machen auf bestehende Alltags- und Berufsrisiken aufmerksam. Neben den bekannten positiven Einflüssen auf Mensch und Natur durch das Sonnenlicht können nach medizinischem Wissensstand UV-Expositionen zu solaren Lichtschädigungen und der Ausbildung eines Hautkrebses führen. Insbesondere für das Plattenepithelkarzinom der Haut und dessen noch nicht invasiver Präkanzerose („Carcinoma in situ“), der aktinischen Keratose, liegen aussagekräftige epidemiologische Studien und Publikationen vor, die die hautkrebsauslösende Wirkung durch UV-Licht belegen [16] [18] [25]; für das Basalzellkarzinom, dem sogenannten „weißen Hautkrebs“, ist die fachliche Diskussion noch nicht abgeschlossen [8]. Die bevorzugte Lokalisation an lichtungeschützter Gesichts-/Halshaut macht allerdings auch für diese Krebsart eine UV-Induktion wahrscheinlich.

Zu den vorrangigen Aufgaben der Unfallversicherungsträger (UV-Träger) in Deutschland zählt es Arbeits-/Wegeunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren mit allen geeigneten Mitteln zu verhindern und die Einhaltung und Umsetzung der Unfallverhütungsvorschriften zu überwachen. Über zahlreiche Ergänzungen der Berufskrankheitenliste ist der berufliche Hautkrebs durch

  • Ruß, Rohparaffin, Teer usw. (BK-Nr. 5102),

  • Arsen (BK-Nr. 1108)

  • Halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide (BK-Nr. 1310)

  • Ionisierende Strahlen (BK-Nr. 2402)

entschädigungsfähig.

Da mit der Chlorakne sicher kein Hautkrebs vorliegt, ist diese zwar unter der BK-Nr. 1310 (halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) anerkennungsfähig, jedoch entgegen der statistischen Darstellung in der offiziellen Broschüre der DGUV dürfte sie aus medizinischer Sicht nicht nach BK 1310 als entschädigter Hautkrebs geführt werden [7].

Bislang keine BK-Nummer zugeordnet ist dagegen dem UV-induzierten Hautkrebs. Der Hautkrebs auf Narben nach mechanischen Traumen durch Arbeits- oder Wegeunfälle ist ggf. als mittelbare Unfallfolge anzuerkennen, weil der frühere Versicherungsfall wesentliche Bedingung des Hautkrebses sein kann. Deswegen wurden diese im 2008 revidierten „Bamberger Merkblatt“ (BM-neuer Teil 2), der gemeinsamen Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie in der DDG (ABD) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung für die Begutachtung von Berufskrankheiten der Haut, erstmalig als berufliche Hautkrebsformen aufgenommen [8].

Hautkrebs durch UV-Licht bei Outdoor-Arbeitern, durch künstliches UV-Licht beim Schweißen, bei der Entkeimung, in der Lackhärtung, beim Fotokopieren und in der Werkstoffprüfung sowie nach Kontakt mit Zytostatika kann als „Wie“-Berufskrankheit nach § 9 Absatz 2 SGB (Sozialgesetzbuch) VII anerkannt werden.

Da die UV-Träger nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. 6. 2006 [6] gehalten sind, gemeldete Fälle von Hautkrebs nach § 9 Absatz 2 SGB VII zu entscheiden, ist neben den Fragen nach der Anerkennung und Entschädigung auch über geeignete Maßnahmen nach § 3 Absatz 1 Satz 2 BKV zu befinden. Die vorliegende Arbeit stellt einerseits das verwaltungsrechtliche Prozedere für diese Maßnahmen vor, andererseits gibt sie einen Überblick über die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft geeigneten Maßnahmen. Bezüglich der Arten von Tumoren konzentriert sie sich auf die im BM primär angesprochenen Plattenepithelkarzinome und ihre Vorstufen (aktinische Keratosen und Morbus Bowen, sog. Carcinomata in situ), ohne damit ausschließen zu wollen, dass im Einzelfall auch Basalzellkarzinome als beruflich UV-bedingt anzusehen und entsprechend spezifische Präventionsmaßnahmen nach § 3 BKV zu ergreifen sind. Überdies sind nach der Dokumentation der Fälle des § 9 Absatz 2 SGB VII bei der DGUV bisher über 70 Fälle von Hautkrebs anerkannt worden, davon immerhin 12 Fälle von Basalzellkarzinomen. Dies spiegelt die überwiegende Auffassung der medizinischen Sachverständigen wieder, die auf dem Fachgebiet tätig sind.


§ 3-Maßnahmen bei beruflichem Hautkrebs

Rechtliche Anforderungen an die Gewährung

Die aktuelle Fassung des § 3 Absatz 1 der BKV beruht auf der Ermächtigungsnorm des § 9 Absatz 6 Nr. 1 SGB VII und hat folgenden Wortlaut: Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die UV-Träger dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist diese Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die UV-Träger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen.

Zunächst muss, um überhaupt die rechtlichen Anforderungen für Maßnahmen nach § 3 der BKV ermitteln zu können, die Frage beantwortet werden, ob § 3 BKV nur auf Listen-Bken anzuwenden ist oder auch auf die Fälle nach § 9 Absatz 2 SGB VII.

Die präventive Zielrichtung des § 3 der BKV fordert praktisch die Anwendung des § 3 BKV auch in Fällen der Anerkennung nach § 9 Absatz 2 SGB VII. Diese Forderung wird sowohl durch die Rechtsprechung des BSG [5] als auch die überwiegende Meinung in der Fachliteratur [13] unterstützt. Auch nach Kapitel 6.2 Teil 2 des BM wird die Anwendbarkeit des § 3 bei Fällen der Anerkennung von Hautkrebs durch UV-Licht nach § 9 Absatz 2 SGB VII bestätigt.

Rechtliche Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 Satz 1

§ 3 Absatz 1 verwirklicht den in § 1 SGB VII beschriebenen programmatischen Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation“. Vorrangig sind Maßnahmen zur Gefahrenabwendung angezeigt, die dem Versicherten die Fortsetzung der bisher ausgeübten Tätigkeit ermöglichen. Die Anwendung des § 3 der BKV setzt eine Kausalitätsprüfung durch den UV-Träger voraus, ob für den Versicherten konkret eine BK „Hautkrebs“

  • zu entstehen,

  • wiederaufzuleben oder

  • sich zu verschlimmern droht.

Hierbei ergibt sich folgendes Zusammenhangsschema mit Beweisanforderungen (siehe [Abb. 1]).

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Abb. 1 Zusammenhangsschema/Beweisanforderungen bei § 3 BKW (nach [1]).

Der UV-Träger prüft, ob es sich um eine versicherte Person handelt, die versicherte Tätigkeiten ausgeübt hat, bei denen äußere, schädigende Einwirkungen erfolgt sind (Einwirkungskausalität); danach ist zu beurteilen, ob konkret eine BK „Hautkrebs“ droht.

Die drohende Hautkrebserkrankung muss ihre Ursache in der versicherten Tätigkeit haben.

Bei der Risikoprognose ist entscheidend, ob den beruflichen Einwirkungen bei der in Zukunft drohenden Entstehung oder Verschlimmerung der Krankheit die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen (Teil-)Ursache zukommt, sodass dann der Tatbestand einer BK erfüllt ist. Das Bestehen einer anlagebedingten Gesundheitsstörung schließt das nicht aus; auch Krankheiten, die durch besonders ausgeprägte Empfindlichkeiten des Einzelnen gegenüber bestimmten beruflichen Einflüssen entstehen, werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes erfasst [4].

Wichtige Kriterien der Risikoabschätzung sind:

  • Art und Ausprägung der gesundheitlichen Risikofaktoren

  • Art und Intensität der Einwirkungen

  • Schlussfolgerungen aus dem individuellen Krankheitsverlauf

  • Schwere der drohenden körperlichen Schädigungen.

Durch den medizinischen Sachverständigen ist regelhaft die Frage zu beantworten, ob und welche Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz erforderlich sind. Wird eine konkrete Gefahr im Sinne des § 3 Absatz 1 festgestellt, ist zu prüfen, ob und welche Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung geeignet sind. Der UV-Träger hat ein Auswahlermessen, welche Mittel als geeignet anzusehen sind. Hierbei sind nach § 39 Absatz 1 SGB I die Interessen aller Beteiligten (Versicherter, Unternehmer, UV-Träger) zu berücksichtigen. Droht konkret keine BK, besteht nach wie vor die Pflicht des Arbeitgebers nach § 3 des Arbeitsschutzgesetzes, die Arbeitnehmer vor den Folgen von natürlicher und künstlicher UV-Strahlung zu schützen.

Ist durch geeignete Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz ein ausreichender Schutz vor weiteren schädigenden Einwirkungen nicht zu erreichen, muss geprüft werden, ob die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit erforderlich ist. Nach § 3 Absatz 1 Satz 2 muss der UV-Träger darauf hinwirken und ggf. dann auch einen dadurch verursachten Minderverdienst durch die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Absatz 2 der BKV ausgleichen.

Ist dagegen bereits der Versicherungsfall der BK Hautkrebs eingetreten (wie z. B. bei Aktinischen Keratosen durch UV-Licht), dann hat der UV-Träger nach § 26 Absatz 2 Nr. 1 SGB VII mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Diese Rechtsvorschrift verwirklicht den programmatischen Grundsatz Rehabilitation vor Rente nach § 26 Absatz 3 SGB VII. Vor diesem Hintergrund sind die erfolgreichen Bemühungen der ehemaligen Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie zu sehen, bei der BK-Nr. 5102 durch ein Hautkrebsprogramm bei anerkannten Fällen früher beobachtete schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden [12]. Vor allem die lebenslange fachärztliche Betreuung durch erfahrene Dermatologen in den anerkannten Fällen der BK-Nr. 5102 verwirklicht den gesetzlichen Auftrag in vorbildlicher Weise, den Eintritt von Verschlimmerungen durch dermatologische Frühintervention zu verhüten.



Wirkungen der UV-Strahlung auf die menschliche Haut

Das Sonnenlicht setzt sich aus verschiedenen Spektren zusammen, welche nach ihrer jeweiligen Wellenlänge unterschieden werden. Strahlung mit Wellenlängen unter 400 nm wird als ultraviolette Strahlung bezeichnet und in die 3 Anteile UVA, UVB und UVC unterteilt [14], von denen der UVC-Anteil nahezu vollständig, der UVB-Anteil zu 90 % und der UVA-Anteil nur in geringem Ausmaß in der Erdatmosphäre absorbiert werden.

Die UV-Exposition kann sich positiv, aber auch gesundheitsschädigend durch direkte und indirekte Strahleneinwirkung auf Haut und Augen auswirken. Direkte und indirekte Schädigungen der DNS und zellulärer Prozesse können eine Karzinogenese auslösen, deren Ausmaß unter anderem von der Bestrahlungsintensität und -dauer hautwirksamer UV-Dosen bestimmt wird.

Abhängig von der filternden Ozonkonzentration wächst die Intensität der UV-Strahlung mit zunehmender Sonnenhöhe in unseren Breitengraden in den Sommermonaten und erreicht zwischen 11 – 15 Uhr 60 % der UV-Tagesdosis. Umwelt- und Industrieimmissionen können die Intensität reduzieren, Reflexionen durch Sand, Schnee oder Wasser erhöhen. Starke Reflexionen des Sonnenlichts über blanken Arbeitsmaterialien, Wasser- und Schneeflächen erhöhen zusätzlich die UV-Belastung.

Die Bildung von Lichtschwielen, die Pigmentierungszunahme und zelluläre Reparaturmechanismen stellen reaktive, endogene Selbstschutzmechanismen der Haut dar, die allerdings keinen ausreichenden Schutz bieten. Sämtliche Hautschutzkampagnen und Aufklärungsinitiativen im Gesundheitswesen beteiligter Partner zielen auf ein verantwortungsbewusstes UV-Expositionsverhalten und die aktive Nutzung vorhandener Lichtschutzmöglichkeiten. Neben der natürlichen UV-Bestrahlung können auch künstliche Strahlenquellen am Arbeitsplatz hautschädigend und -krebsauslösend wirken [15].


Präventionsmaßnahmen im Rahmen des Arbeitsschutzes

Die für den Arbeitsschutz zuständigen Unfallversicherungsträger übernehmen aufgrund medizinisch gesicherter Erkenntnisse über die Genese beruflicher, UV-induzierter Hautkarzinome [19] und auch entsprechend den Vorgaben sozialgerichtlicher Urteile Aufgaben in deren Prävention.

Neben der erforderlichen Einsicht und Bereitschaft zum Hautschutz [22] ist eine zentrale Forderung daher die Umsetzung eines effektiven und praktikablen Hautschutzes für den jeweiligen Arbeitsplatz [24].

Zur persönlichen Schutzausrüstung gehören im Wesentlichen 4 unterschiedliche Kategorien [10] [11] [17] [21]:

  • Bekleidungstextilien

  • Kopfbedeckungen

  • Sonnenbrillen (UV-Schutzbrillen)

  • Lichtschutzmittel

Um für einen Arbeitstag vor solarer UV-Strahlung geschützt zu sein, sollten Bekleidungstextilien einen UV Protection Factor (UPF) von mindestens 40 aufweisen und die Haut möglichst großflächig abdecken [22]. Zu bevorzugen sind demzufolge langärmelige Kleidungsstücke, lange Beinkleidung und hohe Kragen zum Hals-/Nackenschutz. Zunehmend findet eine Kennzeichnung des UPF mittels Etiketten statt. Vergleichsweise bietet ein herkömmliches weißes Baumwollshirt mit einem geringen Flächengewicht von 130 g/cm2 im Neuzustand einen UPF von 10 und im feuchten, verschwitzten Zustand einen von nur 4. Die UV-Schutzwirkung der Textilien ist im Labor messbar [19] [21], ein einheitliches Kennzeichnungsverfahren wird angestrebt.

In der Bewertung des Tragekomforts wurden Kleidungsstücke aus Microfasern gegenüber Baumwolle etwas bevorzugt [18].

Die Farbauswahl der Kleidung ist ähnlich wie bei der Einfärbung von Augengläsern für die Effektivität im UV-Schutz von untergeordneter Bedeutung [18].

Unerlässlich für die Akzeptanz ist eine Praxiserprobung der persönlichen Schutzausrüstung auf ihre Alltagstauglichkeit und Effektivität hin. Neben einer guten physikalischen Wirkung des UV-Schutzes werden auch tätigkeitsabhängig unterschiedliche Anforderungen an die Funktionalität und Qualität der Arbeitsschutzmittel gestellt, z. B. darf auch das Tragen von Sonnenbrillen nicht zu einer gestörten Differenzierung von Signal-/Farben am Arbeitsplatz führen.

Kopfbedeckungen sollen eine hohe UV-Schutzfunktion besitzen, sicher fixierbar sein und über breite Krempen, einschließlich eines textilen Nackenschutzes verfügen.

Für die auf dem Markt angebotenen Sonnenbrillen finden sich Kennzeichnungen wie UV 400, 100 % UV-Strahlung, CE3 oder EN 1836 (EU-Norm). Der Höhe des UV-Schutzes sollte am CE- bzw. EN-Zeichen mit Klasse 0 (kein Filterschutz, 88 % UV-Transmission), Klasse 1 (für unsere Breitengrade ausreichend, 10 % UV-Transmission), Klasse 2 (guter Filterschutz, 6,5 % UV-Transmission) oder Klasse 3 (maximaler Filterschutz für Hochgebirge, Schnee, Meer, < 1 % UV-Transmission) ersichtlich sein.

Die Tönung bzw. Abdunkelung des Filterglases gibt keinen Aufschluss über die UV-Durchlässigkeit einer Brille, sondern lediglich über deren Lichtdurchlässigkeit. Es gibt Filtergläser, die total transparent sind und dennoch einen sehr guten UV-Schutz bieten. Die tatsächliche UV-Schutzwirkung einer Sonnenbrille lässt sich nur durch eine Messung des UV-spektralen Transmissionsgrads des UV-Schutzfilters feststellen. Graue und braune Farbtönungen sind gegenüber gelben, blauen, roten, orangenen und violetten zu bevorzugen, da letztere die Farbwiedergabe verschlechtern und auch bei Signalarbeitern nicht zugelassen sind [18]. Ein Rundumschutz erhöht die Bestrahlungssicherheit.

Für den Umgang mit Lichtschutzmitteln wurden Empfehlungen in der S1-Leitlinie der DDG erarbeitet [10] [21]. Sie sollten mindestens über den Lichtschutzfaktor 20 (LSF) verfügen. Der konkret benötigte LSF hängt von der der UV-Bestrahlung (Bestrahlungsstärke/-dauer) und dem Hauttyp ab. Der LSF gibt, analog dem UPF, jenen Faktor an, um den sich die Eigenschutzzeit der Haut beim Tragen des Sonnenschutzmittels verlängert, bis die individuelle Erythemdosis (MED) erreicht wird. Es ist darauf zu achten, dass neben einem UVA- insbesondere auch ein UVB-Schutz, auf den sich der LSF im Wesentlichen bezieht, besteht. Das Lichtschutzprodukt sollte mindestens 20 min vor Exposition auf die saubere, trockene Haut in einer Menge von 2 mg/cm2, ca. 20 ml auf Arme, Beine und Gesicht und Hals, Dekolleté und Nacken 2 × tgl., z. B.: morgens und mittags in großzügiger Menge, aufgetragen werden. Einschränkungen in der Anwendungsbereitschaft bestehen durch vermehrtes Schwitzen und Missempfindungen (Juckreiz).

Bei Überschreitung der Haltbarkeit und insbesondere bei Hitzelagerung der Lichtschutzmittel kann es zu einer galenischen Entmischung mit Verlust der Wirksamkeit kommen. Gemäß der neuen EU-Kennzeichnungsvorschrift muss auf allen Kosmetika, die ungeöffnet länger als 30 Monate haltbar sind, eine Frist angegeben werden, wie lange diese nach dem Öffnen haltbar sind. Dargestellt werden dabei das Symbol eines geöffneten Cremetiegels und die Zeitangabe in Monaten (z. B. 6 M).

Die Auswahl der Sonnenschutzmittel erfolgt nach den Produkteigenschaften

  • Herstellungsform (Milch, Creme, Gel, Spray),

  • Höhe des LSF, Art der verwendeten UV-Filter (chemisch, physikalisch),

  • Wasser-, Schwitzfestigkeit, Geruchsneutralität, Verträglichkeit.

Sprays werden im handwerklichen Bereich bevorzugt, da diese auch mit schmutzigen Händen aufgetragen werden können.



Berufliches UV-bedingtes Plattenepithelkarzinom

Therapie und Nachsorge

Die Therapieoptionen von Plattenepithelkarzinomen der Haut, aber auch von Basalzellkarzinomen ist in den AWMF-Leitlinien (AWMF: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) der Arbeitsgemeinschaft für Dermatologische Onkologie (ADO) in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) abgebildet [2] [3] und in der [Tab. 1] dargestellt.

Tab. 1

Therapeutische Optionen beim Plattenepithelkarzinom der Haut (nach [2]).

Operative Therapie

  • Exzision mit topografisch orientierter histopathologischer Schnittrandkontrolle (Histografische/mikrografische Chirurgie)

  • Exzision mit konventioneller Histologie

  • Operative/destruktive Verfahren ohne histologische Kontrolle bei makroskopisch sichtbaren Läsionen nur in besonderen klinischen Situationen (Feldkanzerisierung, zahlreich frühinvasive Tumoren, organtransplantierte und immunsupprimierte Patienten)

Lymphknotenchirurgie

Strahlentherapie

Lokale Chemotherapie und Immuntherapie

Systemische Therapie bei inoperablen und metastasierten Plattenepithelkarzinomen

  • Mono- und Polychemotherapie

  • Interferon-alpha-basierte Therapie

  • Multimodale Therapie

Da das Plattenepithelkarzinom der Haut ([Abb. 2 a – c]) zwar lokal destruierend wächst, aber nicht häufig metastasiert, sind die Maßnahmen primär chirurgisch, wobei die vollständige chirurgische Exzision mit topografisch zugeordneter histopathologischer Kontrolle der Schnittränder (histografische/mikrografische Chirurgie) die Therapie der ersten Wahl darstellt. Destruktive Verfahren ohne histologische Kontrolle sollten hingegen eher nicht eingesetzt werden, da die komplette Destruktion des Tumors ansonsten nicht gesichert ist.

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Abb. 2 a, b Plattenepithelkarzinome; c Histologie: ulzerierendes und die Dermis infiltrierendes Karzinom mit schlecht differenzierten Keratinozyten; HE, 80 ×.

Bei nicht operablem Befund ist eine Strahlentherapie, alternativ eine lokale Chemo-/Immuntherapie indiziert.

Mit Nachweis von Fernmetastasen können neben einer chirurgischen oder strahlentherapeutischen Reduktion der Tumormasse verschiedene Immun-/Polychemotherapie-Schemata durchgeführt werden, wobei heute eine systemische Therapie bei inoperablen und metastasierten Plattenepithelkarzinomen und in Anbetracht des oftmals fortgeschrittenen Alters der Patienten entweder als Methotrexat-Monotherapie oder als platinbasierte Chemotherapie erfolgt; auch werden platinhaltige Regime evtl. mit Cetuximab, einem EGFR-Antikörper, kombiniert. Entgegen der Empfehlung [2] spielt eine Behandlung mit Interferon alpha keine Rolle mehr.

In Abweichung von der Empfehlung einer prophylaktischen Lymphadenektomie bei hochmalignen Tumoren und klinischem Verdacht auf Lymphknotenmetastasen wird in solchen Fällen eher eine Wächterlymphknotenexstirpation durchgeführt.

Einerseits aufgrund des Rezidiv- und Metastasierungsrisikos, aber auch aufgrund des Risikos der Entstehung von unabhängigen Zweittumoren auf chronisch lichtgeschädigter Haut muss eine konsequente Nachsorge bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen der Haut erfolgen. Bei Tumoren mit niedrigem Metastasierungsrisiko sollten halbjährliche Nachsorgeuntersuchungen bis zum 5. postoperativen Jahr durchgeführt werden [2]. Bei Tumoren mit hohem Metastasierungsrisiko einschließlich der Patienten mit Immunsuppression, Organtransplantation und Mehrfachtumoren (Hochrisikopatienten) sind in den ersten zwei Jahren alle drei Monate, bis zum 5. Jahr halbjährliche klinische Kontrolluntersuchungen mit regelmäßiger LK-Sonografie angezeigt.



Geeignete sekundäre individuelle Präventionsmaßnahmen nach § 3 BKV bei beruflichem Hautkrebs

Da das Plattenepithelkarzinom der Haut typischerweise nicht auf unveränderter Haut entsteht, sondern auf massiv lichtgeschädigter Haut sich häufig aus aktinischen Präkanzerosen (Carcinomata in situ) entwickelt, bestehen grundsätzlich exzellente Präventionsmöglichkeiten.

Werden aktinische Keratosen ( [Abb. 3 a – c]) konsequent behandelt und das Auftreten neuer aktinischer Keratosen verhindert, kann eine Progression zu einem Plattenepithelkarzinom mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert werden.

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Abb. 3 a, b Aktinische Keratosen; c Histologie: fokale Hyperkeratose, Akanthose u. Dyskeratosen mit Polarisationsverlust der Epidermiszellen; HE, 40 ×.

Die leitliniengerechten Therapiemaßnahmen bei der aktinischen Keratose finden sich in [Tab. 2] [13]. Nach der Behandlung sind zunächst halbjährliche Nachkontrollen, im späteren Verlauf auch mit längeren Intervallen erforderlich. Risikopatienten mit genetischer oder medikamenteninduzierter Immunsuppression sollten ohne Intervallverlängerung engmaschig nachkontrolliert werden.

Tab. 2

Therapeutische Optionen bei aktinischer Keratose (aktinische Präkanzerose, Carcinoma in situ, nach [14].

Auf einzelne Läsionen gerichtete Behandlungsverfahren

  • Kryotherapie

  • Kürettage mit/ohne Elektrodesikkation

  • Exzisionstherapie

  • Lasertherapie

  • Röntgen-Weichstrahltherapie

Feldtherapien

  • Chemisches Peeling

  • Fotodynamische Therapie

  • Pharmakotherapie
    Diclofenac-Hyaluronsäure
    5-Fluorouracil
    Imiquimod
    Retinoide

Zur Prävention von aktinischen Keratosen sind die Maßnahmen geeignet, die auch als primäre Präventionsmaßnahmen des berufsbedingten Hautkrebses etabliert sind [9] [20]. Bei regelmäßiger Anwendung geeigneter Lichtschutzpräparate konnte das Neuauftreten in kontrollierten Studien signifikant reduziert werden [8] . Allerdings werden Lichtschutzprodukte vielfach falsch und in zu niedriger Dosierung gebraucht. Hier bedarf es innovativer Schulungskonzepte in Analogie zu den sekundären Präventionsmaßnahmen bei der BK 5101; ein entsprechendes Pilotprojekt wird derzeit in der BG-Klinik Falkenstein vorbereitet. Um invasive UV-bedingte Plattenepithelkarzinome erst gar nicht entstehen zu lassen, sollte daher an ein präventives Verfahren analog zum Hautarztverfahren bei der BK 5101 gedacht werden.


Zusammenfassung

Gemäß dem 2008 überarbeiteten Bamberger Merkblatt ist UV-Licht aufgrund neuer medizinischer Kenntnisse generell geeignet, präkanzeröse Veränderungen der Haut und Hautmalignome zu verursachen. Bisher vorliegende epidemiologische Erkenntnisse geben Hinweise für besonders betroffene Personengruppen. Die Voraussetzung für die Anerkennung beruflicher Fälle von UV-induziertem Hautkrebs nach § 9 Absatz 2 SGB VII („Wie“-Berufskrankheiten) liegen damit vor. Sowohl die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes [5] als auch die überwiegende Meinung in der Fachliteratur [12] fordern die Anwendung des § 3 der BKV auch bei der Anerkennung von BK-Fällen nach § 9 Absatz 2 SGB VII.

Um Versicherten die ihnen zustehenden Präventionsmaßnahmen zukommen zu lassen, sollten Dermatologen daher geeignete Fälle nach § 9 Abs. 2 SGB VII den Unfallversicherungen melden, wobei die Zustimmung der Versicherten vorliegen muss.

Da aktinische Keratosen (Carcinomata in situ) typischerweise invasiven Plattenepithelkarzinomen auf lichtgeschädigter Haut vorausgehen, ergeben sich ausgezeichnete Präventionsmöglichkeiten für diese Tumoren. Geeignete Therapiemaßnahmen sind läsionsdestruierende Verfahren; für großflächig betroffene Verfahren (Feldkanzerisierung) kommen feldtherapeutische Methoden zum Einsatz. Zusätzlich ist stets auf UV-Meidung und Lichtschutz zu achten, wobei derzeit innovative Schulungskonzepte erarbeitet werden. Die Dermatologie leistet mit einem präventiven Verfahren analog zum Hautarztverfahren einen entscheidenden Beitrag zur synergistischen Verknüpfung von Prävention und kurativer Medizin zum Vorteil der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Unfallversicherung.



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.


Korrespondenzadresse

Dr. H. Schwantes
BG-Klinik für Berufskrankheiten
Lauterbacher Str. 16
08223 Falkenstein/Vogtland


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Abb. 1 Zusammenhangsschema/Beweisanforderungen bei § 3 BKW (nach [1]).
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Abb. 2 a, b Plattenepithelkarzinome; c Histologie: ulzerierendes und die Dermis infiltrierendes Karzinom mit schlecht differenzierten Keratinozyten; HE, 80 ×.
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Abb. 3 a, b Aktinische Keratosen; c Histologie: fokale Hyperkeratose, Akanthose u. Dyskeratosen mit Polarisationsverlust der Epidermiszellen; HE, 40 ×.