Pneumologie 2011; 65(10): 580
DOI: 10.1055/s-0031-1292611
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pharmakologie - Medikamentensicherheit bei älteren Patienten

Further Information

Publication History

Publication Date:
24 October 2011 (online)

 
 

    Das Risiko für unerwünschte Wirkungen eines Arzneimittels ist bei älteren Patienten häufig erhöht. Daher wurden verschiedene Verfahrensweisen und Listen entwickelt, mit deren Hilfe diese Risiken eingegrenzt bzw. vermieden werden sollten. Aber sind diese Kriterien wirklich dafür geeignet, und wenn ja, welche? Die Arbeitsgruppe von H. Hamilton ist das Problem jetzt systematisch angegangen.
    Arch Intern Med 2011; 171: 1013-1019

    Zoom Image
    Ein großer Teil der vermeidbaren unerwünschten Medikamentenwirkungen ließe sich mithilfe der STOPP-Kriterien vermeiden, so das Ergebnis der Studie (Bildquelle: Fotolia / Sven Bähren.)

    Unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch sogenannte "potenziell inadäquate Medikamente" (PIM) für ältere Patienten lassen sich mit Anwendung der STOPP-Kriterien (STOPP: Screening Tool of Older Persons Prescriptions) deutlich minimieren, so das Ergebnis einer prospektiven Studie aus Irland.

    Die Mediziner untersuchten dazu über 4 Monate 600 konsekutiv aufgenommene Patienten (≥ 65 Jahre) eines Lehrkrankenhauses und dokumentierten die Einnahme von PIM. Für die Klassifikation als PIM wurden folgende Punkte herangezogen: die in den USA entwickelte Beers-Liste, nach der bei älteren Patienten einige Medikamente grundsätzlich vermieden werden sollten, andere in Abhängigkeit von der Diagnose, und die von der irischen Arbeitsgruppe entwickelten STOPP-Kriterien, die nach Organsystemen gegliedert sind und die in Europa (im Gegensatz zu den USA) häufig eingesetzte Medikamente beinhalten.

    Die Ergebnisse für die Anwendung der beiden Systeme wurden verglichen. Ebenso wurde von einem Expertengremium beurteilt, inwieweit unerwünschte Arzneimittelwirkungen gemäß der WHO-Klassifikation bei den 600 Studienteilnehmern aufgetreten waren, ob diese für die Klinikaufnahme ganz oder teilweise verantwortlich waren und ob sie vermeidbar gewesen wären (gemäß Hallas-Kriterien).

    Insgesamt fanden sich bei 158 (26,3 %) Patienten 329 unerwünschte Arzneimittelereignisse (ADE). 219 (66,6 %) davon wurden als vollständig oder teilweise für die Klinikeinweisung verantwortlich bewertet, und von diesen 219 wären 151 (68,9 %) zumindest möglicherweise vermeidbar gewesen. Vergleicht man nun Beers- und STOPP-Kriterien im Hinblick auf die vermeidbaren ADE, zeigt sich, dass Medikamentengruppen, für die in den STOPP-Kriterien Vorsicht empfohlen wird, deutlich häufiger an den vermeidbaren ADE beteiligt waren als solche der Beers-Liste - nahezu 3-mal so oft.

    Fazit

    Zieht man die STOPP-Kriterien als Anhaltspunkte für die Medikation bei älteren Patienten heran, ließe sich ein großer Teil der vermeidbaren unerwünschten Arzneimittelwirkungen tatsächlich vermeiden, so die Autoren. Damit wiederum wären viele Klinikeinweisungen unnötig, was sowohl individuelle als auch gesundheitsökonomische Relevanz besitze.

    Kommentar zur Studie

    Nach Ansicht von Schnipper zeigt diese Studie Wege auf, mit deren Hilfe die ambulante Behandlung älterer Patienten sicherer gestaltet werden kann. Dieses Wissen könnte sinnvoll eingesetzt werden, wenn es z. B. in elektronische Verschreibungssysteme implementiert werden würde. Diese sollten einen deutlichen Warnhinweis geben, wenn ein potenziell inadäquates Medikament verschrieben werden würde - die tatsächliche Entscheidung liege natürlich immer noch beim behandelnden Arzt. Dieses Vorgehen müsse aber in den täglichen Routineablauf der Praxis integriert und nicht nur in Ausnahmefällen herangezogen werden. Insgesamt seien dazu Änderungen am bestehenden System der Gesundheitsfinanzierung und -organisation erforderlich. Die Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen sei allerdings ein Bereich, in dem sich vermutlich Investitionen relativ schnell lohnen würden.
    Arch Intern Med 2011; 171: 1019

    Dr. Elke Ruchalla, Trossingen


    #

     
    Zoom Image
    Ein großer Teil der vermeidbaren unerwünschten Medikamentenwirkungen ließe sich mithilfe der STOPP-Kriterien vermeiden, so das Ergebnis der Studie (Bildquelle: Fotolia / Sven Bähren.)