Pneumologie 2011; 65(12): 722
DOI: 10.1055/s-0031-1292643
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic - COPD: Schwund terminaler Bronchiolen geht dem Emphysem voraus

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Publication Date:
14 December 2011 (online)

 
 

Hintergrund: Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) spielt sich vor allem in den kleinen Bronchialästen mit einem Druchmesser von weniger als 2 mm ab. Zu einer Zunahme des Atemwegswiderstands führt mehr die Einengung als der Verlust der kleinen Atemwege. In dieser Studie wurde die Beziehung zwischen der Zahl und Größe kleiner Atemwege und der emphysematösen Destruktion bei COPD untersucht.

Methodik: Bei 78 Patienten mit verschiedenen COPD-Stadien (nach der Skala der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease [GOLD]) wurde mit einem Multidetektor-CT die Zahl von Atemwegen zwischen 2,0 und 2,5 mm erfasst. Zudem wurden Lungenresektate von COPD-Patienten, die ein Spenderorgan transplantiert bekamen und als Kontrolle Spenderlungen untersucht. Die Ausdehnung des Emphysems, die Zahl terminaler Bronchiolen pro ml Lungenvolumen sowie der minimale Durchmesser und die Querschnittsfläche der terminalen Bronchioli wurden bei den COPD-Patienten und den Lungen-Präparaten mit dem Mikro-CT erfasst.

Ergebnisse: Bei COPD-Patienten war die Zahl kleiner Atemwege zwischen 2,0 und 2,5 mm in allen GOLD-Stadien im Vergleich zu den Kontrollen statistisch signifikant vermindert (GOLD 1: p = 0,001, GOLD 2 : p = 0,02, GOLD 3 und 4: p < 0,001). Das Studiendesign ließ eine Unterscheidung, ob die Atemwege tatsächlich verschwunden waren oder sich soweit verengt hatten, dass sie mit dem Multidetektor-CT nicht mehr sichtbar waren, nach Angaben der Autoren nicht zu. Das Mikro-CT der Lungenresektate im GOLD-Stadium 4 zeigte eine Reduktion der Querschnittsfläche terminaler Bronchiolen im Vergleich zu Kontrolllungen um 81 (panlobulärer Emphysem-Phänotyp) bzw. 99,7 % (zentrilobulärer Emphysem-Phänotyp) sowie der Zahl terminaler Bronchiolen um 72 bzw. 89 % (beide Unterschiede p < 0,001). Die Zahl und Dimension terminaler Bronchiolen zeigte eine Korrelation mit der Ausprägung der emphysematösen Destruktion. Eine starke Verminderung terminaler Bronchiolen pro ml und deren Querschnittsfläche sowie ein Anstieg der Wanddicke fand sich in Emphysembereichen beider Phänotypen.

Schlussfolgerung: John E. McDonough et al. aus der Arbeitsgruppe um J. Hoog konnten einen vom COPD-Schweregrad abhängigen Schwund der Anzahl kleiner Atemwege und eine Verminderung der Querschnittfläche der terminalen Bronchiolen nachweisen. In den schwersten Fällen waren etwa 90 % der bei den gesunden Lungen nachgewiesenen kleinen Atemwege "verloren", zumindest waren sie bis zu einer Auflösung von 1 ?m nicht nachweisbar. Zwar handelt es sich hier um eine Querschnittuntersuchung ohne longitudinale Daten, es konnte aber anhand der Analyse verschiedener Schweregrade der COPD gezeigt werden, dass der Verlust bzw. die extreme Einengung der kleinsten Atemwege primär ist. Die Destruktion der Alveolen erweist sich als ein späterer, sekundärer Prozess.

Martin Bischoff, Planegg

McDonough JE, Yuan R, Suzuki M et al. Small-Airway Obstruction and Emphysema in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. N Eng J Med 2011; 365: 1567-1575

Kommentar

Falls diese Daten in weiteren Untersuchungen bestätigt werden, müsste die Pathophysiologie des Emphysems neu geschrieben werden. Bislang steht bei der Definition des Emphysems die Destruktion der Alveolen im Vordergrund [1], die kleinen Atemwege spielen keine Rolle.

Noch bedeutsamer als die neue Definition des Emphysems ist aber die Revolutionierung unseres Verständnisses von COPD. Der Begriff wurde vor 47 Jahren geschaffen (damalige Definition: obstruction unknown etiology) [2] als Gegenstück zur holländischen Hypothese [3], die Asthma, Bronchitis und Emphysem als verschiedene Phänotypen ein und derselben Krankheit: CARA (Chronische Aspecifieke Respiratoire Aandoeningen) angesehen hatte. Der Begriff von COPD wurde also geschaffen, um Asthma als völlig getrennte Entität abzugrenzen. COPD als die gemeinsame Bezeichnung von Emphysem und chronisch obstruktiver Bronchitis hatte immer einen künstlichen Charakter. Eine Krankheit ist üblicherweise eine Kollektion von gemeinsam auftretenden Symptomen, wie z.B. Husten, Auswurf, pfeifendes Atemgeräusch und Atemnot für die chronische obstruktive Bronchitis. Die Krankheit COPD ist aber eine Kollektion von Symptom-Kollektionen (Syptome der chronischen Bronchitis und des Emphysems). Emphysem und Bronchitis hatten nach bisheriger Definition nur wenig gemeinsam: Sie treten häufig gleichzeitig als Antwort auf inhalative Noxen auf, und beide tragen wahrscheinlich zu einer Erniedrigung der FEV1 bei. Wir haben in Deutschland ein gewisses Unbehagen gegen den Begriff gehabt. Er wurde mit der ERS-Leitlinie bereits 1995 in Europa [4], aber erst sehr spät, 2007, in Deutschland, und dann auch nur halbherzig, etabliert: "Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD)" [5].

Was verbindet die chronisch obstruktive Bronchitis (definiert als Husten und Auswurf) und das Lungenemphysem (definiert als Destruktion der Alveolen)? John E. McDonough et al. haben das Missing Link, das fehlende Glied in der Kette gefunden: COPD ist kein Kunstbegriff, sondern eine Erkrankung der Atemwege, wahrscheinlich ein Kontinuum von den kleineren (Bronchitis) bis zu den kleinsten (Emphysem) Atemwegen. Jetzt verstehen wir endlich auch, warum die Koinzidenz von Bronchitis und Emphysem doch viel enger ist, als die Koinzidenz anderer beliebiger Raucherkrankheiten, z. B. COPD und koronare Herzkrankheit.

Die neuen Erkenntnisse über das Emphysem und COPD werden wichtige, derzeit noch nicht ganz absehbare therapeutische Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Herausgeber der Pneumologie

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