Dialyse aktuell 2011; 15(8): 428
DOI: 10.1055/s-0031-1292653
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Betreuung niereninsuffizienter Kinder – nicht nur eine medizinische Aufgabe

Dirk E Müller-Wiefel
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Publication Date:
04 October 2011 (online)

Jedes Jahr werden nur etwa 200–250 Kinder und Jugendliche in Deutschland einer chronischen Dialysebehandlung unterzogen. Daher kontrastiert diese kleine Gruppe gewaltig zum Heer der Erwachsenen (das heißt körperlich ausgereiften Dialysepatienten) und nimmt dadurch schon zahlenmäßig eine Sonderstellung ein. Je jünger die Kinder sind, desto eher wird die Peritonealdialyse favorisiert, zumeist in Form der apparativen nächtlichen Heimdialyse. Immer ist die Transplantation das Therapieziel, wobei der Anteil an Lebendspenden ständig wächst. Dadurch wird eine präemptive Transplantation ermöglicht, die eine überbrückende Dialysebehandlung ersparen kann, wenn sie mit Umsicht geplant wird. Deswegen ist die Zahl transplantierter pädiatrischer Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz 3-mal größer als die derjenigen unter Dialysetherapie.

Die Grundkrankheiten, die zur terminalen Niereninsuffizienz führen, sind beim Kind grundlegend andere als beim Erwachsenen, meist angeboren und dabei nicht selten genetischen Ursprungs. Hierbei ist jede Erkrankung für sich in der Regel sehr selten (”orphan disease“, EU-Definition: < 5 auf 10 000 Einwohner). Dieses Erkrankungsspektrum bringt es mit sich, dass das Nierenversagen schon früh auftritt – manchmal sogar in der Neonatalperiode. Entsprechend hat sich die pädiatrische Nephrologie vor allem im Laufe des letzten Jahrzehntes darauf einstellen können, Kinder bereits in einer Größenordnung ab dem Neugeborenenalter erfolgreich in ein Dialyseprogramm aufzunehmen und gegen Ende des ersten Lebensjahres transplantieren zu können. Dabei hat ein entsprechender Behandlungserfolg eine hohe kindernephrologische Expertise zur Voraussetzung, wie sie nur in 1 der 20 bundesdeutschen Kinderdialysezentren gegeben ist. Die Struktur und Verteilung können Sie auf der Website der Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie (GPN) nachlesen: http://www.gp-nephrologie.de.

Neben der sehr speziellen medizinischen Betreuung ist eine ganzheitliche psychologische, diätetische und soziale Betreuung dieser Kinder in ihren Familien unabdingbare Voraussetzung für eine adäquate Entwicklung dieser Kinder. Dem hohen Stellenwert dieser unabdingbaren paramedizinischen Betreuungspalette trägt diese Ausgabe der Dialyse aktuell Rechnung: Hochqualifizierte und erfahrene Experten schreiben zur Rolle der Ernährungsberatung, der psychologischen Betreuung und der sozialarbeiterischen Begleitung während der pädiatrischen Nierenersatztherapie. Sie veranschaulichen, wie personal- und arbeitsintensiv diese verantwortungsvolle, ganzheitliche Betreuung des dialysierten oder auch transplantierten pädiatrischen Patienten ist. Das Wissen um diese Betreuungsvielfalt ist eine der Voraussetzungen für eine gelungene Transition des aus der Pädiatrie sich abnabelnden Jugendlichen in die mehr somatisch orientierte, durch homogenere Erkrankungsmuster standardisiertere und damit anonymere Welt der Erwachsenendialyse. Mögen die Artikel dazu beitragen, die Notwendigkeit der ganzheitlichen Betreuung des niereninsuffizienten Kindes zu untermauern und dem Leser plausibel zu machen.