Voraussichtlich im Laufe des Oktobers wird in Deutschland der in den USA schon seit
über 10 Jahren erhältliche alfa2-Agonist Dexmedetomidin für die Sedierung bis zur
RASS-Stufe-3 zugelassen. Die Substanz erlaubt kurze Beatmungszeiten und eine rasche
Extubation und ermöglicht eine gute Interaktion mit dem Patienten trotz Sedierung.
Im Vergleich zu dem alfa2-Agonisten Clonidin greift Dexmedetomidin (dexdor®) selektiver
am alfa2-Rezeptor an und hat eine kürzere Halbwertszeit. Es erlaube deswegen eine
tiefere Sedierung als Clonidin und sei deutlich besser steuerbar, betonte Prof. Peter
Tonner, Bremen. Im Vergleich zu anderen Basissedativa wie Propofol oder Midazolam
führe die Substanz zu einer anderen Qualität der Sedierung, so Tonner. Die Patienten
seien genauso effektiv sedierbar wie etwa mit Midazolam, dabei aber kooperativer und
besser ansprechbar.
Leichte Vorteile bei den Beatmungsparametern
Leichte Vorteile bei den Beatmungsparametern
Um die Zulassung in Europa zu erhalten, wurden 2 Studien durchgeführt, in denen das
Sedativum mit den beiden Therapiestandards Midazolam und Propofol verglichen wurde.
In beide randomisierte, doppelt verblindete Studien wurden jeweils rund 500 mechanisch
beatmete Patienten aufgenommen. Ziel war eine leichte bis moderate Sedierung bis maximal
RASS-3. Primärer Endpunkt waren in beiden Studien die Nicht-Unterlegenheit gegenüber
der Kontrollsubstanz im Hinblick auf das Erreichen der Zielsedierung sowie die Dauer
der mechanischen Beatmung.
In beiden Studien gab es teilweise signifikante Vorteile für Dexmedetomidin. Beim
Sedierungsziel waren die Sedativa jeweils ähnlich gut. Der Anteil der Patienten, die
ohne Rescue-Medikation das individuelle Sedierungsziel erreichten, lag in allen Gruppen
bei etwas über 60 %. Bei einer Sedierung mit Dexmedetomidin wurden die Patienten jeweils
kürzer beatmet und früher extubiert. Dabei gab es im Vergleich zu Midazolam einen
signifikanten Vorteil bei der durchschnittlichen Beatmungsdauer (123 gegenüber 164
Stunden, p = 0,03) und im Vergleich zu Propofol einen signifikanten Vorteil bei der
Zeit bis zur Extubation (69 gegenüber 93 Stunden, p = 0,04).
Patienten kooperativer und besser erweckbar
Patienten kooperativer und besser erweckbar
Für den sekundären Endpunkt bewertete das Pflegepersonal jeweils Kooperation, Ansprechbarkeit
und Erweckbarkeit. In allen 3 Dimensionen wurde Dexmedetomidin signifikant besser
bewertet als der jeweilige Komparator. Aus Sicht der internistischen Intensivmedizin
sei das Sedativum vor allem bei Patienten mit nicht-invasiver Maskenbeatmung sowie
bei multimorbiden, agitierten Patienten eine Bereicherung, betonte Dr. Ingrid Pretsch,
Salzburg. Dr. Ulf Günther, Bonn, sieht interessante Einsatzszenarien aus anästhesiologischer
Sicht unter anderem bei schwer zu entwöhnenden Patienten, ECMO-Patienten und Patienten
mit Langzeitbeatmung. Beachtet werden müssten bei einem Einsatz von alfa2-Agonisten
mögliche Kreislaufreaktionen, so Tonner. Vorsicht geboten sei bei Patienten mit Hypovolämie,
Hypotonie und bradykarden Herzrhythmusstörungen.
Philipp Grätzel von Grätz
(Bild: CD 73 Healthcare)
Quelle: Symposium "Die Zukunft in ICU Sedierung und Delirium Prävention", im Rahmen
des Hauptstadtkongresses Anästhesiologie und Intensivmedizin (HAI 2011), 12. September
2011. Veranstalter: Orion Pharma