Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2011; 21(05): 207
DOI: 10.1055/s-0031-1295358
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Keine der Placebobehandlung überlegene Schmerzreduktion durch Vertebroplastie

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Publication Date:
03 November 2011 (online)

 

Referat zur Arbeit von Staples MP, Kallmes DF, Comstock BA, Jarvik JG, Osborne RH, Buchbinder R. Effectiveness of vertebroplasty using individual patient data from two randomised placebo controlled trials: meta-analysis. BMJ 2011; 343: d3952

Im British Medical Journal wurde eine Metaanalyse zweier randomisierter kontrollierter Studien veröffentlicht, die 2009 im New England Journal of Medicine über Schmerzreduktion durch Vertebroplastie im Vergleich zu einer Placebointervention publiziert worden waren. Ziel der Analyse war es zu klären, ob die Vertebroplastie bei Patienten mit einer kurzen Schmerzdauer von maximal 6 Wochen bzw. bei Patienten mit sehr starken Schmerzen (mehr als 8 Punkte an einer 11-teiligen numerischen Beurteilungsskala) wirksamer ist als die Placebointervention.

Analysiert wurden 209 Patienten zweier multizentrischer Studien, die in Australien mit 78 Teilnehmer bzw. in den USA mit 131 Personen durchgeführt worden waren. Alle Patienten boten zumindest eine durch Röntgenbilder bestätigte Wirbelkompressionsfraktur. 57 Personen (25 mit Vertebroplastie, 32 mit Placebo) boten seit Kurzem (< 6 Wochen) und 99 Patienten (50 mit Vertebroplastie, 49 mit Placebo) zu Studienbeginn sehr starken Schmerzen.

Als Therapie wurde entweder eine perkutane Vertebroplastie oder eine Pseudovertebroplastie durchgeführt, bei der nach Hautanästhesie und Anästhesie des Periosts des Wirbelbogens kein Knochenzement in den frakturierten Wirbelkörper eingebracht worden war. Als Hauptergebnisparameter dienten Schmerz (11-teilige numerische Beurteilungsskala) und der Roland-Morris-Fragebogen zum Zeitpunkt 4 Wochen nach Therapie.

Bei Patienten mit Schmerzen von kurzer Dauer fand sich 1 Monat nach Therapie zwischen den beiden Gruppen ein durchschnittlicher Unterschied der Veränderung des Schmerzskore- von 0.1 (95 %-Vertrauensintervall −1,4 bis1,6) und der Veränderung des Roland-Morris-Fragebogens von 0,2 (−3 bis 3,4.) Bei Personen mit ausgeprägten Schmerzen vor Therapie, war die durchschnittliche Differenz der Schmerzveränderung 0,3 (95 %-Vertrauensintervall −0,8 bis 1,5) und für Behinderung 1,4 (95%- Vertrauensintervall −1,2 bis 3,9). 64 % der Patienten nach tatsächlicher Vertebroplastie und 46 % der Kontrollpatienten erhielten1 Monat nach der chirurgischen Therapie eine Behandlung mit Opiaten.

Die Autoren schließen aus der Analyse, dass die Vertebroplastie weder bei Patienten mit kurzer Schmerzdauer noch bei Personen mit ausgeprägten Schmerzen wirksamer als eine Placebointervention Schmerz oder Behinderung vermindern kann. Die Meinung, dass bestimmte Untergruppen von Patienten von der Vertebroplastie profitieren, lässt sich durch die neuerliche Datenanalyse nicht beweisen.

K. Ammer, Wien, Österreich

Kommentar

Eine Übersicht aus dem Vorjahr kommt zu dem Schluss, dass die Vertebroplastie keine Routinetherapie bei schmerzhafter Wirbelkörperfraktur darstellt, da ein Wirksamkeitsnachweis im Vergleich zur Placebobehandlung fehlt. Als Standardtherapie wird hingegen die Versorgung mit Orthesen und Physiotherapie empfohlen [ 1 ]. Allerdings fehlen für diese Empfehlung Studien. Es existieren lediglich Untersuchungen, welche die Effekte der Vertebroplastie [ 2 ], [ 3 ] bzw. der Kyphoplastie [ 4 ] mit der Wirkung einer optimierten medikamentösen Schmerztherapie verglichen haben.

Diese Studien sind zwar randomisiert, aber nicht geblindet bez. der Untersucher, sodass die beobachtete geringe Überlegenheit der chirurgischen Wirbelstabilisierung [ 2 ], [ 3 ], [ 4 ] möglicherweise auf die fehlende Blindung zurückzuführen ist. Die neuerlich analysierten Studien [ 5 ], [ 6 ] sind ein schönes Beispiel für den Umstand, dass eine rationale Begründung für eine Behandlung, durch eine randomisierte, kontrollierte und zumindest Untersucher-geblindete Studie in ihrer Wirksamkeit bestätigt werden muss.

 
  • Literatur

  • 1 Pérez-Núñez MI, Riancho Moral JA. Vertebroplasty and kyphoplasty as treatment for osteoporotic vertebral fractures. Rev Osteoporos Metab Miner 2010; 2: 27-33
  • 2 Diamond TH, Bryant C, Browne L, Clark WA. Clinical outcomes after acute osteoporotic vertebral fractures: a 2-year non-randomised trial comparing percutaneousvertebroplasty with conservative therapy. MJA 2006; 184: 113-117
  • 3 Klazen CA, Lohle PN, de Vriers J, Jansen FH, Tielbeek AV, Blonk MC et al. Vertebroplasty versus conservative treatment in acute osteoporotic vertebral compression fractures (Vertos II): an open-label randomised trial. Lancet 2010; 376: 1085-92
  • 4 Wardlaw D, Cummings SR, Van Meirhaeghe J, Bastian L, Tillman JB, Ranstam J, Eastell R et al. Efficacy and safety of balloon kyphoplasty compared with non-surgical care for vertebral compression fracture (FREE):a randomised controlled trial. Lancet 2009; 373: 1016-24
  • 5 Buchbinder R, Osborne RH, Ebeling PR, Wark JD, Mitchell P, Wriedt C et al. A randomized trial of vertebroplasty for painful osteoporotic vertebral fractures. N Engl J Med 2009; 361: 567-68
  • 6 Kallmes DF, Comstock BA, Heagerty PJ, Turner JA, Wilson DJ, Diamond TH et al. A randomized trial of vertebroplasty for osteoporotic spinal fractures. N Engl J Med 2009; 361: 569-79