Dialyse aktuell 2011; 15(09): 528-530
DOI: 10.1055/s-0031-1295597
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Terminale Niereninsuffizienz – Hämodiafiltration und Phosphatbindertherapie beeinflussen Überlebensrate

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Publication Date:
10 November 2011 (online)

 
 

Trotz der Fortschritte in der medizinischen Versorgung von Dialysepatienten ist die Morbidität und Mortalität nach wie vor hoch. Deshalb gehört zu den vorrangigen Zielen der modernen Nierenersatztherapie, das Überleben und die Lebensqualität zu verbessern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Wie aktuelle Studien zeigen, können die Hämodiafiltration (HDF) und die Therapie mit Phosphatbindern zu diesen Zielen beitragen.

Bei der Online-HDF werden 2 physikalische Prinzipien zur Entfernung urämischer Toxine kombiniert: die Diffusion als ideale Methode zur Elimination von Molekülen bis zu circa 1000 Da und die Konvektion, mit der kleine, mittlere und proteingebundene Moleküle effektiv entfernt werden können. In Abhängigkeit von der Durchlässigkeit der verwendeten Membran bewirkt der große Flüssigkeitsstrom von der Blut- zur Dialysatseite ein "Mitreißen" auch höhermolekularer Substanzen. "Eine Dialyse ist umso besser, je höher der konvektive Anteil ist", postulierte Prof. Udo Bahner, Würzburg.

Maschine stellt Elektrolytlösung bereit

Bei der Online-HDF entzieht die Maschine während der Behandlung größere Volumina an Wasser als bei der herkömmlichen Hämodialyse. Die entnommene Flüssigkeit wird kontinuierlich durch eine ultrareine Elektrolytlösung ersetzt. In diesem Zusammenhang bedeutet Online, dass die Dialysemaschine die Elektrolytlösung selbst bereitstellt, während üblicherweise Infusionslösungen in Beuteln verwendet werden. Bei der Online-HDF stellt die Maschine selbst nicht nur eine sterile Elektrolytlösung, sondern auch eine sterile Dialyselösung her.

Wie aktuelle Studien zeigen, hat die HDF im Vergleich zur konventionellen Dialyse verschiedene positive Auswirkungen auf kardiovaskuläre Risikofaktoren und die Mortalitätsrate von Patienten mit terminalem Nierenversagen, sagte Bahner. Diese Vorteile werden mit einer effektiveren Elimination von gefäßschädigenden Urämietoxinen in Verbindung gebracht.

Neben der Elimination von Urämietoxinen hat die Online-HDF auch einen positiven Einfluss auf weitere wesentliche Faktoren für die Entstehung einer Atherosklerose, führte Bahner weiter aus. So konnte in Würzburger Untersuchungen nachgewiesen werden, dass es unter der HDF zu einem Rückgang der Entzündungsparameter CRP (C-reaktives Protein), proteingebundenes Pentosidin und AGE-Produkten (AGE: "advanced glycation end products") kam. Weitere günstige Effekte der Online-HDF bestehen Bahners Erfahrungen zufolge in einer gegenüber der konventionellen Hämodialyse verbesserten Anämiekontrolle, der Phosphathomöostase sowie einer größeren intradialytischen Kreislaufstabilität.


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Fokus auf Senkung des Mortalitätsrisikos

Der Fokus einer effektiven und qualitativ hochwertigen Dialysetherapie liegt jedoch vor allem auf der Senkung des Mortalitätsrisikos. Dazu sind mittlerweile nicht nur Untersuchungen zu Effekten auf Surrogatparameter (siehe oben), sondern auch Mortalitätsstudien verfügbar. So konnte die Beobachtungsstudie DOPPS[ 1 ] zeigen, dass Patienten unter einer hocheffizienten HDF ein signifikantes, 35 % niedrigeres Mortalitätsrisiko hatten als solche unter einer Low-flux-HD (HD: Hämodialyse) [ 1 ].

In der kürzlich vorgestellten prospektiven, randomisierten Studie CONTRAST[ 2 ] bestand zwar kein Unterschied zwischen den Patienten mit Online-HDF und denjenigen mit Low-flux-HD hinsichtlich der Gesamtmortalität [ 2 ]. Eine Subgruppenanalyse zeigte jedoch, dass HDF-Patienten mit einem hohen konvektiven Volumenersatz von mehr als 20 l pro Behandlung eine signifikant geringere Gesamtmortalität aufwiesen als Patienten mit geringeren Substitutionsvolumen ("hazard ratio" 0,66).

Auch in der kontrollierten "Turkish HDF Study" [ 3 ] zeigte eine Subgruppenanalyse, dass HDF-Patienten mit einem hohen konvektiven Volumenersatz von mehr als 17,4 l pro Behandlung im Vergleich zu Patienten mit niedrigerer Volumensubstitution und gegenüber Patienten mit High-flux-HD eine signifikant geringere kardiovaskuläre und Gesamtüberlebensrate aufwiesen. Die Daten ergaben eine 46-prozentige Reduzierung des Risikos für die Gesamtmortalität und eine 71-prozentige Risikoverringerung für die kardiovaskuläre Mortalität. Mit diesen beiden Studien konnte zum ersten Mal prospektiv ein positiver Einfluss der hocheffizienten HDF auf die Mortalität belegt werden.

Zu den Kosten-Nutzen-Überlegungen sagte Bahner, dass im KfH Nierenzentrum Würzburg der durchschnittliche Heparinverbrauch pro Dialyse bei der Online-HDF im 1.–3. Quartal 2010 bei 12 529 IE lag, der KfH-Durchschnitt im gleichen Zeitraum bei 15 096 IE. Dies bedeutet eine Differenz zum KfH-Durchschnitt von – 17 %. Bei den Instandhaltungskosten der Dialysegeräte lag der durchschnittliche Aufwand für die Online-HDF mit dem Therapiesystem 5008 bei 10,6 Stunden und die Materialkosten pro Gerät bei 303 Euro und damit deutlich unter dem KfH-Durchschnitt.


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Phosphatspiegel beeinflussen Sterblichkeit

Neben einer suffizienten Dialysebehandlung hängt das Mortalitätsrisiko der Patienten mit chronischer Nierenerkrankung entscheidend von der Höhe der Phosphatspiegel ab. Schon vor über 10 Jahren wurde dieser Parameter als Vorhersagewert für dieses Risiko identifiziert, sagte Prof. Markus Ketteler, Coburg. Bereits in frühen Stadien der Niereninsuffizienz ist die renale Phosphatausscheidung gestört. Unbehandelt fördern hohe Phosphatspiegel die Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidismus, in deren Folge eine renale Osteopathie, extraossäre und vaskuläre Verkalkungen voranschreiten. Dadurch steigt die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität der Patienten.

Den Zusammenhang zwischen Phosphatspiegeln und Sterblichkeit belegen unter anderen Untersuchungen Daten von über 14 000 Hämodialysepatienten aus dem deutschen Register QiN (Qualität in der Nephrologie) [ 4 ]. Demzufolge war ein Serumphosphatspiegel von 8–9 mg/dl mit einem 1,75-fachen Risikozuwachs für Mortalität und Phosphatspiegel von mehr als 9 mg/dl mit einem 2,9-fach erhöhten Risiko verbunden.


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Therapieempfehlung der KDIGO

Konsequenzen aus den Daten von Studien und Registern zogen die aktuellen Leitlinien der KDIGO ("Kidney Disease: Improving Global Outcomes") [ 5 ]. Darin wird empfohlen, bei allen Stadien der CKD ("chronic kidney disease") die Phosphatwerte möglichst in den Normbereich zu senken. Des Weiteren empfehlen die Leitlinien bei Patienten in den Stadien 3–5D einer chronischen Nierenerkrankung den Einsatz von Phosphatbindern zur Therapie der Hyperphosphatämie. Damit lassen sich bei adäquater Dosierung Phosphatwerte im therapeutischen Zielbereich erreichen.

Dass eine Behandlung mit Phosphatbindern mit einem verbesserten Überleben verbunden ist, belegte eine prospektive Kohortenstudie [ 6 ] mit über 10 000 Hämodialysepatienten. Die gesamte 1-Jahres-Mortalität betrug 191 Todesfälle/1000 Patientenjahre bei Hämodialysepatienten, die mit verschiedenen Phosphatbindern bzw. ohne diese Therapieoption behandelt wurden. In der Phosphatbindergruppe wurde eine signifikant niedrigere Mortalität gegenüber der Vergleichsgruppe beobachtet (136 vs. 235 Todesfälle pro 1000 Patientenjahre, relatives Risiko 0,58). Der Überlebensvorteil lag zwischen 18 und 30 % unter der Phosphatbindertherapie.


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Neue Therapieoption

Eine neue effektive Option, die Phosphatspiegel zu senken, besteht in der Kombination aus Kalziumazetat und Magnesiumkarbonat (OsvaRen®). Die Effektivität des Phosphatbinders belegte die kontrollierte und randomisierte, multizentrische Vergleichsstudie CALMAG[ 3 ] [ 7 ].

Sowohl unter der Therapie mit CaMg (Ca: Kalzium, Mg: Magnesium) als auch mit Sevelamer verringerten sich bei den eingeschlossenen 204 Patienten die Phosphatspiegel in Woche 25 der Studie signifikant, sodass die Hypothese der Nichtunterlegenheit von CaMg bestätigt werden konnte (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 In der CALMAG-Studie konnte der von der KDOQI ("Kidney Disease Outcomes Quality Initiative") empfohlene Zielbereich für den Serumphosphatspiegel gegenüber Sevelamer schneller erreicht werden.

Weiter wurde beobachtet, dass sich im CaMg-Arm unter der Behandlung das Serumkalzium erhöht hatte. Dies war jedoch nicht mit einem höheren Risiko für eine Hyperkalzämie verbunden. Beim ionisierten Kalzium bestand zwischen den Gruppen kein Unterschied (Abb. [ 2 ]). Im CaMg-Arm kam es gegenüber der Vergleichsgruppe zu einem leichten asymptomatischen Anstieg des Serummagnesiums.

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Abb. 2 Die CALMAG-Studie wies keinen signifikanten Unterschied beim ionisierten Serumkalzium zwischen den Phosphatbindern nach.

Verschiedene epidemiologische und experimentelle Studien legen nah, dass Magnesium selbst verkalkungsprotektive Eigenschaften besitzt, betonte Ketteler. So hatte in einer Studie [ 8 ] eine Magnesiumsupplementierung einen positiven Einfluss auf die Intima-Media-Dicke (IMT) der A. carotis und damit einen protektiven Effekt auf die Progression der Atherosklerose bei Dialysepatienten. Insgesamt wurden 47 Patienten in 2 Gruppen randomisiert: Die erste (Gruppe A) erhielt 610 mg orales Magnesiumzitrat jeden zweiten Tag über 2 Monate, Gruppe B nur Kalzium als Phosphatbinder. Initial und 2 Monate später wurde die IMT der A. carotis mit Ultraschall gemessen.

Im Ergebnis stieg wie zu erwarten der durchschnittliche Mg-Spiegel im Serum nach der Studienperiode in Gruppe A an. Zusätzlich nahm bei diesen Patienten der PTH-Spiegel signifikant ab. Die bilateral bestimmte IMT-Dicke hatte sich nach den 2 Monaten Mg-Therapie signifikant verbessert.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt a. M.

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Gezielte Abstimmung von Dialyseverfahren und Arzneimitteltherapie bei HD-Patienten", veranstaltet von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg, auf dem Kongress für Nephrologie, Berlin.
Der Autor ist freier Journalist.


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1 Dialysis Outcome and Practice Patterns Study


2 Convective Transport Study


3 CALciumazetat-MAGnesiumkarbonat-Evaluationsstudie


  • Literatur

  • 1 Canaud B et al. Kidney International 2006; 69: 2087-2093
  • 2 Gooteman M et al. ERA/EDTA-Kongress . Prag 2011, Abstract 2507
  • 3 Ok E et al. ERA/EDTA-Kongress. Prag 2011, Abstract 2506
  • 4 Ketteler M. European Nephrology 2007; 1: 24-26
  • 5 CKD-MDB Work Group. Kidney Int 2009; 76 (Suppl. 113) 1-130
  • 6 Isakova T et al. JASN 2009; 20: 388-396
  • 7 de Francisco ALM et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 8 Turgut F et al. Int Urol Nephrol 2008; 40: 1075-1082

  • Literatur

  • 1 Canaud B et al. Kidney International 2006; 69: 2087-2093
  • 2 Gooteman M et al. ERA/EDTA-Kongress . Prag 2011, Abstract 2507
  • 3 Ok E et al. ERA/EDTA-Kongress. Prag 2011, Abstract 2506
  • 4 Ketteler M. European Nephrology 2007; 1: 24-26
  • 5 CKD-MDB Work Group. Kidney Int 2009; 76 (Suppl. 113) 1-130
  • 6 Isakova T et al. JASN 2009; 20: 388-396
  • 7 de Francisco ALM et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 8 Turgut F et al. Int Urol Nephrol 2008; 40: 1075-1082

 
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Abb. 1 In der CALMAG-Studie konnte der von der KDOQI ("Kidney Disease Outcomes Quality Initiative") empfohlene Zielbereich für den Serumphosphatspiegel gegenüber Sevelamer schneller erreicht werden.
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Abb. 2 Die CALMAG-Studie wies keinen signifikanten Unterschied beim ionisierten Serumkalzium zwischen den Phosphatbindern nach.