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Epistaxis - Nasenbluten - Tamponade - HNO-Arzt
Die aktive Blutung aus der Nase (Epistaxis) ist ein häufiger Notfall in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.
Rund 60 % aller Erwachsenen haben mindestens einmal in ihrem Leben Nasenbluten. Auch
bei Kindern tritt es häufig auf. In den meisten Fällen lässt sich die Blutung mit
einfachen Mitteln stillen. Doch auch lebensbedrohliche Blutungen sind möglich. Der
Artikel soll dem Arzt helfen, einfache Blutungen zu stillen und in schweren Fällen
erste Maßnahmen bis zur Weiterbehandlung durch den HNO-Arzt einzuleiten.
Ursprung der Blutungen
Am vorderen Drittel des Nasenseptums liegt der gefäßreiche Locus Kiesselbachi [Abb. 1]. Werden dort Äderchen verletzt, blutet der Patient stark aus der vorderen Nase.
Einen Blutaustritt nach retrograd in den Pharynx sieht man hier sehr selten. Im hinteren
Teil der Nase, nahe dem Kieferhöhlenostium, liegt die Arteria sphenopalatina, ein
Ast der A. maxillaris. Richtung Siebbein liegen die Arteriae ethmoidalis anterior
und posterior, beide Äste der A. ophthalmica. Blutungen aus diesen Gefäßen zeigen
sich durch einen Blutaustritt aus der vorderen Nase und teils sehr heftigen Austritt
in den Epipharynx.
In rund 80 % der Fälle ist der Locus Kiesselbachi der Ursprung der Blutung.
Abb. 1 Blutgefäße der Nase, die Ursprung einer Epistaxis sein können. Am häufigsten liegt
die Quelle der Blutung im fein verzweigten System des Locus Kiesselbachi.
Ursachen einer Epistaxis
Die Ursachen für das Nasenbluten kann man in 2 Gruppen unterteilen:
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lokal bedingte Ursachen
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An erster Stelle steht hier die Ruptur eines gestauten Gefäßes am Locus Kiesselbachi.
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Traumen an Nasenbein, -septum, -nebenhöhlen und an der Schädelbasis können ebenfalls
Ursache sein.
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Denken Sie an Verletzungen der Nasenschleimhaut durch Manipulation oder durch Fremdkörper,
v. a. bei kleinen Kindern.
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Auch Neubildungen wie z. B. Polypen, ein Malignom oder bei Kindern das juvenile Nasenrachenfibrom
können eine Blutung hervorrufen.
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systemische Ursachen
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Durch fiebrige Infektionskrankheiten, wie z. B. Grippe, Masern oder Schnupfen, kann
es durch Reizung der Schleimhäute zu Blutungen kommen.
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Oft werden auch Gefäß- und Kreislauferkrankungen wie Arteriosklerose, Nierenerkrankungen
und v. a. die arterielle Hypertonie über das Nasenbluten entdeckt.
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Hämorrhagische Diathesen wie Hämophilie, Thrombopathien (wie der Morbus Werlhoff),
Leukämien, Lebererkrankungen und Therapien mit Antikoagulanzien verursachen sehr oft
Nasenbluten.
Die Ursachen für das Nasenbluten können sehr vielfältig sein. Oft liegen sie außerhalb
des Hals-Nasen-Ohren-Fachgebietes. In diesem Fall ist die kausale Therapie nach Behebung
der Akutsituation oft nur interdisziplinär zu bewerkstelligen.
Erstmaßnahmen
Patienten richtig lagern
Im Fall einer Blutung sollten zuerst immer einige allgemeine Maßnahmen getätigt werden.
Wichtig dabei: Vermeiden Sie, dass der Patient zu viel Blut schluckt.
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Der blutende Patient sollte möglichst aufrecht sitzen und den Kopf nach vorn beugen.
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Geht dies nicht, sollte er liegen und den Kopf dabei anheben.
Dadurch sieht man zum einen, wie stark die Blutung ist. Zum anderen hat das menschliche
Blut eine starke emetische Wirkung – das geschluckte Blut führt also beim Patienten
zu starker Übelkeit und nicht selten zu Erbrechen. Dies gilt es zu verhindern.
Beruhigung
Ganz wichtig: Beruhigen Sie den Patienten und – wenn anwesend – seine Angehörigen.
Blut führt bei vielen Menschen zu starken Emotionen und Ängsten. Beruhigende Worte
und ein höfliches Hinausbitten der Angehörigen aus dem Behandlungszimmer können die
Situation oft schon entspannen.
Inspektion des Rachens
Werfen Sie einen Blick in den Rachen des Patienten, um auszuschließen, dass Blut über
den Nasenrachenraum in den Pharynx läuft.
Praxistipp Legen Sie dem Patienten dabei eine Kühlung in den Nacken. Dies mindert oft schon
die Blutung oder bringt sie ganz zum Erliegen.
Kompression der Nasenflügel
Sollte die Kühlung im Nacken die Blutung nicht gestillt haben und ein Blutaustritt
in den Nasenrachenraum ausgeschlossen worden sein, so wäre der nächste Schritt die
Kompression beider Nasenflügel für mindestens 5 min. Dies kann in der Regel der Patient
selbst tun [Abb. 2].
Abb. 2 Eine Kompression der Nasenflügel stillt oft schon die Blutung.
Vasokonstriktoren
Handelsübliche, Naphazolin-haltige Nasensprays (1 mg/ml, z. B. Privin 1 : 1000) wirken
u. a. gefäßverengend.
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Legen Sie einen damit getränkten Wattebausch für 5 min in die Nasenhaupthöhle – das
kann leichte Blutungen stillen.
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Falls kein entsprechendes Spray zur Hand ist, kann man auch die vasokonstriktive Wirkung
von Suprarenin (lokal appliziert) ausnutzen.
Hierbei ist jedoch die eventuelle Wirkung auf das Herzkreislaufsystem zu bedenken!
Anamnese: Nimmt der Patient Gerinnungshemmer?
Parallel zu den ersten Maßnahmen können Sie als Arzt die Anamnese durchführen. Erkundigen
Sie sich hierbei gezielt nach
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Dauer der Blutung,
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Besonderheiten vor Auftreten der Blutung (z. B. Trauma),
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Nebenerkrankungen sowie nach
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eingenommenen Medikamenten, v. a. den häufig verordneten Gerinnungshemmern
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Azetylsalizylsäure (z. B. ASS 100, HerzASS),
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Clopidogrel (z. B. Iscover, Plavix) und
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Phenprocoumon (z. B. Marcumar).
Oft geben die Patienten aber schon von sich aus eines der oben aufgeführten Präparate
als Dauermedikament an.
Die Erstmaßnahmen umfassen:
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Patienten hinsetzen
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seinen Kopf nach vorne beugen lassen
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Kühlung in den Nacken
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Mundhöhle / Rachen inspizieren
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Nasenflügel für 5 min komprimieren
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evtl. vasokonstriktive Medikamente, lokal appliziert
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Patienten ggf. beruhigen
Koagulation
Bei Erwachsenen
Sollten die obigen Maßnahmen keinen Erfolg haben und sollte sich als Blutungsquelle
ein spritzendes Gefäß am Locus Kiesselbachi zeigen, so ist es am einfachsten,
Dies ist bei Erwachsenen unter vorheriger lokaler Anästhesie, z. B. mit Xylocainspray
2 %, relativ schmerzarm und gut durchzuführen.
Cave Eine Verätzung oder Verödung sollte niemals beidseits an korrespondierenden Stellen
des Nasenseptums erfolgen. Dies birgt die große Gefahr einer Septumperforation, die
ihrerseits Ausgangspunkt erneuter Blutungen sein kann.
Bei Kindern
Bei Kindern geht man etwas anders vor. Häufig ist die Ursache für das Nasenbluten
ein oberflächlich verlaufendes Gefäß am Locus Kiesselbachi, das schon bei geringster
Manipulation, durch eine Schleimhautreizung (z. B. bei Schnupfen) oder auch spontan
zu bluten beginnt.
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Oft führt hier schon die Kompression der Nasenflügel zum Sistieren der Blutung.
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Um das Problem dauerhaft zu lösen, empfiehlt es sich zusätzlich, das Gefäß mittels
der bipolaren Pinzette zu veröden.
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Dies sollte bei Kindern immer im Rahmen einer Kurznarkose durchgeführt werden, da
diese Prozedur nicht ganz schmerzfrei ist und man eine Traumatisierung des Kindes
vermeiden möchte.
Durch die gezielte Verödung einer sichtbaren Blutungsquelle z. B. am Locus Kiesselbachi
lassen sich viele Blutungen rasch und sicher zum Stillstand bringen.
Tamponaden
Wirkprinzip: Druck von innen
Stoppt selbst die Verödung das Nasenbluten nicht, oder erkennt man sofort, dass es
sich um eine schwere Blutung mit zusätzlicher systemischer Ursache handelt, sollte
man die Anlage einer Tamponade erwägen.
Die Tamponade der Gegenseite fungiert als Widerlager. Einseitige Tamponaden haben
in der Regel keinen Erfolg, da durch die Beweglichkeit des Nasenseptums nicht genügend
Druck in der Nase aufgebaut wird und somit keine suffiziente Blutstillung zustande
kommt.
Tamponaden aus saugfähigem Material
Bei der Auswahl des Tamponadenmaterials können verwendet werden [Abb. 3]:
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Salbenstreifen (Breite 1 cm),
-
Fingerlingstamponaden oder
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zur Not eine schmale Mullbinde, die mit Dexpanthenol-haltiger Salbe getränkt wird.
Wichtig ist, mit der verwendeten Tamponade nicht zu sparsam umzugehen. Es kommt immer
wieder vor, dass Patienten mit ”Blutung unter liegender Tamponade“ in der Klinik angemeldet
werden, und sich die Tamponade dann als einseitig gelegter, ca. 20 cm langer Gazestreifen
entpuppt. Derartige Tamponaden können nicht zur Blutstillung beitragen!
Sparen Sie nicht an der Tamponade und tamponieren Sie die Nase immer beidseits aus!
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In der Nasenhaupthöhle ist genug Platz – man kann in der Regel 1–2 m Tamponade pro
Seite applizieren.
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Dabei legt man die Tamponade mäanderförmig von hinten nach vorn und von oben nach
unten in die Nase ein.
Abb. 3 Utensilien für die Behandlung von Nasenbluten:1) Fingerlingstamponaden2) Salbenstreifen3)
2-Kammer-Ballontamponade4) bipolare Pinzette5) Silbernitratstäbchen6) Nasentamponpinzette7)
Oberflächenanästhetikum8) Nasenspekulum
Pneumatische Tamponaden
Im Handel gibt es etliche Tamponaden zur Blutstillung, z. B.:
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aufblasbare bzw. füllbare Ballontamponaden mit Ein- und Zwei-Kammersystem oder
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Polyvinylacetat-Tamponaden, die nach Kontakt mit Flüssigkeit wie ein Schwamm aufquellen.
Allen gemeinsam ist der Wirkmechanismus: Sie werden unter Sicht eingeführt und mit
physiologischer Kochsalzlösung gefüllt (”geblockt“) oder befeuchtet. Dadurch vergrößert
sich ihr Volumen, und sie verschließen so die Nasenhaupthöhle.
Bei den Zwei-Kammersystemen liegt eine Kammer im Epipharynx – das verschließt die
Nase auch nach hinten. Beide Ballons sind selbstverständlich getrennt voneinander
zu blocken. Man füllt sie so lange, bis die Blutung stoppt oder die Kammern gefüllt
sind. Das maximale Volumen ist immer auf dem Ballonkatheter vermerkt.
Keine Tamponade auffindbar – und nun?
Sollte ein Patient sehr stark bluten, der HNO-Kollege nicht sofort vor Ort und keine
Tamponade auf der Station vorhanden sein, dann empfehle ich:
Oft kann man so die Blutung vermindern oder gar stoppen.
Fixieren Sie die Einlage
Um eine Aspiration der Tamponade zu verhindern, muss diese gegen das Abrutschen in
den Epipharynx gesichert werden.
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Fixieren Sie daher das eingelegte Material – und zwar stets nach außen.
-
Hierzu reicht es, die Haltefäden der Fingerlingstamponaden oder das Ende der Salbenstreifen
mit einem Pflaster auf dem Nasenrücken des Patienten zu befestigen (siehe Titelbild).
Infektionsprophylaxe
Während der Zeit, in der er die Tamponade trägt, sollte der Patient eine orale Antibiose
erhalten, z. B. mit
Gerade im feucht-warmen Milieu der nicht sterilen Nasenhaupthöhle können sich in der
Tamponade sonst Infekte ausbreiten – mit Folgen bis hin zu Sepsis oder Toxic-shock-Syndrom.
Anwendungsdauer
Es ist ratsam, Tamponaden für mindestens 3, aber höchstens 4 Tage zu belassen und
sie in dieser Zeit nicht zu wechseln. In der Regel ist nach 3–4 Tagen die Blutungsquelle
versiegt. Verbleibt die Tamponade länger als 4 Tage in der Nase, kann es zu Schleimhautnekrosen
in der Nasenhaupthöhle kommen. Deren Therapie ist wiederum sehr aufwendig und schmerzhaft.
Um das Risiko für Aspiration, Infektionen und Nekrosen zu minimieren, müssen Sie
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die Tamponade außen auf der Nase fixieren,
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dem Patienten Antibiotika verabreichen und
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die Tamponade nach spätestens 4 Tagen entfernen (lassen).
Begleittherapie bei größerer Blutung
Begleittherapie bei größerer Blutung
Venöser Zugang
Neben der Tamponadeneinlage sind noch wichtige Begleitmaßnahmen zu treffen. Wie bei
jeder größeren Blutung empfiehlt es sich, den Patienten mit einem periphervenösen
Zugang (PVK, mind. 18G) zu versorgen.
-
Über diesen Zugang sollte der Patient bei einer länger zu erwartenden Blutstillung
mit Volumen versorgt werden (physiologische Kochsalz- oder Elektrolytlösung).
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Die Anlage einer Tamponade ist schmerzhaft, hier ist die Verabreichung eines peripheren
Analgetikums prophylaktisch ratsam. Metamizol 1 g als Kurzinfusion ist dafür gut geeignet,
wenn keine Kontraindikationen vorliegen.
Metamizol hat die (in diesem Fall positive) Nebenwirkung, den Blutdruck zu senken.
Praxistipp Nehmen Sie bei der Anlage des PVK gleich Blut für ein kleines Blutbild, die Gerinnung
und zur etwaigen Blutgruppenbestimmung ab.
Blutdruck überwachen
Lassen Sie regelmäßig den Blutdruck des Patienten messen. Oft wird durch das Nasenbluten
ein Bluthochdruck diagnostiziert, obwohl dieser ”nur“ aus der Aufregung oder Angst
resultiert.
Praxistipp Bitten Sie immer eine Schwester oder einen Pfleger zur Hilfe. Zu zweit ist der Ablauf
einfacher zu bewerkstelligen und man hat immer noch jemanden, der weitere Hilfe rufen
kann.
Weitergehende Therapie durch Spezialisten
Wenn die bisherigen Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben, sind die konservativen
Möglichkeiten erschöpft. Spätestens dann sollte man den HNO-Kollegen hinzu ziehen.
Dieser hat die Möglichkeit, beim narkotisierten Patienten die Nase zu inspizieren,
spezielle Nasenrachentamponaden (Bellocq-Tamponaden) zu legen und Gefäße von endo-
oder extranasal zu unterbinden. Alternativ besteht die Möglichkeit, blutende Gefäße
interdisziplinär in der Neuroradiologie darzustellen und zu verschließen.
Fazit In vielen Fällen gelingt es, Nasenbluten mit einfachen Mitteln zu versorgen. Man
sollte aber seine Grenzen kennen und rechtzeitig einen HNO-Kollegen konsultieren,
um den Patienten nicht unnötig zu gefährden. Eine Blutung aus der Nase kann potenziell
lebensgefährlich sein.
Kernaussagen
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In 80 % der Fälle liegt der Ursprung der Blutung am Locus Kiesselbachi.
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Eine Kühlung im Nacken und Kompression der Nasenflügel können oft schon die Blutung
stillen.
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Durch die gezielte Verödung einer sichtbaren Blutungsquelle z. B. am Locus Kiesselbachi
lassen sich auch hartnäckigere Blutungen rasch und sicher zum Stillstand bringen.
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Wenn Sie zur Blutstillung Nasentamponaden benötigen, legen Sie diese immer beidseits
ein und verwenden Sie ausreichend Material.
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Sichern Sie Nasentamponaden immer nach außen (Aspirations- und Erstickungsgefahr)!
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Eine antibiotische Abdeckung über die Dauer der Behandlung ist obligat.
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Belassen Sie Tamponaden maximal 4 Tage in der Nasenhöhle.
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Achten Sie auf ein gutes Notfallmanagement mit Zugang, Blutabnahme und Analgesie.
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Konsultieren Sie zur Behandlung rechtzeitig den Kollegen der Hals-Nasen-Ohren-Klinik.
Falscher Ehrgeiz gefährdet den Patienten.
Interessenkonflikt Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
weiterführende Literatur
Zenner H-P, Hrsg. Praktische Therapie von HNO-Krankheiten 2. Aufl. Stuttgart: Schattauer;
2008
Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0031-1295697