Liebe Leserinnen und Leser,
Ein Kongresshighlight im Jahr 2012 ist der EFORT-Kongress vom 23.–25. Mai in Berlin.
Mit fast 4000 Abstractanmeldungen ist hier ein neuer Rekord in der Geschichte der
EFORT-Kongresse erzielt worden. Obwohl der Kongress wissenschaftlich alle Aspekte
unseres orthopädisch-unfallchirurgischen Faches insbesondere unter der Sichtweise
europäischer Erfahrungen und Standards abdeckt, stehen zwei thematische Schwerpunkte
im Mittelpunkt des Kongresses:
Die Initiative der europäischen Union „Active and Healthy Aging“, als auch die UN-Dekade
für „Action for Road Safety“.
Diese beiden Kongressschwerpunkte als Ausdruck aktuell internationaler Initiativen
in unserem Fachgebiet sollen daher in dieser und der nächsten Ausgabe unserer Zeitschrift
kurz dargestellt werden:
Die europäische Initiative „Aktives und gesundes Altern“ basiert vornehmlich auf dem
in allen europäischen Ländern stattfindenden demografischen Wandel. Aufgrund der vorliegenden
Daten ist damit zu rechnen, dass in den nächsten 50 Jahren die über 65-Jährigen sich
in der Anzahl verdoppeln, die Anzahl der über 80-Jährigen sich sogar verdreifacht.
Dabei bedeutet diese zunehmende Lebenserwartung nicht gleichzeitig auch längeres und
gesünderes Leben. Nach Statistiken der WHO sind ca. ⅕ der Gesamtlebenszeit mit physischen
und psychischen Krankheiten behaftet. Diese Beeinträchtigung ist vornehmlich durch
chronische Erkrankungen verursacht. Ca. 40 % der europäischen Bevölkerung mit einem
Lebensalter über 15 Jahren leidet an einer chronischen Erkrankung. Bei älteren Menschen
über 60 Jahre leiden fast 70 % an zumindest zwei chronischen Erkrankungen. Dies bedeutet
natürlich auch, dass gerade diese chronischen Erkrankungen den vornehmlichen Anteil
an Gesundheitskosten in unseren europäischen Ländern verursachen.
Nach Angaben der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) werden
derzeit mehr als 70 % aller Gesundheitsmaßnahmen aufgrund chronischer Erkrankungen
ausgegeben. Demgegenüber werden jedoch nur 3 % in Präventions- und Gesundheitsprogramme
auf diesem Sektor investiert [1], [2].
Mit der Initiative „Active and Healty Aging“ möchte die EU dieses Problem adressieren
mit dem Hauptziel, zwei zusätzliche gesunde Lebensjahre für den in Europa lebenden
Menschen zu erreichen. Im transnationalen europäischen Verbund sollen hier die verschiedenen
Gesundheits- und Sozialsysteme soweit wie möglich angenähert und optimiert werden.
Finanziell werden daher seitens der EU Förderprogramme aufgelegt, die sich insbesondere
mit neuen und innovativen Methoden im Bereich der Vorbeugung, des Screenings und der
Erfassung von Frühdiagnosen insbesondere bei chronischen Erkrankungen befassen. Gleichsam
soll die Pflege des Menschen und insbesondere die Pflege alter Menschen in den Vordergrund
des sozialen Bewusstseins und der Wertigkeit in der Gesellschaft gerückt werden. Dabei
bleibt jedoch kritisch zu hinterfragen, inwieweit die derzeitige, auch in Deutschland
stattfindende Diskussion der Akademisierung der Pflege sinnvoll ist.
Neben diesen Bereichen der Gesundheitsversorgung widmet sich die EU-Initiative „Active
and Healthy Aging“ aber auch mit entsprechend finanzieller Förderung der Optimierung
europäischer Bildungssysteme, der infrastrukturellen Verbesserung nationaler und internationaler
Arbeitsmarktsituationen sowie dem Ziel einer besseren Arbeitsqualität und „Work-Life-Balance“.
Da Beeinträchtigungen am Stütz- und Bewegungsapparat, ob durch eine Verletzung verursacht
oder anlagebedingt bzw. degenerativ erworben, ganz wesentlich die Lebensqualität insbesondere
beim älteren Menschen beeinflussen, macht es Sinn, sich gerade aufgrund dieser europäisch
transnationalen Initiative auch auf dem EFORT-Kongress diesen Fragestellungen zu widmen.
Themen wie Sturzprophylaxe und optimierte multimodale Osteoporosetherapie stehen daher
neben vielen anderen Themen auf der „Agenda“. Gerade auch im Bereich der wissenschaftlichen
Aktivitäten sollte der Kongress uns auch einen Anstoß geben, wie wir uns übergreifend
in die initiierten Förderprogramme der europäischen Union einbringen können. Damit
könnte umso mehr die Wertigkeit unseres Faches in den nationalen und internationalen
Gesellschaftssystemen hervorgehoben werden.
Nutzen Sie die Chance zum Erkenntnisgewinn und zur aktiven Beteiligung an diesem Prozess
beim EFORT-Kongress 2012 in Berlin.
Ihre
Ulrich Stöckle und Dieter C. Wirtz
U. Stöckle
D. C. Wirtz