physiopraxis 2012; 10(01): 18-24
DOI: 10.1055/s-0031-1301085
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
05 January 2012 (online)

 

Akupunktur – Erfolgsrelevante Charakteristika entdeckt

Claudia Witt und ihr Team deutscher Wissenschaftler haben bei Auswertung vier randomisierter Studien festgestellt, dass bestimmte Faktoren das Ergebnis einer Akupunktur positiv beeinflussen. Dazu gehören unter anderem: Patient ist weiblich, lebt in einem Mehrpersonenhaushalt, hat bisher gute Erfahrungen mit Akupunktur gemacht, und andere Therapien zeigten keine Wirkung.

In den wissenschaftlichen Arbeiten behandelten insgesamt 2.781 Ärzte 9.990 Patienten, die unter chronischen Kreuz-, Kopfoder Nackenschmerzen oder an einer schmerzhaften Knie- oder Hüftgelenkarthrose litten. Alle Patienten erhielten eine herkömmliche medizinische Versorgung. Die Versuchsgruppe bekam zusätzlich zehn Anwendungen Akupunktur. Die Patienten beurteilten die Intensität ihrer Schmerzen zu Beginn der Behandlung sowie drei Monate später.

Die Patienten der Akupunkturgruppe erzielten deutlich bessere Ergebnisse als die Vergleichsgruppe. Faktoren wie Alter, Bildung, Krankheitsdauer, Ausgangsschmerz und Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus und Asthma bronchiale beeinflussten das Behandlungsergebnis in beiden Gruppen. Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass neun Charakteristika das Behandlungsergebnis einer Akupunktur besonders positiv verändern: weibliches Geschlecht, jünger als 50 Jahre, höherer Bildungsstand, Beschwerden seit weniger als vier Jahren, vorangegangene positive Erfahrung mit Akupunktur, vorangegangene erfolglose Therapien, Leben in einem Mehrpersonenhaushalt, höhere Anfangsschmerzen und das Fehlen von Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus und Asthma.

Die Wissenschaftler führen kritisch an, dass weder die Erwartungen der Patienten noch ihr Umgang mit Schmerzen bei den Untersuchungen berücksichtigt worden waren.

asba

Clin J Pain 2011; 27: 550–555


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Rückenschmerzen – Einlagen schützen nicht

Orthopädische Schuheinlagen beugen lumbalen Rückenschmerzen nicht vor. Das ist das Ergebnis einer randomisierten kontrollierten Studie von Ville M. Mattila und seinem Team finnischer Wissenschaftler.

Die Forscher teilten 220 männliche, gesunde Soldaten in zwei Gruppen ein. Während ihres neunmonatigen Grundwehrdienstes trugen 73 davon maßgefertigte, das Fußgewölbe unterstützende, orthopädische Einlagen. Die übrigen 147 trugen keine. Alle Probanden wurden den gleichen körperlichen Belastungen ausgesetzt. 33 % der Einlagenträger und 27 % der Kontrollgruppe konsultierten innerhalb der neun Monate aufgrund von kurz andauernden Rückenschmerzen einen Arzt und wurden durchschnittlich zwei Tage krankgeschrieben. 5 % beider Gruppen wurden wegen anhaltender Rückenschmerzen vom Dienst freigestellt. Der Gruppenunterschied war nicht signifikant.

asba

Eur Spine J 2011; 20: 100–104


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Ruptur der Mm. Ischiocrurales – Sofortige OP ratsam

Werden Patienten direkt nach einer Ruptur der ischiokruralen Muskulatur operiert, haben sie ein geringeres Komplikationsrisiko und können ihren Sport meist in vollem Umfang wieder ausüben. Das fanden Joshua Harris und seine Kollegen von der Ohio State University, USA, in einer systematischen Literaturstudie heraus.

Die Forscher schlossen 18 klinische Studien in ihre Arbeit ein. Von insgesamt 300 Patienten, die eine proximale Ruptur der ischiokruralen Sehne aufwiesen, erhielten 14 Patienten eine konservative Behandlung, 95 Patienten wurden sofort und 191 Patienten erst nach mehr als vier Wochen operiert. Bei der Kontrolluntersuchung nach wenigstens 12 Monaten waren alle operierten Patienten mit den Ergebnissen zufriedener, hatten mehr Ausdauerkraft im betroffenen Bein und kehrten häufiger zu ihrem Sport zurück als die konservativ behandelten. Zudem bestand ein signifikanter Unterschied zwischen den akut operierten und den später operierten Probanden: Die sofortige operative Versorgung war chirurgisch leichter, es traten weniger Schmerzen und Rerupturen der Sehne auf, die Patienten waren zufriedener mit ihrer Leistungsfähigkeit und nahmen öfter ihren vor der Verletzung ausgeübten Sport wieder auf.

Die Autoren merken an, dass die geringe Zahl der nicht operierten Patienten die Aussagekraft ihre Studie begrenzt.

giro

Int J Sports Med 2011; 32: 490–495


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Demenz – Körperliches Training fördert Selbstständigkeit

Absolvieren Menschen mit einer Demenz ein körperliches Training, erhält oder verbessert dies die Gehaktivität sowie die Selbstständigkeit im Alltag. Dies fanden Hakan Littbrand und seine Kollegen aus Schweden in einer Literaturstudie heraus.

Die Wissenschaftler suchten systematisch nach randomisierten kontrollierten Studien zur Effektivität eines körperlichen Trainings bei Patienten mit Demenz. Die zehn eingeschlossenen Arbeiten hatten eine geringe oder moderate Qualität. Das Training in den jeweiligen Studien beinhaltete Gleichgewichts- und Gehübungen, Mobilitäts- und Transfertraining sowie Übungen zur Verbesserung der Kraft und Beweglichkeit. Die Forscher stellten fest, dass die Gehaktivität erhalten blieb oder sich verbesserte und sich Alltagsaktivitäten nicht weiter verschlechterten.

Eine Trainingsdauer von mehreren Monaten und ein aufgabenspezifischer Charakter der Übungen seien für den Trainingserfolg entscheidend, so die Forscher.

hoth

Am J Phys Med Rehabil 2011; 90: 495–518


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Karpaltunnelsyndrom – Sehnengleiten verbessert Handfunktion

Trainieren Patienten mit einem Karpaltunnelsyndrom zusätzlich zur konventionellen Physiotherapie die Gleitfähigkeit ihrer Beugesehnen an der betroffenen Hand, setzen sie die Hand wieder besser im Alltag ein. Zu diesem Ergebnis gelangte ein taiwanesisches Forscherteam um Yi-Shiung Horng in einer Studie.

Die Wissenschaftler teilten 60 Probanden in drei Gruppen auf. Alle Patienten erhielten Nachtlagerungsschienen und zweimal in der Woche eine Paraffinbehandlung. Gruppe eins führte zusätzlich dreimal täglich Übungen durch, die das Gleitverhalten der Sehnen verbessern. Gruppe zwei machte das Gleiche für den Nervus medianus und ulnaris. Gruppe drei übte nichts zusätzlich. Vor und zwei Monate nach Intervention überprüften die Forscher per EMG die Leitgeschwindigkeit der beiden Nerven. Zudem führten sie klinische Tests durch, um die Handkraft und die Beeinträchtigung des Nervus medianus zu messen. Mithilfe von Fragebögen überprüften sie subjektive Parameter.

Die Schmerzen und die Schwere der Beschwerden verringerten sich bei allen Patienten der drei Gruppen signifikant. Die Alltagsaktivitäten, Handfunktion und das physische Wohlbefinden verbesserten sich jedoch nur bei denen, die ihre Beugesehnen mobilisierten.

giro

Am J Phys Med Rehabil 2011; 90: 435–442


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Massagetherapie – Mit Massage leichter bewegen

Eine therapeutische Massage der Schulter-Nacken-Muskulatur senkt die EMG-Amplitude während maximaler Anspannung des M. trapezius pars descendens und verbessert die Beweglichkeit der HWS. Das ist das Ergebnis einer Cross-over-Studie, die JoEllen Sefton und ihr Team von der Universität Auburn, USA, durchgeführt haben.

Die Wissenschaftler untersuchten die physiologischen Veränderungen in der Muskulatur nach einer therapeutischen Massage und verglichen sie mit zwei anderen Konditionen. 16 gesunde Probanden erhielten im Abstand von einer Woche jeweils drei verschiedene 20-minütige Anwendungen: eine tonussenkende und schmerzlindernde Massage, einmal ruhten sie sich einfach aus und einmal bekamen sie eine sogenannte Light-Touch-Anwendung. Bei dieser entspannten sich die auf dem Rücken liegenden Probanden, während der Therapeut seine Hände lediglich sanft auf die Schulter-Nacken-Muskulatur legte. Die Forscher leiteten direkt im Anschluss einer jeden Anwendung unter anderem die EMG-Amplitude während maximaler Anspannung des M. trapezius pars descendens ab und maßen die Beweglichkeit der Halswirbelsäule.

Die Massage reduzierte die EMG-Amplitude. Gegenüber keiner Anwendung sank sie nach der Massage um 13 %, verglichen mit der Light-Touch-Anwendung um 12 %. Zusätzlich konnten die Probanden nach der Massage ihre HWS in alle Richtungen besser bewegen.

Laut Autoren wird das Ergebnis von der Tatsache eingeschränkt, dass die Probanden gesund waren und die physiologischen Veränderungen nur direkt nach Anwendung gemessen wurden. Die Ergebnisse sind nicht auf Patienten mit HWS-Beschwerden übertragbar und sollten kritisch betrachtet werden.

giro

Man Ther 2011; 16: 487–494


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Rheumatoide Arthritis – Zeichen erkennen

Klassifikationskriterien

  1. Morgensteifigkeit der Gelenke von mehr als einer Stunde Dauer

  2. Arthritis an mehr als drei Gelenken

  3. Arthritis an Hand-, Fingergrund- und Fingermittelgelenken

  4. symmetrische Gelenkentzündungen

  5. subkutane Knoten (Rheumaknoten)

  6. Nachweis des Rheumafaktors (eines Autoantikörpers) im Blutserum

  7. typische Veränderungen an den Händen im Röntgenbild

Arthritis Rheum 1988; 31: 315–324


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Rheumatoide Arthritis – Wetter spielt keine Rolle

Geir Smedslund und Kåre Birger Hagen vom National Resource Centre for Rehabilitation in Rheumatology in Oslo fanden in einem systematischen Review heraus, dass die Wetterlage die Schmerzen von Menschen mit rheumatoider Arthritis nicht beeinflusst.

Die Wissenschaftler untersuchten anhand von neun Studien, ob Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit Auswirkungen auf die Schmerzen von Patienten mit rheumatoider Arthritis haben. Sie konnten keinen Zusammenhang beobachten. Zwei der neun Studien berichteten jedoch von individuellen Assoziationen: Dabei reagierten manche Patienten empfindlicher auf Wetterveränderungen als andere.

asba

Eur J Pain 2011; 15: 5–10


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OSG-Arthrose – Gute Resultate bei Mikrofrakturierung

Bei einer Mikrofrakturierung (MFX) werden die dem defekten Knorpel angrenzenden Knochenlamellen angebohrt. Dies führt zu einem Eintritt von Blut und pluripotenten mesenchymalen Stammzellen in den Defektbereich und im Laufe der folgenden Monate zur Bildung von Reparaturgewebe. Stephan Domayer und seine Kollegen von der Universität Wien fanden in einer Studie heraus, dass die Zusammensetzung des Knorpelersatzgewebes im Talus nach einer MFX annähernd gleich ist wie die des Ursprungsknorpels. Die klinischen Ergebnisse sind ebenfalls gut.

Die Forscher untersuchten 14 Patienten, die aufgrund einer Knorpelverletzung oder eines chronisch progredienten Knorpelschadens im Talus eine Mikrofrakturierung erhalten hatten. Vor und nach dem operativen Eingriff erfassten sie klinische Daten wie sportliche Aktivität und Einschränkungen im Alltag. Bei der Kontrolluntersuchung nach durchschnittlich vier Jahren analysierten die Wissenschaftler anhand einer neuen Kernspintechnologie die morphologische Struktur im Ersatzsowie im Ursprungsgewebe des Knorpels. Sie stellten keine signifikanten Unterschiede im hyalinen Knorpelgewebe beider Gewebsformen fest. In elf Fällen war die Knorpeloberfläche intakt, bei neun Patienten hatte sich der Knorpeldefekt vollständig mit Knorpelersatzgewebe aufgefüllt. Das klinische Ergebnis beurteilten zehn Patienten insgesamt sehr gut bis gut, neun konnten ihren Sport wieder aufnehmen, wobei vier dies nur mit kompensatorischen Bewegungen machen konnten. In ihrem Alltag fühlten sich lediglich vier Patienten geringfügig und zwei ernsthaft eingeschränkt.

giro

Cartilage 2011; 2: 73–80


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Arthrose – Verschleiß in vier Schritten

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Reiser M, Kuhn FP, Debus J. Skelett. In: Duale Reihe. Radiologie. 3. Auflage. Stuttgart; Georg Thieme Verlag; 2004: 356


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Endoprothetik – Sonntagsbehandlung verkürzt Stationsaufenthalt

Patienten, die freitags oder samstags eine Kniegelenkendoprothese erhalten, können früher entlassen werden, wenn sie bereits sonntags Physiotherapie bekommen. Das ist das Ergebnis einer retrospektiven Kohortenstudie von Yong-Hao Pua und seinem Team vom General Hospital Singapore, Singapur.

Die Forscher verglichen die Verweildauer von Patienten, die an einem Freitag oder Samstag mit einer Teiloder Totalendoprothese im Kniegelenk versorgt worden waren. Dazu teilten sie 229 Patienten in drei Gruppen ein: In der ersten bekamen die Patienten bereits sonntags Physiotherapie. In den beiden Kontrollgruppen erhielten sie erst ab dem darauffolgenden Montag Behandlungen. Die Forscher berechneten primär, wie lange die Patienten nach der Operation auf Station blieben. Zusätzlich untersuchten sie die passive Kniegelenkbeweglichkeit, ob die Patienten das operierte Bein aus Rückenlage gestreckt anheben konnten und wie sicher sie mit einer Gehhilfe gingen. Die durchschnittliche Verweildauer verkürzte sich durch die Sonntagsbehandlung von fünf auf vier Tage. Von vier Patienten, die bereits am Sonntag behandelt wurden, profitierte einer mit einer kürzeren Liegedauer. Die verkürzte Aufenthaltsdauer im Krankenhaus hatte keine Auswirkungen auf die Funktion des Kniegelenks der Patienten.

Die schnellere Wiederherstellung erklären die Wissenschaftler mit dem frühen Beginn der Behandlung am ersten Tag postoperativ und der gleichen Anzahl von Behandlungen, die die Patienten bis zu ihrer Entlassung insgesamt erhalten hatten.

giro

Arch Phys Med Rehabil 2011; 92: 880–885

Kommentar

Die Dauer des stationären Aufenthalts von Patienten hat seit Einführung der Fallpauschalen eine erhebliche finanzielle Bedeutung bekommen. Hinsichtlich der Kostendiskussionen im Gesundheitswesen zeigt diese Studie, dass physiotherapeutische Behandlungen den stationären Aufenthalt der Patienten verkürzen und so zur Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser beitragen können. Immerhin konnte einer von vier Patienten durch eine sofortige Behandlung früher entlassen werden, ohne dabei negative Auswirkungen auf seine Kniegelenkfunktion zu haben. Entscheidend ist, dass Patienten früh und ausreichend physiotherapeutisch betreut werden.

Gisela Roos,
Physiotherapeutin aus Hamburg


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Schlaganfall – Ursache

Anteil aller Schlaganfälle in den USA, die jährlich aufgrund einer Ischämie entstehen

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J Neurosci Nurs 2010; 42: 80–87


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Schlaganfall – Ergometer-Training gut für die Balance

Trainieren Patienten nach einem Schlaganfall ihre untere Extremität an einem motorgestützten Fahrradergometer, verbessert dies das Gleichgewicht und die körperlich bezogene Lebensqualität deutlicher als ein konventionelles Gehtraining. Die Forschergruppe um Dr. Jitka Podubecka fand dies in einer Pilotstudie heraus.

Die Wissenschaftler teilten 20 Patienten in der subakuten Phase nach Schlaganfall in zwei Gruppen ein: Die Interventionsgruppe erhielt vier Wochen lang täglich ein 30-minütiges physiotherapeutisches Gehtraining. Es beinhaltete das Gehen unter verschiedenen Bedingungen, beispielsweise mit Stützen oder auf schräger Ebene. Die Kontrollgruppe trainierte – bei gleicher Trainingsfrequenz und -dauer – ihre unteren Extremitäten an einem modifizierten, motorgestützten Fahrradergometer. Sie sollten hierbei in einem mäßig anstrengenden Belastungsbereich üben. Vor und nach der Intervention untersuchten die Forscher die Leistungsfähigkeit, die kardiovaskuläre Fitness, das Gleichgewicht, die Gehfähigkeit sowie die Lebensqualität der Patienten. Im Gruppenvergleich fielen die Verbesserungen für die apparative Trainingsgruppe in allen Parametern höher aus, statistisch signifikant jedoch nur für das Gleichgewicht und die körperlich bezogene Lebensqualität. Als Einschränkung ihrer Studie sehen Jitka Podubecka und ihre Kollegen vor allem die kleine Stichprobe.

hoth

Fortschr Neurol Psychiatr 2011; 79: 411–418


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