Psychiatr Prax 2012; 39(01): 46-47
DOI: 10.1055/s-0031-1301134
Szene
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Poster auf wissenschaftlichen Kongressen

Tilman Steinert
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Publication Date:
13 January 2012 (online)

 

Die Geschichte des wissenschaftlichen Posters in der Psychiatrie scheint noch nicht geschrieben zu sein. Dabei wäre sie sowohl aus kulturgeschichtlicher als auch aus medienwissenschaftlicher Sicht ein reizvolles Thema. Plakate werden als Mittel zur kondensierten, akzentuierten und bildhaft verstärkten Informationsvermittlung schon seit dem 19. Jahrhundert verwendet. Im 20. Jahrhundert tauchte das Plakat zunächst überwiegend zu Zwecken der politischen Propaganda und später der Werbung auf. Wann erstmals Poster auf wissenschaftlichen Kongressen verwendet wurden, lässt sich zumindest mit den üblichen internetbasierten Recher chemethoden nicht verlässlich herausfinden. Der Unterzeichner hängte sein erstes Poster 1992 auf einem neurologischen Kongress auf und erinnert sich, dass es damals bereits einen separaten Raum für die Posterausstellung gab. Die Poster sahen damals genauso aus wie die der älteren Kollegen, die damals den Flur in unserem Forschungsgebäude zierten: DIN-A4-Ausdrucke auf farbige Kartons geklebt, diese in ansprechender Gestaltung nebeneinander angeordnet. Auf den psychiatrischen Kongressen der DGPN (Vorläufer der DGPPN) war dagegen das Standardformat auch für den Neuling Anfang der 1990er-Jahre noch der Vortrag mit Diapositiven (weiß auf blau). Bald kam aber auch hier die Posterwelle. Und man sah nun die Folgen der "Wende": Die mittel- undwesteuropäische universitäre Avantgarde hatte einen Farbkopierer für die DIN-A4-Ausdrucke, die Säulen und Linien wurden bunt. Im nächsten Jahr benutzten wir auch Farbdrucker. Schwarzweiß identifizierte zuverlässig die relativ wenigen Poster aus den osteuropäischen Ländern.Wenig später tauchten die großen DIN-A0-Plakate auf, die man heute ausschließlich sieht. Im Jahr darauf hatten wir auch DIN A0. DIN A4 in Farbdruck war jetzt das Markenzeichen "Osteuropa". Dann ergab sich die Möglichkeit, die DIN-A0-Poster mit Kunststoff zu beschichten. Schick, machten wir auch. Ist inzwischen schon wieder aus der Mode. Höchstens noch Osteuropa oder Südamerika. Es folgte das Hand-out, unter dem Poster in einer Kunststoffhülle zum Mitnehmen die Ausdrucke in DIN A4, farbig, für junge Augen gerade noch ohne Brille lesbar. Das ist auch schon wieder überholt. Heute tippt man an einem Bildschirm in der Posterhalle die Nummer des interessierenden Posters ein, dazu die eigene E-Mail, und schon landet das Ganze per Mausklick als PDF im eigenen Posteingang. Perfekt. Was bringt die Zukunft? Schwer zu sagen, aber ich habe das Gefühl, der Anblick der Kollegen, die man schon im Flugzeug zuverlässig daran erkennt, dass sie ihre charakteristischen länglichen Köcher aus dem Stauraum für das Handgepäck nehmen, wird irgendwann auch ein Relikt der Vergangenheit sein.

Tilman Steinert,Weissenau
E-Mail: tilman.steinert@zfp-zentrum.de