Pneumologie 2012; 66(02): 58
DOI: 10.1055/s-0032-1304139
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic - Prävention der Tuberkulose: 3-monatige Therapie mit Rifapentin und Isoniazid bei latenter tuberkulöser Infektion

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Publication Date:
15 February 2012 (online)

 

    Hintergrund: Die Behandlung der latenten tuberkulösen Infektion ist eine wesentliche Maßnahme zur Bekämpfung der Tuberkulose (TB). Die aktuelle Standardtherapie mit Isoniazid (INH) über 9 Monate ist prinzipiell wirksam, ihre Effektivität aber durch die geringe Compliance eingeschränkt [1]. Eine Verkürzung der Therapiedauer kann die Akzeptanz verbessern und zu höheren Behandlungsraten führen. Rifapentin ist ein Rifamycin-Derivat mit einer stärkeren bakteriziden Wirkung gegen Mycobacterium tuberculosis und einer längeren Halbwertszeit als Rifampicin, das seit 2010 als Orphan Drug zur TB-Therapie zugelassen ist.

    Methodik: In der vorliegenden prospektiven, offenen, randomisierten Studie wurde eine direkt überwachte 3-monatige Kombinationstherapie von 1-mal wöchentlich Rifapentin 900 mg plus INH 900 mg mit der 9-monatigen INH-Standard-Therapie (300 mg täglich) verglichen. In den USA, Kanada, Brasilien und Spanien wurden zwischen 2001 und 2008 insgesamt 7731 Patienten aufgenommen, die einen positiven Tuberkulinhauttest (THT) und Risikofaktoren für die Entwicklung einer Tuberkulose hatten. Ab 2005 wurden auch Kinder ab 2 Jahren in die Studie aufgenommen.

    Ergebnisse: In der INH-Monotherapie-Gruppe wurden 3745 Personen behandelt, in der Rifapentin/INH-Gruppe 3986 Personen. Die Hauptindikationen zur Präventionstherapie waren ein enger Kontakt zu einem TB-Patienten innerhalb der letzten 2 Jahre und ein positiver THT (71 %) oder eine nachgewiesene Tuberkulinkonversion (25 %). Einen vollständigen Therapieabschluss erreichten 3376 (82 %) Patienten unter der Kombinationstherapie und 2792 (69 %) Patienten unter INH-Monotherapie. Von diesen Patienten entwickelten 5 unter der Kombinationstherapie (0,1 %) und 6 unter der INH-Monotherapie (0,2 %) eine TB.

    Von den 384 Personen, die keine oder kaum eine Therapie eingenommen hatten, entwickelten 4 (1,64 %) eine TB. In der INH-Monotherapie-Gruppe brachen 3,7 % die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab, in der Kombinationsgruppe 4,9 %. Die Hepatotoxizität war unter der Kombinationstherapie geringer als unter INH-Monotherapie (0,4 vs. 2,7 %). Eine mögliche Hypersensitivität trat bei der Kombinationstherapie häufiger auf als bei INH-Monotherapie (2,9 vs. 0,4 %).

    Schlussfolgerung: Die Autoren konnten in der Nichtunterlegenheitsstudie an 7731 Personen mit latenter tuberkulöser Infektion zeigen, dass eine 3-monatige Therapie mit 1-mal wöchentlicher Gabe von Rifapentin 900 mg und INH 900 mg mindestens ebenso gut wirksam ist wie die 9-monatige tägliche Gabe von INH 300 mg. Unter abgeschlossener Kombinationstherapie kam es bei 0,1 % der Patienten zu einer TB, unter abgeschlossener INH-Monotherapie bei 0,2 %. Die Verträglichkeit der Kombinationstherapie war ebenso gut wie die der 9-monatigen INH-Monotherapie, die Hepatotoxizität war sogar geringer. Die Kombinationstherapie hatte eine bessere Akzeptanz als die INH-Monotherapie (vollständige Therapie in 82 vs. 69 %).

    Sterling TR, Villario ME, Borisov AS et al. Three months of rifapentine and isoniazid for latent tuberculosis infection. N Engl J Med 2011; 365: 2155-2166

    Kommentar

    Die Studie von T. R. Sterling et al. zeigt, dass die 3-monatige Kombinationstherapie von Rifapentin und INH, die nur 1-mal wöchentlich gegeben werden muss, effektiver ist als die bisherige 9-monatige INH-Standardtherapie, vor allem durch die bessere Akzeptanz der kürzeren Therapie. Bei dieser Studie handelte es sich im Wesentlichen um eine Verträglichkeitsstudie, an der auch Kinder ab 2 Jahren teilnahmen. Die Rate der TB-Entwicklung bei den Nichtbehandelten in dieser Studie ist mit 1,64 % relativ gering; dies spricht dafür, dass die Einschlusskriterien sehr weit gefasst waren. Bei diesen Kriterien (Kontakt zu TB-Kranken innerhalb der letzten 2 Jahre und positiver THT) müssen 61 Personen behandelt werden, um eine TB zu verhindern. Aus der Literatur vor 2005 sind Progressionsraten von 5-10 % ohne Therapie bekannt [2, 3]. Seitdem durch die Interferon-gamma-release-Assays (IGRA; z.B. QuantiFERON®-TB und T-SPOT.TB) eine bessere Bestimmung der tatsächlich Infizierten möglich ist, wurden in neueren Studien Erkrankungsraten von 10 - 20 % bei IGRA-positiven jungen Erwachsenen und 25 - 29 % bei IGRA-positiven Kindern nach engen Kontakten zu Tuberkulosekranken gefunden [4, 5]. Geht man von diesen Zahlen aus, so müssen nur 4 - 10 Patienten (Kinder und junge Erwachsene bis 35 Jahre) behandelt werden, um eine TB-Erkrankung zu verhindern. Kann bei diesem Personenkreis durch eine kürzere und besser verträgliche Therapie eine höhere Akzeptanz der präventiven Chemotherapie erreicht werden, wird der Nutzen der präventiven Kombinationstherapie deutlich höher sein als aus den Daten der Sterling-Studie ersichtlich ist. In dieser Gruppe würde sich eine bessere Akzeptanz der Prävention rasch auf die Zahl der Neuerkrankungen auswirken.

    Weitere Daten zur Verträglichkeit von Rifapentin und zur Medikamenteninteraktion mit anderen über Cytochrom P-450 interagierenden Substanzen, vor allem bei HIV-Infizierten, sind erforderlich, bevor diese Therapie zur Standardtherapie ernannt werden kann. Sie stellt jedoch bereits jetzt einen erheblichen Fortschritt im therapeutischen Angebot für Menschen mit latenter tuberkulöser Infektion dar. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass die Verfügbarkeit von Rifapentin auf dem Markt zurzeit unklar ist.

    Dr. Hilte Geerdes-Fenge, Rostock

    Literatur beim Autor


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